mimesn
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Warum erst so spät? So richtig "echt" war die TdF in dem Sinne nie. (Genauso wenig, wie anderer Profirummel.)Mir hat Doping jedenfalls die Freude an der TdF, die ich ungefähr bis 2003/04 regelmäßig und begeistert verfolgt habe, nachhaltig verdorben. Es wirkt für mich nicht echt.
Konnte man doch schon ewig wissen und natürlich auch ignorieren.
Es gab schon vor vielen Jahrzehnten Zeitungsberichte, in denen genug davon enthalten war. Bücher dann auch noch ...
Ein recht gutes Buch, zu diesem Thema, ist m.E. "Der Schweiß der Götter". - Da geht es nicht nur um die TdF oder den
Giro d'Italia, es wird das Thema Doping anhand prominenter Beispiele als systematisch beschrieben, zusätzlich noch anhand von Episoden die Interessen und Machenschaften der Veranstalter, ...
Das Alles war Rummel und bleibt es auch. Die Fahrer werden verheizt, nicht nur die Zuschauer von den Veranstaltern beschissen. - Andererseits: Die Zuschauer wissen grundsätzlich darum und lassen sich gerne bescheißen, wenn die Show nur gut genug ist. Alles ist egal, Hauptsache, die Etappen sind nicht langweilig.
Ich denke, wenn man immer von "Betrug" spricht, müßte es meist "Selbstbetrug" heißen.
Die Motivation für das Akzeptieren des Rummels ist mehrschichtig:
Den meisten Zuschauern ist's egal, die wollen eine gute Show. Die Veranstalter tun alles dafür, dass es eine gute Show wird, weil sie sonst nichts verdienen.
Einigen Fahrern geht's wohl auch um den Verdienst, Anderen um den persönlichen Ehrgeiz und ein wenig Ruhm, oft dürfte es sich um eine Mischung handeln.
Stelle dir mal vor, du wärst ein ein sehr guter Radrennfahrer. Du weißt, dass du top bist, aber wegen der anderen gedopten Fahrer wohl nie/kaum etwas gewinnen könntest. Das könntest du jetzt akzeptieren und den Zirkus Zirkus sein lassen und nur für dich fahren.
Oder aber: Du dopst auch und hast eine reelle Chance auf Geld, Ruhm und Ehre, ...
Bei Letzterem fängt eben auch ein Stück weit der Selbstbetrug an und die Grenzen verschwimmen. Du empfindest es als ungerecht, dass du nie die Ehre bekommst, von der du glaubt, dass sie dir zusteht und verschaffst dir eine gewisse Chancengleichheit. - Aber damit nimmst du dir persönlich die Möglichkeit, sauber zu sein. (Und sauber gewinnen zu können, was du ja ohnehin nicht könntest.)
Was ich aber so gar nicht ausstehen kann, wenn immer wieder Fahrer ganz entrüstet tun, wenn andere Fahrer des Dopings überführt werden. - Heh, alle in dem Umfeld wissen nicht nur um das Doping, sondern auch, wie sich das anfühlt, wie und wann man welches Mittelchen in welcher Dosierung nimmt, ... - Das ist in meinen Augen die eigentliche Verlogenheit im Fahrerumfeld.
Eine Andere ist die von Veranstaltern, UCI, ...
Und weil es ja mal um Armstrong ging: Ja, ich denke, der Mann war damals einer der weltbesten Fahrer. Aber ohne Doping hätte er in dem Umfeld nicht gewinnen können. Und als Perfektionist, der er war, hat er alles, auch das Doping, möglichst perfekt betrieben.
Alles schonungslos gegenüber sich selbst und auch den Anderen gegenüber. - Letzteres machte ihn bei Kollegen natürlich nicht beliebt. (Anderen Perfektionisten vor ihm erging das nicht anders und Folgenden wird derselbe Neid und dieselbe Unsympathie entgegenschlagen.)
Hat er wirklich so unberechtigt gewonnen, wenn man die Umstände bedenkt, unter denen man dort überhaupt gewinnen kann?
Geopfert hat er dafür die persönliche moralische Integrität. Beschissen finde ich aber, dass seine größten Kritiker in dem Punkt aber genauso wenig integer waren und sind.
Letztlich müßte man, wenn man Armstrongs Toursiege annulliert, alle Siege aller Fahrer annullieren. Wenn man wirklich sauberen Sport wollte, müßte man den Profisport mit all den Möglichkeiten daran zu verdienen abschaffen und den Breitensport fördern. (Selbst dann wäre Doping wohl nicht zu verhindern, aber ein paar Ursachen dafür würden entfallen.) Die Frage wäre auch, ob in einer "Leistungsgesellschaft" sauberer Sport überhaupt möglich ist. Ein gewisser Wettkampfwille scheint uns ja vom Wesen her eigen zu sein, wenngleich dem nicht jeder überall nachkommt.