AW: Wintertraining im Norden von Berlin
Bin wieder zurück, unverletzt aber ziemlich kaputt. Ist alles nicht so toll für mich gelaufen. Eine Mittelohrentzündung machte mir schon im Vorfeld zu schaffen, wurde mit homopatischen Mitteln behandelt. Ich reiste mit Peter, dem Veranstalter der Brevets in Brandenburg an. Als wir am Samstag den 18.8.2007 in
Saint Quentin En Yvelines auf dem Campingplatz ankamen war gerade noch Zeit um das Zelt aufzubauen, dann fing es an zu regnen. Bis Montag nur Regen und ziemlich kühl. Peter bekam eine starke Bronchitis und entschied sich nicht zu starten. Auch ich hatte durch das kalte und nasse Wetter wieder Probleme mit dem linken Ohr, hinzu kamen noch Halsschmerzen und eine leichte Erkältung.
Ich entschied mich trotzdem zu starten und auf ankommen im Zeitlimit(90 h) zu fahren. Außerdem wollte ich feststellen wie stark meine Willenskraft ist und wie mein Körper und Geist in solchen Extremsituationen reagieren.
Unmittelbar nach dem Start am Montagabend Dauerregen und starker Gegenwind. Trotz des schlechten Wetters bin ich die erste Nacht gut vorangekommen. Ich bekam allerdings immer mehr Probleme mit dem Ohr. In Villaines la Juhel musste ich das erste Mal vom Arzt behandelt werden.
Aufgrund des anhaltenden schlechten Wetters wurde das vorankommen ziemlich müßig. Ich bin in Loudeac(km 450) am 22.8 um 2:15 Uhr angekommen. Hier waren schon über 1000 Teilnehmer durch Überschreitung der Kontrollzeiten ausgeschieden. War sehr erfreut und motiviert weiterzumachen, dass ich es geschafft hatte im Zeitlimit zu bleiben. In Loudeac habe ich 2 h geschlafen, eingewickelt in einer Alunotdecke im Flur einer Schule.
Ich hatte ein Problem das mich immer mehr bremste. Das Streckenprofil hatte ich total unterschätzt und war nicht in der Lage die Hügel dauerhaft mit der Übersetzung 39/27 zu treten. Ich bin bei dem Begriff Hügel davon ausgegangen, dass das Profil mit der Uckermark zu vergleichen ist.
Solche Hügel, wie in Frankreich, bin ich noch nie gefahren, extreme Steigungen, Hügel an Hügel und nahezu keine Geraden zum konstanten pedalieren. Eine Kompaktkurbel hätte ich haben müssen, wieder mal ein typischer Anfängerfehler.
Aber mein Wille war stärker, ich wollte durchkommen. Weiter ging es nach Brest(km 615) erreicht nach ca. 40 h. In Carhaix-Plouguer(km 699) habe ich geduscht, Kleidung gewechselt und noch 1 h geschlafen. Ab Kilometer 700 fingen die ersten Sitzbeschwerden an und die Knieschmerzen wegen Überlastung wurden auch immer stärker.
Am 23.8 um 19:40 erreichte ich Fougeres(km 915) mittlerweile hätte ich mir ein Beissholz gewünscht so stark waren die Gesäßschmerzen. Bei dem anspruchsvollen Profil und den bereits verbrauchten Kräften kalkulierte ich für 100 km über 5 h ein. Für die noch zu fahrenden ca. 350 Km kalkulierte ich 18 h Fahrzeit. Ein Kontingent von 23 h stand mir noch zur Verfügung, also eine gute Chance durchzukommen.
Wir fuhren dann weiter in einer kleinen Gruppe ins Gebirge Richtung Villaines La Juhel, hatten aber erhebliche Probleme mit dem Schlafdefizit. Ich hatte in den letzten 3 Tagen zusammen maximal 4 h geschlafen. Für mich war das kein Problem, ich konnte Radfahren ohne Probleme, aber nichts anders mehr machen, weder navigieren oder irgendwelche Probleme lösen. Es wurde Schlangenlinie gefahren und einige sind sogar in einen Sekundenschlaf gefallen. Mir ging es zu dem Zeitpunkt relativ gut und ich überlegte ob ich mein Ding alleine machen sollte. Ich entschied mich jedoch bei der Gruppe zu bleiben weil die Situation sehr gefährlich war. Teilweise habe ich die Leute angeschrien wach zu bleiben und keinen Scheiß zu machen. Wenn nötig lieber eine kleine Pause einzulegen. Wir erreichten dann nach einer Horrorfahrt so gegen 2:30 Uhr den Ort Villaines La Juhel(km1050). Die Kontrollstelle konnten wir aber nicht mehr finden. Ich entschied mich an der Stelle auszusteigen, meiner Meinung nach hatte ich gegen das Reglement verstoßen, ohne Kontrollstelle kein Stempel!
Einige fuhren wie in Trance weiter und wollten die nächste Kontrollstelle erreichen. Ich merkte, dass ich schon ziemlich verwirrt war und verbrachte den Rest der Nacht mit andern Rennfahrern aus verschiedenen Ländern im Straßengraben eingewickelt in die Alunotdecke. Ich kann mich nicht erinnern jemals so gefroren zu haben, ich habe am ganzen Körper gezittert.
Am nächsten Tag mit der Bahn auf abenteuerliche Weise wieder zurück nach Paris.
Fazit;
Strecke: 1050 km
Netto: 53 h
Brutto: 77 h
Zuviel Zeit verbraucht für Pausen, Arztbesuche und Hilfeleistung für andere Fahrer.
Totale Fehleinschätzung des Streckenprofils,. Nach einem Jahr Radtraining verfüge ich noch nicht über die körperlichen Fähigkeiten solch eine anspruchsvolle Langstrecke zu bewältigen. Viele interessante Menschen kennen gelernt, ich werde auf jeden Fall 2011 wieder starten und ich weiß was zu tun ist.
Habe viel Anerkennung von den Randonneuren bekommen nach einem Jahr Radtraining solche Herausforderung anzunehmen. Geduld ist die erste Randonneurstugend und die fehlt mir leider noch. Insgesamt ein tolles Abenteuer; ich wusste nicht was mich erwartet, auch nicht wie ich mich in so einer extremen Situation verhalte. Ich habe wieder viel gelernt und bin stolz dabei gewesen zu sein.
Grüße
oldboy