AW: Ötztaler Radmarathon Erlebnisbericht
Dann auch mal mein Bericht (bisherige Bestzeit 9:43, ehrgeiziges Ziel 9:00, Minimalziel 9:30, Ergebnis 10:14 ....)
Die Nacht verläuft erstaunlich ruhig, wenn man davon absieht, dass ich öfters auf die Toilette muss. Auch das Frühstück verläuft wider Erwarten ohne Nervosität der anderen - vielleicht bin ich deshalb gar nicht so recht in Rennstimmung. Problematisch ist, dass es aufgrund des wolkenlosen Himmels nur 4 Grad sind – das kann lustig werden im Startblock, hinunter nach Ötz und dann wieder hinunter nach Innsbruck. Ich ziehe mir dünne Fingerhandschuhe über meine normalen Handschuhe – hoffentlich reicht das. Im Startblock haben wir Glück, neben einem Generator und zudem recht windgeschützt zu stehen, das macht es etwas angenehmer, bis die Veranstalter auf die bekloppte Idee kommen, einen Hubschrauber in die Luft zu schicken, der ein riesiges Trikot, zusammengenäht aus hunderten alten Trikots, in die Luft hebt. Die durch die Rotorblätter ausgelösten Luftwirbel kühlen einen über etwa eine Viertelstunde lang mächtig aus. Alle sind froh, als der Hubschrauber endlich verschwindet.
Dann geht es los. Ich fühle mich ganz gut, ohne größere Anstrengung rolle ich gen Ötz. Die anderen fahren in etwa mein Tempo, es läuft alles recht entspannt – so hatte ich mir das vorgestellt für meine Zielzeit von 9 Stunden. Katja, die dasselbe Ziel hat, überhole ich mal, dann wieder sie mich. Nach etwa 25 Minuten verliere ich sie aus den Augen, nachdem diese schon mal ein paar Körner auf die Straße geschmissen hat und eine Abfahrt wohl etwas schneller hinab gefahren ist als ich. Das ist nicht weiter tragisch, denn ich bin ohnehin davon ausgegangen, in den Abfahrten etwas zurückzufallen. Weit weg kann sie ohnehin nicht sein, denn wider Erwarten bewege ich mich auch in den Abfahrten mit dem Feld.
In Ötz steht die versammelte Partnerinnenkombo: Melanie ruft, dass die anderen bereits alle weg sind – ja, das weiß ich auch, aber das klingt so, als wären sie schon ewig weit vor mir, was ja nun wirklich nicht sein kann. Ich mache mich also auf die Socken. Zunächst rolle ich zügig an anderen Teilnehmern vorbei, danach wird es etwas zäher und ich habe mich in etwa eingruppiert. Nach knapp der Hälfte des Anstiegs überhole ich meinen Vereinskollegen Tobias, der meint, Katja sei vielleicht eine Minute vor, er habe ihr Tempo nicht halten können. Die von ihr gestern angekündigten 210W fährt Katja dann aber niemals, eher 230W. So hole ich sie nie ein! Außerdem fängt es an, anstrengend zu werden. Die Passhöhe erreiche ich in exakt 2 Stunden; 3 Minuten hinter dem berechneten, aber wohl ohnehin zu optimistischen Zeitplan – von Katja ist nichts zu sehen.
Bis hierher ging es ja noch. Durch das ganze Gewusel dort oben muss ich aber leider ausklinken und komme nachher lange Zeit nicht mehr in die Pedale herein, was mich einige Zeit kostet. Ansonsten läuft die Abfahrt, auf der ich maximal 94km/h erreiche, aber, insbesondere im unteren Bereich, gut. Hier holt mich Tobias wieder ein, überholt mich wie ein Irrer rechts über den Randstreifen. Ich nehme das Tempo der Gruppe auf, kann sie auch halten, bis es in die Galerien hineingeht, in denen ich wegen meiner dunklen Sonnenbrille nicht so gut sehe und es deshalb etwas langsamer angehen lasse.
Am Ende der Passabfahrt bin ich leider allein, so dass ich erst einmal die nötige Pinkelpause einlege. In der Zwischenzeit fährt leider auch eine größere Gruppe vorbei, so dass ich nachher zunächst nur den Windschatten eines einzelnen Fahrers genießen kann. Die nächste Gruppe holt uns ein, die jetzt versucht, die vorausfahrende Gruppe einzuholen. Das klappt dann aber erst am Anstieg zum Brenner, wo die Gruppe auf bestimmt 300 Personen anwächst. Ich kann mich in der Gruppe ganz gut halten, aber mein Puls ist mit häufig um 3mmol, teilweise sogar darüber, eigentlich höher als geplant und ich merke, dass ich Hunger bekomme. In der Abfahrt vom Kühtai habe ich auch keinerlei Zeit auf meine bisherige Bestzeit gut gemacht, so dass der Rückstand zur Zielzeit deutlich gewachsen ist. Am Brenner bin ich, obwohl die Bedingungen mit der großen Gruppe eigentlich perfekt waren, wie am Kühtai nur gut 5 Minuten vor meiner Bestzeit. Die 9 Stunden sind angesichts dessen unerreichbar, zumal ich befürchte, nach hinten heraus eher noch schlechter zu werden. Katja ist hier ca. 10 Minuten vor mir und damit ziemlich genau im Zielkorridor, vielleicht klappt es ja wenigstens bei ihr. Ich jedenfalls bin jetzt ziemlich demotiviert, gebe meine Knielinge bei der wieder gut postierten Frauenkombo ab und fahre weiter.
Im Anstieg zum Jaufenpass werde ich fast nur überholt, unter anderem von Rudi, den ich aus einem Trainingslager in Italien kenne und der auch meint, dass 9h wohl deutlich zu ehrgeizig waren. Auf der anderen Seite wundere ich mich, dass ich ihn hier überhaupt sehe, denn eigentlich ist er so viel stärker als ich, dass er weit vor mir sein müsste. Er wird nachher etwa 9:20h erreichen. Am Jaufenpass angelangt, liege ich nur noch 1 Minute vor meiner Bestzeit. Unter 10h werde ich also bleiben, wenn es normal läuft, zumal ich mit einem weiteren Einbruch am Timmelsjoch nicht mehr rechne, da ich ja hier schon ziemlich langsam gefahren bin. Die Abfahrt vom Jaufen läuft so lala, jedenfalls besser als vor zwei Jahren, bis plötzlich jemand wild pfeifend auf der Straßenmitte steht und die Strecke sperrt. Ich bin der erste, den er anhält, die Strecke wird für etwa 10 Minuten gesperrt, schätzungsweise 300 Fahrer stehen untätig herum. Es hat einen schweren Unfall gegeben, ein Rettungshubschrauber kommt. Kurz danach kommt auch Tobias an, den ich offenbar überholt hatte, als er in der Verpflegung in der Jaufenabfahrt stand. Schließlich auch noch Oliver, der nach eigenem Bekunden fast nichts trainiert hat dieses Jahr. Ich bin über die Pause nicht unglücklich, spätestens jetzt ist klar, dass es nicht einmal mit einer Bestzeit etwas wird, da kann ich es für den Rest der Strecke ruhig angehen lassen. Dann werden wir wieder losgelassen. Ich fahre zunächst vorsichtig, dann etwas mutiger im Pulk herunter, es gibt Passagen, da überhole ich bestimmt 30 Fahrer, ohne dass mich ein einziger überholt. Heidewitzka! Vielleicht sollte ich in Zukunft nur noch Abfahrtsrennen bestreiten, bergauf klappt ja offenbar nicht mehr.
In St. Leonhard treffe ich kurz auf Rolf von der Pyrenäentour letztes Jahr, der dann aber zum Entkleiden anhält, was ich erst später erledige und trotzdem nicht wieder von ihm überholt werde. In Schönau schaue ich mir die Verpflegungsstation ganz genau an und lasse mich massieren – eine gute Zeit ist ja ohnehin dahin. Gleich zwei Masseure widmen sich meinen Beinen und meinen, dass diese sich aber eigentlich gut anfühlten, da hätten sie schon ganz anderes erlebt. Ich habe ohnehin Glück, denn zu diesem vergleichsweise frühen Zeitpunkt im Rennen will noch kaum einer auf die Massagebank. Dann mache ich mich wieder auf den Weg und schaue mir die traumhafte Landschaft an. Außerdem schmiede ich Pläne für den morgigen Tag. An der Timmelsbachbrücke sehe ich Wegweiser zu einer Jausenstation ebenso wie weiter oben an der letzten Verpflegung. Dort könnte man morgen auf der Fahrt in den Urlaub nach Südtirol eigentlich Mittagspause machen! Die letzten Kehren sind wie immer unangenehm und ich stelle mir die Sinnfrage – die stelle ich auch einigen Mitfahrern, aber die schweigen. Offenbar wirke ich zu entspannt. Nun ja, mein Puls liegt mittlerweile auch nur noch im GA1-Bereich. Die Abfahrt vom Timmelsjoch ist relativ unproblematisch, auf der langen Geraden vor der Gegensteigung erreiche ich 80km/h, einige Vereinskollegen angeblich 100km/h. Nach 10:14h bin ich im Ziel.
Ohne die beiden Halts und mit mehr Motivation an den beiden letzten Anstiegen wäre vielleicht noch ganz knapp eine neue Bestzeit drin gewesen, aber selbst die 9:30h, deren Erreichung ich für sicher hielt, wenn nicht gerade grauseligste Bedingungen herrschten, wäre heute utopisch gewesen. Ich weiß nicht, woran es lag. Schlechte Form kann es eigentlich nicht sein, ebenso wenig kann ich mir vorstellen, dass der Alkohol vom Donnerstag entscheidend war. Die Vereinskameraden führen daneben noch die Massage tags zuvor und die Fahrt gestern ins Feld, aber auch das erklärt nicht die erhebliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Mein Gefühl unterwegs spricht dafür, dass die Ernährung falsch war und ich zu wenig Kohlehydrate gespeichert hatte. Vielleicht ist es auch eine Mixtur aus allem. Jedenfalls bin ich ziemlich enttäuscht. Die Vereinskameraden haben größtenteils gute bis herausragende Zeiten gefahren, Katja ist mit 9:05 ins Ziel gekommen, hat also das Ziel immerhin fast erreicht und ist megazufrieden.
Nunja ... es war mein "lockerster" Ötzi bislang .... man kann's halt leider nicht planen.