Weiter mit Teil 2:
Auch die paar Kilometer zur nächsten Kontrollstelle nach Kochel in den Postillion waren eher unspektakulär. Da es auf der Strecke auch immer noch ein bisschen zäh ging, entschlossen Mathias und ich etwas länger Pause zu machen und die letzten Sonnenstrahlen zu genießen! Die kleinen Zimperlitzchen fingen an, Rücken schmerzt leicht, Arme und Hände tun weh etc..
Ein Spezi, zwei Kaffee und eine Leberknödelsuppe später hab ich dann im Kopf mal angefangen zu rechnen und bin zu dem Entschluss gekommen, dass der letzte Zug theoretisch noch machbar sein müsste! Viel Zeit zum hadern hatte ich nicht und bin umgehend alleine aufgebrochen (Abfahrt 18:30 - 5 Stunden bis zu meinem gesetzten Ziel an der Aral Tankstelle und noch 114 km).
Aber da wäre noch der zweite längere Anstieg der Tour... der Kesselberg!
Ich hatte vorher scherzhaft im Wunsch geäußert, dass ich gerne einen nicht zu steilen sehr konstanten Berg hätte und tatsächlich! Vielen Dank Luitpold von Bayern, du weißt wie man Radfahrer glücklich macht! Noch im Zuckerrausch bin ich wie eine Lokomotive den Berg hoch von oben bis unten der gleich Gang und die gleiche Kadenz - so machen sogar mir Berge Spaß!
Darauf hin gings zum traumhaften Walchensee bei dessen Staudamm man noch eine Kontrollfrage beantworten musste. Seit der Pause in Kochel lief alles wie geschmiert, ich wusste gar nicht wo die ganze Kraft herkommt und bin unter vollem Dampf weiter (entschuldigt bitte deswegen auch das Fehlen weiterer Fotos)! Nachdem ich eine dreiergruppe überholt hatte gings auf die Zielgerade richtung letzter Kontrollstelle in Bad Tölz! Das Terrain lag mir (sehr flach!) und mit hoher Geschwindigkeit (30+) gings sanft hinunter und von da an gings nur noch im Unterlenker voran!
Die Dämmerung ging langsam in Nacht über und kurz vor Lenggries bin ich dann in einen richtigen Wolkenbruch geraten. Gerade noch geschafft die Regenmontour überzuwerfen aber patschnass war ja dann doch alles..
Meine Beleuchtung kam das erstemal wirklich zum Einsatz und hat sich wirklich super bewährt. Ich konnte die gleichen Geschwindigkeiten fahren wie bei Tag und ein Widerstand war nicht zu bemerken! Hut ab SON/EDELUX.
Für viele mag die Kombination von starkem Regen (der übrigens bis München nicht mehr aufhörte), fahren in der Nacht und eine Temperatur von unter 5° nicht so toll klingen. Aber ich war schon seit 60 km auf so einem "high" dass ich nichts meiner kleine Beschwerden mehr auf dem Schirm hatte. Ich war in einem ziemlichen Geschwindigkeits- und Leistungsrausch.
Bei der Letztenstation hab ich bei McDoof nach 2 Cheesburgern und einer Cola dann eine kleine Gruppe gefunden die aus meinem ehemaligen Weggefährten Peter sowie Daniel und seinen Kollegen bestand. Ich erzählte von meiner Zeitproblematik und meinem Vorhaben und die Jungs waren motiviert! (sicher auch um dem ekligen Regen schneller zu entkommen) Zusammen gings dann auf die letzte Etappe. Da wurde auch ein sehr hohes Tempo gefahren was mir nur sehr recht war. Windschatten war aufgrund der Dunkelheit und des Dauerregens zwar eh nicht möglich aber es motiviert doch schon wenn der Nebenmann auch ordentlich in die Pedale drückt!
21:20 gings dann vom Mc los - noch 60 km und das Zeitlimit 00:04 am Bahnhof oder 5 Stunden warten. Der letzte Abschnitt war meiner Meinung nach ziemlich schwierig, da bei Nacht und so zum Ende noch wirklich einige sehr steile Rampen von Jörg und Igor eingebaut wurden, müssen ja schon kleine Sadisten sein um uns das anzutun.. Aber der Zug ruft und ich trete fluchend weiter!
Die Witterungsbedingungen setzten jedem unterschiedlich zu. Peter war gefühlt halb erfohren und fühlte sich nicht besonders sicher in der Nacht zu fahren. Mir hingegen hat weder die Nacht noch das Wetter besonders zugesetzt - auch nicht nach über 3 Stunden in der Nacht und bei Regen (mental war ich immer noch im Höhenflug). Mir war nicht kalt (hier nochmal danke an Nik der mir ein zweites Paar Winterhandschuhe nahegelegt hat), ich hatte super Licht und ich hatte sehr gute Beine - all das fand ich ein bisschen verwunderlich nach 260 km! Daniel und sein Kollege waren auch noch sehr fit und so kam schließlich was sich angebahnt hatte: Peter konnte nicht mehr mithalten und ist ca. 20 km vor München aus der Gruppe gefallen, ich hoffe er ist noch gut angekommen!
Ich hatte eigentlich auch schon die ganze Zeit auf meinen Leistungseinbruch gewartet, aber der kam irgendwie nicht - auch nicht nach 5 Stunden.. seltsam
2 Kilometer vor dem Ziel verliere ich auch meine letzten beiden Wegbegleiter, Daniels Lampe hat sich vorne gelöst und hing auf das Vorderrad - ich musste weiter..
Und tatsächlich! Abschluss des Brevets um 23:40 - gefolgt von 15 Minuten knackiger Fahrt durch München vorbei an Krankenwagen, Polizei, Tram, Taxen und Baustellen... 23:57 Ankunft am Bahnhof - geschafft! Große Erleichterung aber es fühlte sich fast ein bisschen surreal an.
Etwas über 15,5 Stunden ist für mich eine super Zeit, schneller als ich erwartet habe - mit so viel Kraft wie gestern bin ich tatsächlich noch nie Radgefahren
Für die Schnitzelsemmel war leider keine Zeit mehr..
Fazit:
>War wieder eine super schöne Route mit viel zu sehen, die Höhenmeter setzen mir immer noch zu aber das Training zwischen den Brevets hat sich wirklich gelohnt.
>Schutzbleche haben eine große soziale Komponente - Gesichtswäsche vom Vordermann ist nicht schön
>Ich hatte viele kleine Dinge dabei die mir das Leben gerade bei schlechtem Wetter sehr viel angenehmer gemacht haben.
>Sportlich gesehen hab ich schon lange festgestellt, dass ich Nachts bessere Leistung bringe - wieso auch immer (ich gehe am liebsten in der Nacht bei schlechtem Wetter laufen)
>Das Bob Jackson hat alles anstandslos mit Bravour mitgemacht - keine Zicken nirgends, besonders überrascht hat mich der gute Grip der Pari Motos bei nasser Fahrbahn - aber da hat sicher das tiefe Tretlager und mein hohes Gewicht sicher mitgeholfen
Die Beschwerden nach dem Brevet halten sich in Grenzen - der Rücken tut ein bisschen weh (weniger als nach dem 200er) die Knie sind etwas unterkühlt (habe ich mit dem Weglassen der Regenhose ja in kauf genommen - da muss ich mal was vernünftiges suchen) und man ist natürlich etwas müde nach 22 Stunden auf den Beinen
Ich dachte ja immer ich schwitze nicht an den Füßen, aber 15 Stunden unter Wasserdichten Überschuhen haben dann doch etwas Schweiss produziert....
Auch wenn mir dieses Brevet unter relativ "schwierigen" Bedingungen eigentlich sehr "leicht" gefallen ist, werde ich damit vermutlich die Brevetsaison für dieses Jahr beenden, nur zwei Wochen bis zum 400er sind mir etwas knapp und auch die 4800 Höhenmeter machen es mir nicht schmackhafter. Ich möchte es etwas langsamer angehen und man muss ja nicht im ersten Jahr als Randonneur gleich alles mitnehmen