Erlebnisbericht 400er Brevet Corsico (Italien)
Ziemlich kurzfristig habe ich mich entschieden einen Vereinskamerad zum BIKE Festival in Riva del Garda am Gardasee zu begleiten da seine Frau leider nicht mitfahren konnte. Abfahrt war am Donnerstag früh, nach schöner ruhiger Fahrt erreichte man am Nachmittag Riva. Am Abend bin ich dann mit dem Rennrad Richtung Venedig aufgebrochen, jedoch aufgrund heftigsten Gegenwind nur 140 km bis Vicenza gefahren und weiter mit dem Zug. Rennrad in der Garage San Marco gegen Gebühr von 10€ abgestellt und ab so halb sieben bis 11 Uhr Venedig zu Fuß erkundet. Kann ich jedem empfehlen so früh die Stadt zu besichtigen, spätestens ab 10 Uhr ist so ziemlich alles voll von Massen an Touristen. 12 Uhr ging es dann mit dem Rennrad retour nach Riva del Garda. Knapp 180 km mit dem Passo Borcola.
Im Hotel dann direkt Belohnungsbier und –süßigkeiten vertilgt und ins Bett.
Samstag dann der eigentliche Höhepunkt – die Teilnahme am 400er Brevet ab Milano-Corsico. Dazu so halb zwölf von Riva entlang des Ostufer des Gardasees bis Peschiera zum Bahnhof geradelt, von dort 1,5 Stunden mit dem Zug nach Milano-Centrale. Knapp 1,5 Stunden durch Milano gerollt, und gut eine Stunde bevor um 19 Uhr der Start des Brevet war dort angekommen. Das Einschreiben (ja, man konnte sich vor Ort gegen 5€ mehr Teilnahmegebühr einschreiben) war im Garten einer größeren Schule.
Auf der Straße davor waren schon viele Teilnehmer mit den herrichten ihrer Gefährte beschäftigt. Meins war ja schon direkt startklar. Den Luciano dann kennen gelernt, der Cheforganisator. Mit Ihm hatte ich bereits via Übersetzungsprogramm regen Kontakt via Mail gehabt. Netter älterer Typ. Zufällig bin ich dann auch an Ernst geraten, welcher aus Süddeutschland kommt aber sein längerer Zeit schon in Mailand wohnt. Mit ihm dann gut unterhalten und auch erklären lassen wie der Start und so abläuft. Dabei erfahren dass die komplette Strecke mit gelben Pfeilen auf dem Boden markiert ist.
Beim Einschreiben hat man übrigens eine Visitenkarte bekommen, auf der der Brevetstandort sowie eine fortlaufende Nummer stand. Am Start dann an 2 Leuten vorbei, die Karte vorgezeigt und die haben dann im Feld der Kartennummer die Startzeit eingetragen. So lief es auch an den 2 Kontrollen ab – ja, 400 km und nur 2 Kontrollen – aber die hatten es in sich, dazu aber später mehr. Ziemlich pünktlich ging es nach einer Ansprache mit Megaphon von Luciano auch los, östlich raus aus dem Großstadtdschungel. Wieder erwartend schnell kam man auf verkehrsarme Straßen und auch für gefühlte 20 km auf einem schönen Radweg entlang eines kleinen Flusses. Immer so mit grober Richtung Süden.
Mittlerweile hat sich eine ca. 40 Fahrer starke erste Gruppe gebildet und mit der fuhr man mit gutem Tempo in die Dunkelheit. Je nachdem welcher Fahrer vorne fuhr wurde das Tempo auch mal schneller und das Grupetto fiel auseinander. Letztlich so nach 70 km war ich nur noch mit 4 weiteren Leuten zusammen, und zwar wohl an der Spitze. Hoffentlich würde sich das Tempo bolzen nicht am Ende rächen, waren ja noch über 300 km zu radeln. Kontrolle 1 war nach 136 km veranschlagt, so 5 km davor war es mit einem Schlag, nach einer rechts Kurve vorbei mit dem Flachland. Es ging 3,1 km hoch mit 5% im Schnitt zur Rocca Grimalda. Mit unserer gut harmonierenden Gruppe war es nun auch vorbei, jeder fuhr sein Tempo, ich im unteren Drehzahlbereich. Man hatte ja 27 Stunden Zeit die 400 km zu bewältigen. Dann kam in Carpeneto direkt auf dem Rathausplatz die erste Kontrollstelle. Der Ernst meinte vorher ja schon dass es dort auch etwas an Verpflegung gibt, aber das war untertrieben. Genau wie ich es mag gab es Kuchen, Kuchen, Kekse, Früchte, Kuchen und diverse Getränke. Da kann sich so manche RTF mal was abschauen.
Meine 3 Mitfahrer die die Steigung vor mir bewältigten waren leider schon wieder weg, so wartete ich auf die nächsten Radler, und stopfte zwischenzeitlich immer mehr Kuchen in mich hinein, waren auch auf wieder 142 km bis zur nächsten Kontrolle zu fahren und es blieb auch bis dahin überwiegend wellig. In den nächsten Minuten kamen immer mehr Radler zur Kontrolle, bis auch irgendwann Ernst kam und sich erkundigte wie es mir erging und ich es bisher fände. Alles paletti war meine Antwort. So bin ich dann auch wieder mit 5 Leuten weiter gefahren, eine schöne längere Abfahrt stand an, aber unten waren meine Mitfahrer nicht mehr hinter mir. So fuhr ich erstmal weiter Richtung Süden, immer mal auf geraden Strecken umschauend wo die denn blieben. Aber es kam keiner. Hatte sicher jemand auf der Abfahrt ein Defekt. Nur einmal überholte mich ein Randonneure, welcher aber mir zu schnell war. Es ging nun immer mehr leicht ansteigend bis auf gut 500 m üNN und es waren auch schon 190 km abgespult als ich zum ersten Mal in weiter Ferne wohl das Mittelmeer sah – in der Dunkelheit jedoch schwer einzuschätzen.
Rasant ging es mit einem kleinen Zwischenanstieg hinunter, vollste Konzentration war erforderlich. Bei km 210 ungefähr war es dann soweit, das Mittelmeer wurde erreicht. Nun ging es über 30 km an der Küste entlang. Mal schön durch kleinere Orte, aber immer mehr zunehmend wurden die Straßen breiter bis hin zu locker so breit wie die Str. d. 17. Juni in Berlin. Auch immer mehr Industriebauten tauchten auf, aus der Ferne kam auch immer mehr der Hafen von Genua näher. Kurz nachdem man das Ortsschild von Genua passierte, schloss auch endlich mal die 4er-Gruppe mit der ich von K1 losfuhr, zu mir auf und ich hing mich an die Radler. Stetig ging es nun wieder ins Landesinnere. Wir hielten plötzlich, ein Mitfahrer hatte eine Wasserquelle entdeckt und wir füllten unsere Wasserflaschen. Ja und dann kam der längste Aufstieg des Brevets. Bis auf 772 m üNN musste man hinauf radeln. Teils noch beleuchtet durch Wohngebiet, nachher durch die Dunkelheit. Selten mal ein Blick aufs Mittelmeer. Und mit Spitzen von bis zu 15%. Und das nach bereits über 250 km. Ach ja, der Berg nennt sich: Passo della Bocchetta.
Es folgten nun gut 20 km Abfahrt bis zur zweiten Kontrolle in Giva in den dortigen Katakomben des Fußballplatzes. Dorthin war es dann doch auf der Abfahrt bis auf einstelligen Temperaturen abgekühlt, so dass ich mir dann doch noch meine Windjacke anzog. Ein Ebenbild zur ersten Kontrolle war die Verpflegung – wieder Kuchen, Kuchen, Kekse, … und wieder nette Italiener die keine andere Sprache sprachen. Zumindest eine jüngere Dame konnte sich gut in Englisch mit mir unterhalten und fragte mich auch aus woher ich in Germania komme und wie ich zu diesem Brevet gekommen wäre? Ein Mitfahrer half mir mit Strom für meinen
Garmin, irgendwie war der Akkupack leer und mit 32% Batterie vom
Garmin noch über 130 km wäre nicht gegangen. Insgesamt gut eine Stunde verweilte ich an der Kontrolle, kurzes Powernap inklusive und immer wieder Kuchen, Kuchen, Kekse, … ;-)
Mittlerweile stand die Sonne auch wieder im Himmel, weiter ging es wie eigentlich komplett in kurz/kurz. Manche Italiener fuhren im Wintermodus, manche hatten zumindest kurze Hosen an. Mein Stromspender war zumindest mit ner dickeren Jacke unterwegs. Alleine ging es weiter durch welliges Terrain, 2 höhere Hügel trennten einen noch vor den letzten 80 flachen km. Ersterer ging flott zu fahren, zweiterer zog einem quasi den Stecker aus den Schuhen, so dass ich mir extra Schub in Form von lecker belgischen Honigwaffeln, Überbleibsel von Lüttich – Bastogne – Lüttich, einwarf.
Voller Konzentration auf die Straße mit den schlechten Asphalt – eigentlich die Veranstaltung mit den schlechtesten Straßen die ich bisher befahren habe – und teilweise im Slalom um die Schlaglöcher und immer wieder umschauend ob von hinten Verkehr kam, ging es mit so 28 – 30 km/h weiter. Der Blick richtete sich immer wieder auf den
Garmin, 340 km, 350 km, 360 km, langsam aber sicher kam man dem Ende entgegen. Zwischenzeitlich kamen 2 von hinten, kurz mit denen gefahren, bis die Frau Probleme hatte und ich alleine Richtung Ziel fuhr. Tja, die letzten 15 km wich dann der Track mit den gelben Pfeilen auf dem Boden ab, bin dann den Pfeilen gefolgt und irgendwann keinen mehr gesehen, wohl einen verpasst. Dann mit
Garmin ins Ziel navigieren lassen, Akku hatte ich ja zum Glück aufladen lassen.
Um 12:15 Uhr war ich dann nach 17:15 Stunden Fahrtzeit brutto – 15:18 Stunden netto –
im Ziel. Luciano feierte mich wie einen Helden! Unfassbar! Dann folgten paar Teller Pasta, 2 Becher Vino Rosso (boah ey haben die reingehauen) und paar Gespräche, unter anderem mit Ernst der paar Minuten hinter mir ins Ziel kam. 14:25 Uhr fuhr mein Zug von Milano-Centrale wieder nach Peschiera zurück, den habe ich gerade ebenso noch erreichen können, hätte ich es nicht geschafft wäre auch egal gewesen,
denn der Zug hatte unterwegs einen Defekt und mit einmal Zugwechsel erreichte ich das Ziel statt 16 Uhr erst um 19 Uhr. Tolle Wurscht. Nix mit Sauna etc. im Hotel was ich sonst so nach 18 Uhr wieder hätte erreichen können. So halt erst im Dunkeln wieder beim Radkollegen und mit Peroni und Süßigkeiten belohnt für diese (Tor)Tour!
Am Montag war dann der letzte Tag in Riva del Garda, den genutzt um auf dem BIKE Festival mein Rad bei Sonax zu säubern und bei CUBE die Schaltung nachjustieren zu lassen, denn die hatte sich bei den unmöglichen Straßenzuständen verstellt. Dann kleine Runde nach Limone und wieder zurück und hoch nach Campi um zumindest die 1000 hm voll zu machen.
Insgesamt so ca. 970 km mit so 9000 hm in den 5 Tagen gefahren.