pjotr
Radprofi, gefangen im Körper einer Hobbylusche
Jetzt doch mal ausführlich. Ich bin kein Jurist, aber mein Verständnis: Wenn ein blaues Schild da ist, ist der Radweg Benutzungspflichtig, allerdings gibt es durchaus Grenzen dieser Pflicht. Die Benutzung des Radwegs muss einigermaßen sicher und zumutbar sein und der Radweg darf nicht zu weit von der Fahrbahn weg sein (ich glaube der Abstand darf nicht größer als 5m sein, anderenfalls gilt der Radweg nicht mehr als zur Straße gehörend).Abwägungsprozess....
Ich denke wenn ein Radweg da ist muss man den nutzen , oder ?
Hinzu kommt, dass Radwege eigentlich nur unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt mit dem blauen Schild ausgewiesen werden dürfen. Diese Anforderungen sind in der Vergangenheit Änderungen unterworfen gewesen. Zudem müssen Radwege bestimmte bauliche/sicherheitstechnische Anforderungen erfüllen. Dazu gibt es sogar eine Verwaltungsvorschrift, in der bestimmte Anforderungen festgelegt sind. So war in einer Version dieser Vorschrift aus Sicherheitsgründen ausdrücklich ein Verbot linksseitiger Radwege enthalten. Ob das allerdings immer noch gilt, entzieht sich meiner Kenntnis. Leider ist das aber auch nur eine Verwaltungsvorschrift und kein Gesetz/keine Verordnung. Anders als Gesetze oder Verordnungen regeln Verwaltungsvorschriften nur das Verhalten von Verwaltungen und haben keine Auswirkungen auf die rechtliche Position des Benutzers und sind auch nicht direkt einklagbar - auch dann nicht, wenn eine Verwaltung gegen die Vorschrift verstößt!
Rechtlich gesehen ist das Thema Benutzungspflicht also eine Büchse der Pandorra. Wer sich damit intensiver befassen will: Bitte schön:
http://bernd.sluka.de/Radfahren/rechtlich.html
Neben der rein rechtlichen Bewertung (bzw. verbunden damit) gibt es natürlich noch eine sachliche: Sehr vieles spricht dafür, dass Radwege eben nicht sicherer sind, als die Benutzung der Straße, sondern unsicher. Hier ist dazu ein ganz interessanter, wenn auch älterer Textauszug.
Aus https://kreisverbaende.adfc-nrw.de/kv-bottrop/radverkehr/radwegbenutzungspflicht/leitfaden-rwbp.htmlInzwischen kann es als erwiesen gelten, dass Radfahrer, die einen Radweg benutzen, einem höherem Risiko ausgesetzt sind, einen Unfall zu erleiden, als solche, die auf der Fahrbahn fahren. Das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg hat auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion (Drucksache des Landtages Baden-Württemberg 14/1818) am 04.10.2007 geantwortet: „Zahlreiche statistische Erhebungen und wissenschaftliche Untersuchungen weisen nach, dass die Unfallzahlen auf innerörtlichen Radwegen mit Radfahrerfurten deutlich höher sind als auf gemeinsam von allen Fahrzeugen genutzten Fahrbahnen. Auf Radwegen, die räumlich von der Fahrbahn getrennt sind, gibt es häufiger Unfälle in Verbindung mit abbiegenden und kreuzenden Fahrzeugen sowie mehr Alleinunfälle und Kollisionen zwischen Fußgängern und Radfahrern. Die Unfallschwere ist dabei nicht geringer als bei Unfällen auf Fahrbahnen. So wurde unter anderem durch die Bundesanstalt für Straßenwesen nachgewiesen, dass die Führung von Radfahrern auf der Fahrbahn vor allem in Knotenpunktbereichen ein höheres Sicherheitsniveau erreicht als die Führung im Seitenraum auf Radwegen. Radfahrer sind dann am sichersten, wenn sie sich im Blickfeld der anderen Fahrzeugführer aufhalten. Bei innerörtlichen Radwegen müssen Radfahrer die komfortable bauliche Trennung vom Kfz-Verkehr auf Streckenabschnitten an Kreuzungen und Einmündungen häufig mit einem deutlich erhöhten Unfallrisiko bezahlen. [...]“
Ich habe mich schon länger nicht mehr intensiv damit befasst, aber beim Surfen findet man immer wieder Hinweise auf neuere Studien, die ähnliche Schlussfolgerungen wie in dem Zitat nahelegen. So gab es zuletzt Berichte über eine Studie aus GB nach der die Unfallhäufigkeit auf Radwegen in den Abschnitten, die parallel zur Fahrbahn liefen, niedriger waren, als auf der Straße, in den Bereichen, in denen die Radwege andere Straßen, Einmündungen etc. kreuzten, aber erheblich höher. Wer sich die Führung vieler Radwege ansieht, wird kaum daran zweifeln, dass das auch für Deutschland zutreffen dürfte. Viele Radwege sind so idiotisch geführt (z.B. hinter parkenden Autos, Hecken, Schaltkästen etc.), dass selbst aufmerksame Autofahrer Radfahrer übersehen müssen. Insbesondere führt das Zusammentreffen von Radwegen (vor allem linkseitigen) mit Kreuzungen, auf denen viel Verkehr herrscht mEn fast zwingend zu einer KFZ-Führer nur schwer aufzulösenden Unübersichtlichkeit.
Zusammenfassend kann man also feststellen, dass die Wege zwar theoretisch durch das blaue Schild Benutzungspflicht sind, faktisch erfüllen sie aber das gerne in der Politik postulierte Ziel, den Radverkehr sicherer machen zu wollen und so zu fördern, hinten und vorne nicht. Vielmehr werden Radfahrer durch die Benutzungspflicht in eine Situation gezwungen, die leicht vermeidbare Risiken für die körperliche Unversehrtheit zur Folge hat. Setzt man sich über die Benutzungspflicht allerdings hinweg, muss man sich darüber im Klaren sein, dass man juristische Risiken eingeht. Und zwar nicht so sehr wegen eines Knöllchens, sondern weil man davon ausgehen muss, dass im Falle eines Unfalles, die gegnerische Partei (bzw. deren Versicherung), selbst wenn sie den Unfall verursacht hat, wahrscheinlich versuchen wird, aus der Missachtung der Benutzungspflicht eine Mitschuld zu konstruieren.
Als Radfahrer ist man also einem üblen Dilemma - weniger vornehm ausgedrückt: "richtig schön am Arsch" - egal wie man sich verhält.
In der Summe kann für mich kein Zweifel daran bestehen, dass Radwege - anders als quer durchs gesamte politische Spektrum immer wieder suggeriert - nicht der Förderung des Radverkehrs dienen, sondern der rechtlichen Diskriminierung von Radfahrern, die durch Radwege zu Verkehrsteilnehmern zweiter Klasse gemacht werden und nach Vorstellungen von Verkehrsplanen offenbar ein Dasein auf schlecht ausgebauten, kaum einsehbaren und unsicheren "Trampelfaden" fristen sollen, die sie sich auch noch mit Fußgängern, Hunden mit Telekopleine etc. pp. teilen sollen - nur damit ein paar unbelehrbare Hohlbirnen der Ideologie von freier Fahrt für freie Bürger frönen können.
Fazit für meine Streckenplanungen: Wenn irgendwie machbar eine Straße ohne Radweg wählen.