Also dann versuche ich mich mal an einer Kurzanalyse, warum ich glaube, dass das klassische HiFi-Hobby und auch ähnliche Interessen bei der "Kids von Heute" nicht mehr so populär sind. Wie oben schon geschrieben wurde kann man das nicht pauschalisieren, es gibt natürlich auch immer Ausnahmen (hier schreibt eine) und es müssen auch nicht alle Faktoren kumulativ auftreten. Einige mögen auch ausschlaggebender als Andere sein, aber das ist denke ich klar.
Zunächst zu den konkret auf HiFi bezogenen möglichen Gründen:
1. Wie Musik konsumiert wird
Musik spielt eine riesige Rolle in meiner Generation. Immer und überall wird Musik gehört, wann sind keine Kopfhörer im Ohr? Das war früher anders. Meine Eltern haben glaube ich auch nie einen Walkman besessen und genutzt. Wenn man beiläufig Musik gehört hat, dann im Radio. Ansonsten hat man sich (so glaube ich) sehr bewusst mit dem Medium auseinandergesetzt. Das ist Heute ein bisschen anders, ich kenne kaum Jemanden, der sich bewusst hinsetzt und mal ein Album hört und dabei nicht am Handy ist oder Sonstiges parallel macht.
2. Welche Musik gehört wird
Ich bin ehrlich: Bei mir kam erst die Begeisterung für die Technik und den Klang, dann für die Musik. Inzwischen hält sich das die Waage. Aber ich höre auch Musik, die von sehr guter Technik profitiert. Hat Jemand mal einen der Chart-Songs auf seiner HiFi-Anlage gehört? Lohnt sich manchmal gar nicht, klingt besser auf den Kopfhörern des Handys, da hört man die bescheidene Qualität nicht so sehr. Ein Deutsch Rap Song von Capital Bra bedarf auch keine besonders tolle Musikanlage, es sei denn es soll natürlich das Brustbein massiert werden. Wenn man darauflegend mal einen Song von Dark Side of the Moon anspielt, wird Musik plötzlich räumlich und greifbar (gute Anlage vorausgesetzt), vorausgesetzt...
3. ... man hört richtig hin und erkennt den Unterschied
Das korreliert mit 1.: Wenn Musik immer und überall konsumiert wird und man sich nicht mehr konzentriert hinsetzt und hinhört, dann kann man eine Stereoanlage in entsprechender Qualität gar nicht wertschätzen. Mir sagte mal Jemand seine Marshall Action II Bluetoothbox hätte 90% der Qualität meiner Anlage zu 10% meines Preises. Dabei ist das Ding nichtmal im eigentlichen Sinne Stereo, es geht also schon mal 50% flöten. Manchmal fällt Leuten bei mir die Kauleiste ausm Kiefer, weil sie zum ersten Mal Musik in einer ganz anderen Dimension hören können. Es gibt selten ein Bewusstsein dafür, was gute Musikwiedergabe eigentlich ausmacht.
4. HiFi als Statussymbol ist out.
Früher war das mehr ein Ding eine Stereoanlage zu besitzen, die auch gut klang und optisch wie haptisch was her machte. Heute interessiert das kaum noch Jemanden. Zumal Wohnraum immer teurer und knapper wird und sich das Sozialleben auch viel Draußen abspielt. Wer hat noch Platz und Geld sich da ne große Anlage ins Zimmer zu stellen? Und vielleicht ist auch wichtiger geworden, was man anzieht und in welche Bars und Restaurants man geht.
Anschließend noch ein paar generelle Phänomene:
1. Influencer
Social Media und die Leute drumherum bestimmen maßgeblich, was eigentlich cool und begehrenswert ist. Und da taucht selten sowas wie HiFi auf. Auch andere ähnlich gelagerte Themen spielen keine Rolle. Gutes Essen, Handwerkskunst in allen Bereichen, Begeisterung für langlebige Qualität etc.
Oft geht es nur darum, welches Auto man fährt, welche Uhr man trägt und in welchem Luxusressort oder -Hotel man Urlaub macht. Und wer die angesagtesten Luxuskleider hat und -sneaker trägt. Es wird einfach auch kaum noch vorgelebt und realistischerweise machen sich die Wenigsten Gedanken darüber, ob das was sie da sehen für sie eigentlich das Richtige und gut ist.
2. Geringe Aufmerksamkeitsspanne
Ich merke das ganz schlimm an mir (und ich finde es schrecklich!): Man hat kaum noch die Aufmerksamkeitsspanne sich mit einem Thema allein und intensiv auseinanderzusetzen. Man tendiert dazu ständig mehrere Dinge gleichzeitig zu machen und nur den Trends zu folgen, welche...
3. ...aus der Schnellebigkeit der Welt resultieren.
Jede Woche gibt es - insbesondere in Social Media - das nächste große "coole" Ding. Man kann weder Begeisterung noch Kompetenz entwickeln, wenn man von Außen regelmäßig mit neuen Einflüssen und Ideen bombardiert wird und sich im Zuge dessen nicht so wirklich auf eine Sache alleine konzentrieren kann.
Wie gesagt, das nur zu meinen Thesen. Ohne Anspruch auf Gültigkeit oder Vollständigkeit. Und natürlich gibt es auch Gegenbewegungen und Trends, die genau das thematisieren. Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass es an Naivität grenzen würde zu glauben, dass diese Gegenbewegungen viel mehr wären als ein Tropfen auf den heißen Stein. Schaue ich in mein Umfeld von größtenteils angehenden Akademikern, so sehe ich von dieser Gegenbewegung insgesamt recht wenig. Interessanterweise sind einige meiner Musik- und HiFi begeistertsten Freunde eben keine (angehenden) Akademiker.
Nun, so viel zu meinen Beobachtungen, Diskussion frei!