Ernst Fischer
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Nove Colli, ein tolles Erlebnis
Wir alle kennen den Engadin-Skimarathon für die Langläufer, doch wer kennt den Nove Colli für die Radfahrer? Ich spreche vom Nove Colli (Neun Hügel), einem Mythos der Radsportbewegung; eine Langstreckenveranstaltung, die seit Jahren für Tausende von italienischen und europäischen Radlern ein fixer Termin geworden ist. Mit diesem Bericht möchte ich versuchen, den einen oder anderen Leser für eine Teilnahme im kommenden Jahr zu motivieren.
Alljährlich führt unser Radsport-Team "Chez Theo" aus Frauenfeld in der Schweiz in der Auffahrtwoche ein Trainingslager in der Emillia-Romagna durch. Da dieses Jahr das Austragungsdatum des Nove Colli genau in die Woche unseres Italien-Aufenthaltes fiel, war es nicht verwunderlich, dass wir uns entschlossen bei der 36. Austragung an den Start zu gehen. Da die meisten Teilnehmer noch nicht viele Kilometer in den Beinen hatten, auch ich hatte erst ca. 2000 km trainiert, entschlossen wir uns für die kleine Schlaufe, wäre die Grosse mit 210 km und 3300 Höhenmeter doch etwas zuviel gewesen.
Gleich nach unserer Ankunft in Cesenatio am Samstag-Nachmittag bezogen wir unsere Startnummern im Sekretariat des Organisators. Nachdem im Vorjahr den Teilnehmern ein Nove Colli-Trikots abgegeben wurde, erhielten die diesjährigen Teilnehmer die passende Hose dazu, welche im Startgeld von 35 Euro enthalten war. Da von der letztjährigen Veranstaltung noch Trikots vorhanden waren, konnten diese für 15 Euro gekauft werden. Diese Gelegenheit liess ich mir nicht entgegen um ein komplettes Nove Colli-Set zu haben.
Am Abend fand auf der Piazza ein Markt statt. Aber nicht einer der üblichen italienischen Märkte, sondern ein ganz spezieller Markt der die Herzen aller Radsportler höher schlagen liess. Hier wurden die neusten Rahmen-Modelle, Komponenten etc. vorgestellt und von den Socken über die Sporternährung hin bis zum Trikots konnte einfach alles erstanden werden. Jedenfalls herrschte ein grosser Andrang, den das Interesse war sehr gross.
Am Sonntag war um 5 Uhr Tagwache. Anschliessend stärkten wir uns beim Frühstück u.a. auch mit Früchten und Müesli, so dass wir nach 6 Uhr von unserem Hotel an den Start in Cesenatico fuhren. Es war keine Eile geboten, da wir als Erstteilnehmer im zweiten Amateurfeld eingeteilt waren. Um 06.30 Uhr erfolgte der Start, doch bis auch wir über die Startlinie rollten, verging einige Zeit. Da in der Startnummer ein Chip eingebaut war, wurde die effektive Startzeit erst jetzt genommen.
Durch die Poebene führte uns die Strecke nach Cesena. Unter dem Beifall der Zuschauer wurde auf der abgesperrten Strasse gegen 40 km/h gefahren, was jedoch im grossen "Haufen" nicht besonders schwerfiel oder anstrengend war.
Nach rund 25 km nahten die ersten Hügel. Bei Forlimpopoli erfolgte der erste kurze Anstieg nach Bertinoro, welcher noch locker genommen werden konnte. Wie beim Engadiner erfolgte in der steilen Steigung im Dorf ein Stau und man musste zu Fuss einige Meter gehen. Der Lindwurm der rund 10'000 Teilnehmer schob sich durch Bertinoro und dann die Steigung mit 15% nach Polenta, auch hier mussten einige Schritte zu Fuss zurückgelegt werden, hoch. Oben angekommen boten sich tolle Aussichten über die romagnolischen Hügel im Morgendunst und es zeichnete sich ab, dass der Tag sonnig und trocken bleiben würde.
Nun folgte die erste Abfahrt. Bei Gefälle bis zu 20% war Vorsicht geboten, denn es waren nicht alles geübte Abfahrer unterwegs. Unten angekommen folgte nun ein längeres flaches Stück. Diese Anfahrt zum zweiten Colle nach Pieve di Rivoschio war im Vorjahr fast vollständig neu geteert worden, offenbar extra für diesen Rad-Marathon.
Vor Beginn der zweiten Steigung befand sich die erste Verpflegungsstation, welche von vielen Teilnehmern benützt wurde. In der Steigung prangten Schilder mit dem Hinweis 15% am Strasserand, was hier sicher nicht übertrieben war! In der Mitte der Steigung passierte man eine Stelle, welche mit Drähten bestückt war und wo mittels dem Chip die Passage registriert wurde. Auch der zweite Colle besteht eigentlich aus zweien, erst ging es 2-3 Kilometer einige Kehren hoch, anschliessend zwei Kilometer auf einem Bergrücken, der tolle Blicke auf den Apennin bot, und zu guter Letzt schraubt man sich nochmals über weitere Kehren hinauf zum Ende des Anstiegs. Auch dort standen wieder viele Zuschauer, wie an jedem Colli.
Nun folgte die zweite, recht tückische Abfahrt in Richtung San Romano, wo sich nach 65 km die zweite Verpflegungsstation befand. Diesmal hielt unser Team an und verpflegte sich mit Aprikosen-Törtchen, Bananen, Muesli-Riegeln und Getränken. Hier beginnt auch die Steigung zum Ciola. Der Anstieg ist nicht ganz sanft, aber die Steigung gleichmässig, und wenn man den richtigen Rhythmus findet, muss man nicht übermässig leiden, sofern man auch genügend trainiert hat.
Nach der Abfahrt erfolgte in Mercato Saraceno bereits die Steigung zum vierten und letzten Colle: der Barbotto mit bis zu 18% Steigung und knapp 380 Höhenmeter. Die Steigung von 18% beim letzten Kilometer zwang viele Fahrer zum Absteigen. Auch ich musste einige Meter zu Fuss gehen und konnte mich so wieder für die letzen Meter "erholen". Schon von weitem hörte man einen "Animateur", der die Teilnehmer vor der Berghöhe mittels einem Lautsprecher nochmals anspornte.
Nach einigen "russischen Hügeln" erreichten wir Sogliano, die Heimat des berühmten Grubenkäse, und nun folgte die Abfahrt in Richtung Savignano. Dazwischen hatte es noch eine weitere Verpflegungsstation, welche wir natürlich nicht auslassen konnten und uns nochmals mit Tranksame eindeckten.
Nachdem bereits einige Teilnehmer in der Abfahrt versuchten die verlorenen Minuten aufzuholen, erfolgt nun auf der Ebene und den letzten 15 km ein richtiges Velorennen. Einige liessen den Turbo zünden, so dass sich der Tacho bei 35-40 km/h einpendelte. Wir überholten Fahrer, wurden aber auch von Schnelleren überholt, denn jeder wollte zuerst am Ziel in Cesenatico eintreffen.
Nach rund 136 km, 1350 Höhenmeter und einer Fahrzeit von 6:23 war das Ziel erreicht und geschlossen überfuhr unser Team die Ziellinie. Bestimmt hätte der eine oder andere von uns eine schnellere Zeit erreichen können. Doch wir sind als Team gestartet, haben die Strecke gemeinsam abgefahren und auf den Colli immer auf den letzten Fahrer gewartet. Nach der Zielpassage wurde jedem Teilnehmer die Medaille ausgehändigt und es herrschte ein unglaublicher Trubel. Unser Team liess die anschliessend stattfindende "Pasta-Party" ausfallen, zu welcher jeder Teilnehmer eingeladen war.
Anschliessend fuhr ich in Begleitung meiner Teamkollegen locker und zufrieden die rund 5 km zum Hotel zurück und unter der wohltuenden Dusche liess ich den ganzen Tag nochmals Revue passieren.
Hier noch einige Bemerkungen zur Organisation. Auf der ganzen Strecke waren 8 Ambulanzen postiert und auch mehrere Sanitäter auf Motorrädern unterwegs. Zudem gab es noch 5 feste Standorte für erste Hilfe. Die Strecke war sehr gut durch Polizisten und Streckenposten gesichert, ganz besonders in den Dörfern. Leider kamen uns auf den letzten Kilometern an einigen Orten einzelne Fahrzeuge entgegen, wurden jedoch vom nächsten Streckenposten sofort wegweisen. Die Verpflegung an den einzelnen Stationen war vielfälltig und ausreichend. Auch waren mehrere Reparatur-Stationen eingerichtet, an welchen ein allfälliger Defekt behoben werden konnte.
Zu erwähnen wäre noch, dass die Veranstaltung durch die regionale Fernsehstation der Emillia-Romagna, etwa zu Vergleichen mit den regionalen Fernsehanstalten in Deutschland, die Fahrt der besten Fahrer direkt übertrug.
Alles in allem war der Nove Colli eine perfekte Veranstaltung mit Herz, wie sie nur die Italiener organisieren können und den man einfach einmal gefahren sein muss.
Zum Schluss noch das Motto, welches ich ausgezeichnet finde, unter welchem der diesjährige Event durchgeführt wurde:
Allem Kampfgeist zum Trotz soll diese Veranstaltung kein Wettrennen sein, sondern ein Radlertreffen, deren Herz dem Sport und der bezaubernden romagnolischen Hügelandschaft gehört.
Ernst Fischer
Wir alle kennen den Engadin-Skimarathon für die Langläufer, doch wer kennt den Nove Colli für die Radfahrer? Ich spreche vom Nove Colli (Neun Hügel), einem Mythos der Radsportbewegung; eine Langstreckenveranstaltung, die seit Jahren für Tausende von italienischen und europäischen Radlern ein fixer Termin geworden ist. Mit diesem Bericht möchte ich versuchen, den einen oder anderen Leser für eine Teilnahme im kommenden Jahr zu motivieren.
Alljährlich führt unser Radsport-Team "Chez Theo" aus Frauenfeld in der Schweiz in der Auffahrtwoche ein Trainingslager in der Emillia-Romagna durch. Da dieses Jahr das Austragungsdatum des Nove Colli genau in die Woche unseres Italien-Aufenthaltes fiel, war es nicht verwunderlich, dass wir uns entschlossen bei der 36. Austragung an den Start zu gehen. Da die meisten Teilnehmer noch nicht viele Kilometer in den Beinen hatten, auch ich hatte erst ca. 2000 km trainiert, entschlossen wir uns für die kleine Schlaufe, wäre die Grosse mit 210 km und 3300 Höhenmeter doch etwas zuviel gewesen.
Gleich nach unserer Ankunft in Cesenatio am Samstag-Nachmittag bezogen wir unsere Startnummern im Sekretariat des Organisators. Nachdem im Vorjahr den Teilnehmern ein Nove Colli-Trikots abgegeben wurde, erhielten die diesjährigen Teilnehmer die passende Hose dazu, welche im Startgeld von 35 Euro enthalten war. Da von der letztjährigen Veranstaltung noch Trikots vorhanden waren, konnten diese für 15 Euro gekauft werden. Diese Gelegenheit liess ich mir nicht entgegen um ein komplettes Nove Colli-Set zu haben.
Am Abend fand auf der Piazza ein Markt statt. Aber nicht einer der üblichen italienischen Märkte, sondern ein ganz spezieller Markt der die Herzen aller Radsportler höher schlagen liess. Hier wurden die neusten Rahmen-Modelle, Komponenten etc. vorgestellt und von den Socken über die Sporternährung hin bis zum Trikots konnte einfach alles erstanden werden. Jedenfalls herrschte ein grosser Andrang, den das Interesse war sehr gross.
Am Sonntag war um 5 Uhr Tagwache. Anschliessend stärkten wir uns beim Frühstück u.a. auch mit Früchten und Müesli, so dass wir nach 6 Uhr von unserem Hotel an den Start in Cesenatico fuhren. Es war keine Eile geboten, da wir als Erstteilnehmer im zweiten Amateurfeld eingeteilt waren. Um 06.30 Uhr erfolgte der Start, doch bis auch wir über die Startlinie rollten, verging einige Zeit. Da in der Startnummer ein Chip eingebaut war, wurde die effektive Startzeit erst jetzt genommen.
Durch die Poebene führte uns die Strecke nach Cesena. Unter dem Beifall der Zuschauer wurde auf der abgesperrten Strasse gegen 40 km/h gefahren, was jedoch im grossen "Haufen" nicht besonders schwerfiel oder anstrengend war.
Nach rund 25 km nahten die ersten Hügel. Bei Forlimpopoli erfolgte der erste kurze Anstieg nach Bertinoro, welcher noch locker genommen werden konnte. Wie beim Engadiner erfolgte in der steilen Steigung im Dorf ein Stau und man musste zu Fuss einige Meter gehen. Der Lindwurm der rund 10'000 Teilnehmer schob sich durch Bertinoro und dann die Steigung mit 15% nach Polenta, auch hier mussten einige Schritte zu Fuss zurückgelegt werden, hoch. Oben angekommen boten sich tolle Aussichten über die romagnolischen Hügel im Morgendunst und es zeichnete sich ab, dass der Tag sonnig und trocken bleiben würde.
Nun folgte die erste Abfahrt. Bei Gefälle bis zu 20% war Vorsicht geboten, denn es waren nicht alles geübte Abfahrer unterwegs. Unten angekommen folgte nun ein längeres flaches Stück. Diese Anfahrt zum zweiten Colle nach Pieve di Rivoschio war im Vorjahr fast vollständig neu geteert worden, offenbar extra für diesen Rad-Marathon.
Vor Beginn der zweiten Steigung befand sich die erste Verpflegungsstation, welche von vielen Teilnehmern benützt wurde. In der Steigung prangten Schilder mit dem Hinweis 15% am Strasserand, was hier sicher nicht übertrieben war! In der Mitte der Steigung passierte man eine Stelle, welche mit Drähten bestückt war und wo mittels dem Chip die Passage registriert wurde. Auch der zweite Colle besteht eigentlich aus zweien, erst ging es 2-3 Kilometer einige Kehren hoch, anschliessend zwei Kilometer auf einem Bergrücken, der tolle Blicke auf den Apennin bot, und zu guter Letzt schraubt man sich nochmals über weitere Kehren hinauf zum Ende des Anstiegs. Auch dort standen wieder viele Zuschauer, wie an jedem Colli.
Nun folgte die zweite, recht tückische Abfahrt in Richtung San Romano, wo sich nach 65 km die zweite Verpflegungsstation befand. Diesmal hielt unser Team an und verpflegte sich mit Aprikosen-Törtchen, Bananen, Muesli-Riegeln und Getränken. Hier beginnt auch die Steigung zum Ciola. Der Anstieg ist nicht ganz sanft, aber die Steigung gleichmässig, und wenn man den richtigen Rhythmus findet, muss man nicht übermässig leiden, sofern man auch genügend trainiert hat.
Nach der Abfahrt erfolgte in Mercato Saraceno bereits die Steigung zum vierten und letzten Colle: der Barbotto mit bis zu 18% Steigung und knapp 380 Höhenmeter. Die Steigung von 18% beim letzten Kilometer zwang viele Fahrer zum Absteigen. Auch ich musste einige Meter zu Fuss gehen und konnte mich so wieder für die letzen Meter "erholen". Schon von weitem hörte man einen "Animateur", der die Teilnehmer vor der Berghöhe mittels einem Lautsprecher nochmals anspornte.
Nach einigen "russischen Hügeln" erreichten wir Sogliano, die Heimat des berühmten Grubenkäse, und nun folgte die Abfahrt in Richtung Savignano. Dazwischen hatte es noch eine weitere Verpflegungsstation, welche wir natürlich nicht auslassen konnten und uns nochmals mit Tranksame eindeckten.
Nachdem bereits einige Teilnehmer in der Abfahrt versuchten die verlorenen Minuten aufzuholen, erfolgt nun auf der Ebene und den letzten 15 km ein richtiges Velorennen. Einige liessen den Turbo zünden, so dass sich der Tacho bei 35-40 km/h einpendelte. Wir überholten Fahrer, wurden aber auch von Schnelleren überholt, denn jeder wollte zuerst am Ziel in Cesenatico eintreffen.
Nach rund 136 km, 1350 Höhenmeter und einer Fahrzeit von 6:23 war das Ziel erreicht und geschlossen überfuhr unser Team die Ziellinie. Bestimmt hätte der eine oder andere von uns eine schnellere Zeit erreichen können. Doch wir sind als Team gestartet, haben die Strecke gemeinsam abgefahren und auf den Colli immer auf den letzten Fahrer gewartet. Nach der Zielpassage wurde jedem Teilnehmer die Medaille ausgehändigt und es herrschte ein unglaublicher Trubel. Unser Team liess die anschliessend stattfindende "Pasta-Party" ausfallen, zu welcher jeder Teilnehmer eingeladen war.
Anschliessend fuhr ich in Begleitung meiner Teamkollegen locker und zufrieden die rund 5 km zum Hotel zurück und unter der wohltuenden Dusche liess ich den ganzen Tag nochmals Revue passieren.
Hier noch einige Bemerkungen zur Organisation. Auf der ganzen Strecke waren 8 Ambulanzen postiert und auch mehrere Sanitäter auf Motorrädern unterwegs. Zudem gab es noch 5 feste Standorte für erste Hilfe. Die Strecke war sehr gut durch Polizisten und Streckenposten gesichert, ganz besonders in den Dörfern. Leider kamen uns auf den letzten Kilometern an einigen Orten einzelne Fahrzeuge entgegen, wurden jedoch vom nächsten Streckenposten sofort wegweisen. Die Verpflegung an den einzelnen Stationen war vielfälltig und ausreichend. Auch waren mehrere Reparatur-Stationen eingerichtet, an welchen ein allfälliger Defekt behoben werden konnte.
Zu erwähnen wäre noch, dass die Veranstaltung durch die regionale Fernsehstation der Emillia-Romagna, etwa zu Vergleichen mit den regionalen Fernsehanstalten in Deutschland, die Fahrt der besten Fahrer direkt übertrug.
Alles in allem war der Nove Colli eine perfekte Veranstaltung mit Herz, wie sie nur die Italiener organisieren können und den man einfach einmal gefahren sein muss.
Zum Schluss noch das Motto, welches ich ausgezeichnet finde, unter welchem der diesjährige Event durchgeführt wurde:
Allem Kampfgeist zum Trotz soll diese Veranstaltung kein Wettrennen sein, sondern ein Radlertreffen, deren Herz dem Sport und der bezaubernden romagnolischen Hügelandschaft gehört.
Ernst Fischer