Es war einmal ein kleiner und schmächtiger Junge, der Anfang der 1980er Jahre im zarten Alter von 4 Jahren das Radfahren erlernte. Damals noch ganz klassisch mit den wackeligen, weißbefelgten Stützrädern, die sich so gerne in Kurvenfahrten verbogen und verdrehten, dass ich mich so gar nicht auf dessen Stützwirkung verlassen mochte. Mein Vater war daher eigentlich immer mit einem passenden Ringschlüssel dabei und durfte mehrfach am Tag die Stützräder wieder richten. Mein erstes Fahrrad habe ich noch detailgenau in Erinnerung.
Es war rot.
Im Ernst. Ich weiß eigentlich nur noch, dass es so ein typisches Kinderrad der Endsiebziger Jahre war, mit Vorderradbremse und Rücktritt. Den Überlieferungen nach, muss es das alte Rad meiner älteren Schwester gewesen sein.
Meine Eltern haben und hatten gar kein Fahrrad, so dass ich mit tollen Touren im Kindesalter leider gar nicht aufwarten kann. Aber das hole ich gerade mit meiner Tochter ausgiebig nach. Es blieb das Cruisen und die Wettfahrten mit den den anderen Kindern in der Strasse. Ich weiß noch, dass meine Eltern sehr viel wert auf die Verkehrssicherheit unserer Räder gelegt haben. Schutzbleche, Licht und Katzenaugen (so hießen bei uns früher die Reflektoren) waren Pflicht. Ich muss so ca. 6 oder 7 Jahre alt gewesen sein, da stand beim Sperrmüll ein stabiles rotes Rad, bis auf eine Vorderradbremse vollkommen ohne Sicherheitsfeatures. Da gerade der BMX-Boom hier im vollen Gange war, meine Eltern aber einem Kauf nie zugestimmt hätten ("So einen amerikanischen Mist kaufen wir nicht. Damit darfst Du hier gar nicht fahren"), zog ich dieses Teil zwischen den alten Matratzen hervor und schlich damit nach Hause. Mein erstes Pseudo BMX Rad war da und ich stolz wie Oskar. Nach einigen Diskussionen mit den Vorgesetzten durfte ich das Rad ausschließlich auf unbefestigten Feldwegen fahren. Bis dahin musste ich schieben. Die Verkehrssicherheit geht halt vor und mein alter Herr faselte immer irgendwas von Haftung, was ich damals nicht verstand. Wir bauten uns also Sprunghügel sowie diverse Parcours und ich malträtierte das Gerät bis hin zu Rahmen- und Schienbeinbruch.
im Alter von 8 oder 9 Jahren bekam ich dann mein erstes goldfarbenes Tourenrad. Marke Diskus mit 3 Gang Torpedoschaltung und StVO Vollausstattung. Mir gefiel es und ich unternahm die ersten längeren Touren ins Schwimmbad (ca. 7 km einfach). Das war für mich damals schon fast eine Weltreise. An das Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit kann ich mich aber heute noch erinnern, wenn wir mit noch nassen Sachen, total K.O. vom Schwimmbad nach Hause geradelt sind, wir uns unsterblich fühlten und der Sommer niemals enden sollte. Dieses Rad habe ich gehegt und gepflegt. Wenn es dreckig war, gab es keine Dusche mit dem Gartenschlauch, sondern es wurde ordentlich per Hand mit Schwamm und Tuch gereinigt und am Schluss noch poliert und gefettet. Mein Vater zeigte mir dann auch, wie man die
Bremsen einstellt und
Schläuche flickt und hier lernte ich zudem, dass man seine Sachen zu pflegen und wertzuschätzen hatte. Die Kumpels hatten alle inzwischen Sporträder oder die ersten MTBs. Das machte mich neidisch, aber ich musste damit klar kommen, da meine Eltern mir nichts Neues kaufen wollten (obwohl genug Geld da war). Vielleicht war das auch eine Art der Persönlichkeitsformung und Teil der Erziehung, ich muss da mal nachhaken.
Als ich dann ins Konfirmandenalter kam, gab es nur die alles entscheidende Frage:
Was fürn Mofa kaufst du dir von der Kohle?
Gar keins. Ich kauf mir ein neues Rad. Damit bin ich doch genauso schnell wie die ollen Mofas.
Damit wurde ich zum uncoolsten Jungen bei uns in der Strasse. Da ich auf dem Land aufgewachsen bin, gab es nur einen Fahrradladen in der Umgebung. Ich besorgte mir alle Kataloge des Händlers (Schauff, Kettler und Hercules), um dann nach gefühlten 3 Monaten Modell- und Preisvergleichen endlich eine Entscheidung zu treffen. Ich weiß noch genau, dass mir die Auswahl zwischen einer 21 Gang
Shimano 400 CX und 700 CX am schwersten gefallen ist, da das einen Preisunterschied von 180 DM ausmachte. Aus heutiger Sicht kann man darüber nur schmunzeln. Es wurde die 700 CX und das Rad ein Schauff Trekkingrad, schwarz-silber gesprenkelt, mit Oversize Rohren und.... mit StVO Vollaustattung. Total uncool, aber irgendwie hatte es mir das Teil es angetan. Rückschauend betrachtet und mit dem heutigen Wissen, was es eigentlich damals noch sonst so auf dem Markt gab, wäre meine Entscheidung sicher anders ausgefallen. Das Rad kam dann in RH 61, da der Verkäufer meine, ich würde ja noch wachsen. Nööö, er wuchs nicht mehr und fuhr dann viele Jahre glücklich und zufrieden mit einem viel zu großen Schauff durch die Gegend. Das war der Beginn meiner Leidenschaft fürs Radfahren.
ENDE
Ich würde mich gerne um das Buch bewerben.
PS: Danke für das Türchen. In alten Erinnerungen zu kramen, bringt oft Vergessenes zum Vorschein.