Nochmal zu den Juristen im Justizdienst. Richter sind unabhängig. Böse Zungen erläutern das so, dass Richter von sich aus wissen, was der Dienstherr erwartet und sie deshalb - anders als ordinäre Beamte - nicht ausdrücklich zu einem bestimmten Verhalten angewiesen werden müssen. Aber, Polemik beiseite, bleiben wir bei den Fakten.
In den heutigen, letzten NS-Verfahren wird den Angeklagten vorgeworfen, sie hätten sich aktiv der auch nur indirekten oder passiven Förderung von Mordtaten entziehen müssen. Im Klartext, ein damals 19-jähriger Wehrpflichtiger wird heute wegen Beihilfe zum Mord belangt, wenn er das Pech hatte, Dienst in einer Einheit leisten zu müssen, die Morde begangen hat, und er den Dienst nicht verweigert hat, obwohl das ziemlich zweifelsfrei seine eigene Exekutierung zur Folge gehabt hätte. Persönliche Schuld oder eigene Mitwirkung an irgendeiner Greueltat ist nicht erforderlich, selbst wer im Lazarett lag, hat dadurch an der "Aufrechterhaltung des Systems" mitgewirkt und das wird ihm heute als vorsätzliche Beihilfe zum Mord vorgeworfen.
Bei ihresgleichen war die Justiz dagegen erheblich nachsichtiger. Richter am Volksgerichtshof wurden nicht einfach so dorthin abgeordnet. Dort sind nur ausgewählte, regimetreue Karrieristen eingesetzt worden, die meisten haben sich nachweislích aktiv darum beworben. Dass der Volksgerichtshof ein Instrument des blanken Terrors war, dessen Tätigkeit mit Rechtsprechung nichts zu tun hatte, war auch zu jedem Zeitpunkt unzweifelhaft. Trotzdem hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass kein Angehöriger des Volksgerichtshofs wegen Rechtsbeugung belangt werden durfte, wenn er entweder im Rahmen der damals geltenden Gesetze oder ohne Unrechtsbewusstsein gehandelt hat. Die zweite Variante muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Selbst Urteile von Richtern am Volksgerichtshof, die nicht einmal durch die damals geltenden Gesetze gedeckt waren, durften Konsequenzen für den Richter haben, weil er sich darauf berufen konnte, kein Unrechtsbewusstsein gehabt zu haben, denn die Staatsführung habe eben solche Terrorurteile von ihm erwartet. Folgerichtig ist auch kein einziger Angehöriger des Volksgerichtshofes von der deutschen Nachkriegsjustiz bestraft worden (die wenigen Verfahren, die es überhaupt gab, fanden vor den Alliierten statt). Stattdessen konnten viele dieser "furchtbaren Juristen" (zit. Rolf Hochhut) sogar in der Nachkriegsjustiz Karriere machen. Auch dazu noch eine polemische Anmerkung, der "gute" Richter kann eben jedem Herrn dienen, denn er ist nur dem Recht verpflichtet und das ist biegsam.