Ja na gut, immerhin hatte das Ganze ja den Hintergrund, mal eine kurze Nacht durchzuradeln – das war Premiere. Die Apidura-Aktion fand ich wegen der Tendenz zu öffentlichen Verkehrsmitteln ungünstig, und so würde meine bescheidene Tour ein richtig mieses Distanz-zu-Luftlinie-Verhältnis aufweisen: Ich begebe mich auf eine Umlaufbahn um Dortmund herum durch die vier äußersten Punkte des Stadtgebiets.
Die Route beinhaltete ein paar Strecken, die auf Komoot etwas rustikal aussahen. Da die Distanz überschaubar war, bin ich also gleich mit dem Reiserad und auf 50er Marathon Mondial gefahren. Mir war allerdings vorher nicht klar, wie richtig diese Wahl war: Was ich mir als lustiges Schotterabenteuer vorstellte, war so vor Ort dann doch, nunja, robuster…
Los geht's jedenfalls um 19.30 Uhr von Dortmund-Mitte aus nach Westen, und erstmal bis zu einem Waldstück zwischen Holte und Bochum-Gerthe: Der westlichste Punkt der Stadt, hier sagen sich Fuchs und Hase nachher gute Nacht. Weiter gegen den Uhrzeigersinn erstmal nach Südosten, ein Stück über den Rheinischen Esel und dann aufwärts. Hier will ich den höchsten Punkt auf dem Stadtgebiet besuchen, was zum ersten Abstecher in "MTB-Territory" führt. Der Gipfel des Klusenberg mit seinen 254 Meterchen liegt sowas von mitten im Wald. Dort "erlebe" ich auch den Sonnenuntergang: Vor lauter Bäumen sehe ich nix.
An der Hohensyburg ist dagegen zu Fuße des bronzenen Kaiser Wilhelm richtig was los: Es hatten doch einige die Idee, dort den Tag zu verabschieden. In Corona-kompatiblen Grüppchen stehen die Leute am Aussichtspunkt. Im letzten Licht der bürgerlichen Dämmerung geht es dann die Serpentinen runter zur Ruhr (standen da immer schon die 30-Schilder?!), wo nach kurzer Fahrt der südlichste Punkt erreicht ist.
Jetzt nach Nordosten durchs einsame Schwerte, noch flott durch Holzwickede und um den Flughafen rum und schon stehe ich leicht fröstelnd auf freiem Feld am östlichsten Punkt Dortmunds. Fotos machen, Klamotten nachlegen. Nach Wochen mal sternenklar, Jupiter ist gerade aufgegangen.
Auf dem Weg nach Nordwesten komme ich noch durch Derne, den niedrigsten Punkt des Stadtgebiets habe ich aber nicht genau lokalisiert. Die Gneisenautrasse erfreut mit Froschkonzert und Käuzchenrufen – ich bleibe ein paar Minuten auf einer Bank sitzen und lausche. Ein Frosch hüpft mir kurz darauf noch fast vors Rad.
Mir gehen langsam die Getränke aus, aber ich weiß, dass ein Stückchen hinterm nördlichsten Punkt – seeeeeehr ländlich, hier fahren sonst wohl nur Traktoren – eine 24-Stunden-Tanke am Track liegt. Vermutlich gegen 2.30 Uhr rolle ich nach diesem Tankstop durch das verlassene Mengede und knabbere eine Käsebrot, als mir der im anderen Post schon erwähnte Radfahrer entgegenkommt. Finde das so witzig, irgendwie so unwirklich, dass ich mich fast am Käsebrot verschlucke.
Kurz bevor ich meine Runde um Dortmund am westlichsten Punkt "zubinde", schlägt dann wieder meine leichtsinnige Streckenplanung zu. Das kann man nicht fahren, das kann man eigentlich nicht mal schieben… also mit dem MTB bei Tageslicht vielleicht. Ich entschuldige mich gedanklich bei den Waldviechern, dass ich hier mitten in der Nacht so einen Krawall veranstalte und hätte es Papa Wildschwein gar nicht mal verdenken können, wenn er rabiat für Ruhe gesorgt hätte. Aber wie das oft so ist, erst sieht der Weg noch ganz ok aus, und wenn er sich endgültig als fast zugewachsener Trail erweist, wäre wenden auch schon ein kleines Kunststück.
Rollen, schieben, über Brennnesseln fluchen, Dornen aus dem Weg drücken, an Ästen hängenbleiben… es sind wahrscheinlich nur ein paar Hundert Meter, aber es dauert ewig. Als es wieder fahrbar wird und ich bald darauf eine Straße erreiche, ist schon die Dämmerung angebrochen.
Die ersten Hundebesitzer sind unterwegs, an der Emscher feiert eine kleine Gruppe Jugendlicher, dass sie die Nacht durchgemacht haben. Lila Wolken.
Bei Sonnenaufgang bin ich zuhause. 125 km, knapp 1000 Höhenmeter, Schnitt von 17,5 km/h
Ok, das ist inklusive der Waldabenteuer. Trotzdem, ich habe gelernt: Müdigkeit war kein Problem. Aber ich tendiere nachts zum Bummeln, auch auf der Straße. Gut, ich hatte ja auch keine Eile… Nächstes Mal gibt's eine Überlandstrecke ohne "Unterholz".
Apidura-Challenge? Nun, die größte Entfernung zwischen zwei Punkten Luftlinie war warscheinlich so 40 Kilometer. Ob ich das mal hochlade für die Schneckentrophäe?