Was einen antreibt
Diese Frage stellt man sich womöglich nicht nur einmal im Leben, manche eher selten, andere vermutlich desöfteren. Gestern stellte ich sie mir in regelmäßigen Abständen, auch meine Compagnons konnten sich ihr nicht verwehren. Doch alles der Reihe nach...
Als mal wieder um 5 Uhr morgens der Wecker die Bestimmung übernahm, nach gerade mal 3 Stunden wohlverdientem Schlaf, kam mir besagte Frage nach Antrieb das erste Mal in den Sinn.. Sinn oder Unsinn? Aufstehen oder Liegenbleiben? Doch, was, wenn man wirklich liegenbliebe? Was würde ich verpassen? Atemberaubende Panoramen, neue Eindrücke, neue Leistungen? Oder vielleicht Enttäuschungen, Verletzungen oder gar einen Unfall, ähnlich dem Beinahesturz im letzten Brevet?
Egal, wenn man es nicht angeht, kann man es nicht herausfinden. Also los.
Das OCLV, frisch gewaschen, geschmiert und bepackt ins Auto geworfen und nach München gedüst. Die Sonne schiebt sich gerade über den Horizont, es verspricht ein heißer Tag zu werden. Diesmal hab ich die Sonnencreme, welche so herrlich nach Urlaub, Strand und Meer duftet, eingepackt, jetzt muss ich sie nur noch benutzen
Im Park&Ride angekommen werde ich von ein paar Leuten etwas schräg beäugt, vielleicht haben sie noch nie einen Radler gesehen? Städter halt
Diese Stimmung, frühmorgens durch das aufwachende München zu fahren ist schon auch ein Erlebnis der besonders schönen Art. Nur wenige Leute sind unterwegs, alles ist noch friedlich, man kommt gut voran. Auf der Theresienwiese werden heute mal zur Abwechslung Autos an den Mann gebracht, während im Hintergrund das Frühlingsfest aufgebaut wird..
Mittlerweile beim gut bekannten Treffpunkt am Röcklplatz angekommen sehe ich auch schon Sebastian, mit dem ich mein erstes 200er Brevet vergangenes Jahr gefahren bin und mit dem ich heute den ganzen Tag begleiten werde. Mit dabei war sein Arbeitswegkollege Benjamin, mit 21 Jahren noch jung und nachdem er letztes Jahr aus dem Stand heraus einen 600er mit- und zu Ende gefahren hatte, war er ziemlich angefixt vom Langstreckenfahren.
Die Sonne lacht schon warm auf uns herunter, dennoch lasse ich die Armlinge noch an, wir haben jedoch schon ca. 15° C.
Eine weise Entscheidung, denn als wir losfahren, diesmal nicht an der Isar entlang, sondern die Thalkirchener Straße Richtung Pullach raus, ist die Morgenkühle noch ganz schön bemerkbar.
Wir sind in der Startgruppe 2 von drei, fliegen dahin, schnell haben wir ein Durchschnittstempo von über 27 km/h erreicht, welches wir bis zur ersten Kontrolle nach knapp 70 km und 700 HM auch halten werden. Zwischendurch holten wir die erste Gruppe ein, entschieden uns aber, in der langsameren Gruppe zu bleiben.
Diesmal habe ich nur wenig Fotos von den Kontrollen gemacht, das Essen dürft ihr euch vorstellen
Und dann kam der erste Anstieg den Hohenpeißenberg hinauf, an dem ich mich verflucht hatte, die Kompaktkettenblätter zu Hause nicht gewechselt zu haben. Mit 39/28 war zwar alles möglich, aber zu welchem Preis? Manche hatten gar 34/32 am Start und quälten sich die elendigen kurzen aber heftigen Rampen hinauf und spätestens hier wünschte ich mir, mehr als nur drei Stunden Schlaf in den Muskeln zu haben.
Oben angekommen war ich mir sicher, mindestens um 5 Jahre von meinem Leben gebracht worden zu sein. Mehr tot als lebendig schaffte ich es noch, die Kontrollfrage zu beantworten und mir ein alkoholfreies Weißbier zu bestellen. Die Aussicht war zwar grandios, aber ich konnte sie kaum aufnehmen. Landschaft gabs hier mehr als genug, soviel Postkartenidylle hab ich schon lange nicht mehr an einem Tag gesehen.
Und spätestens hier habe ich sie mir wieder gestellt: was treibt einen an. Warum zur Hölle tut man sich das an?