Fietselfstedentocht 2019
10.06.2019
Am Pfingstmontag klingelte der Wecker in aller Frühe um 3:30 Uhr. Müde quälte ich mich aus meinem Zelt und schleppte mich zur Dusche. Danach noch ein schnelles Frühstück und ich war fertig, dachte ich. Meine Mitfahrer standen auch schon parat, als ich feststellte das meine Kamera nicht dort war, wo ich sie Abends hinpackte. Eine schnelle Suche brachte keinen Erfolg und so schickte ich die Anderen vor. Denn ohne Kamera würde ich sicher nicht fahren. Eine Tour ohne Fotos unterwegs ging gar nicht. Ich würde sie schon wieder einholen. Nach mehreren erfolglosen Suchversuchen im Zelt lief mir die Zeit davon. Dann endlich fand ich die Kamera dort, wo ich zuerst gesucht hatte. Sie hatte sich versteckt. Mit einer halben Stunde Verspätung brach ich dann bei Regen und Dämmerung auf.
Bei meiner vierten Fietselfstedentocht fuhr ich mit meinem Giant Expedition Reiserenner aus Mitte der 90er Jahre. Traditionell nahm ich jedes Jahr ein anderes Rad. Da ich sehr viele Rennräder besitze, reichte das Repertoire sicher noch für etliche Jahre.
Mit einer halben Stunde Verspätung startete ich dann in einer späteren Startgruppe. Das war zum Glück bei dem Marathon durchaus möglich und üblich.
Auf dem Weg nach Harlingen zur ersten Kontrolle fuhr ich ziemlich schnell trotz Regen und schrägem Gegenwind und überholte viele Gruppen. Meine war nicht dabei. Aber die hatten ja auch 30 Minuten Vorsprung. Dank meiner langen Schutzbleche wurde ich wenigstens nicht von unten nass.
Die 19 km bis Harlingen hatte ich schnell hinter mir.
Die roten Steine waren bei Nässe mit Vorsicht zu genießen und so fuhr ich vor allem in den Kurven etwas langsamer durch Harlingen.
Ein kleiner Stau an der Kontrolle, dann ging es für mich ohne Pause weiter.
Jetzt ging es entlang der Nordsee gegen den stärker werdenden Wind. Ich hatte ganz schön zu kämpfen. Bergauf war ich zwar schneller geworden, aber mein Gewichtsverlust hatte bei Gegenwind auf gerader Strecke anscheinend leichte Nachteile. Ich versuchte mir meine Kräfte so einzuteilen das ich flott genug voran kam, mich aber nicht müde fuhr. Der Regen ließ langsam nach.
Irgendwann nach Franeker oder Holwerd riss der Himmel auf. Es wurde wärmer und die Straße trocknete ab. Der böige Wind war aber immer noch da.
Nach der Kontrolle in Dokkum kam ich nach über 100 km am späten Vormittag in Leuwarden an. Meine Gruppe hatte ich immer noch nicht gefunden. War ich wirklich so langsam? Ich machte Pause auf der üblichen Wiese und fischte das Handy raus. Es gelang mir Kontakt zu Andy aufzunehmen und erfuhr das die Gruppe eine gute Stunde hinter mir war. Wo hatte ich die bloss übersehen? Na ja, das konnte bei 15.000 Startern durchaus passieren. Leider erfuhr ich dann auch das Doris aufgeben musste. Ihr Knie, das vom Sturz am Vortag lädiert war, machte große Probleme und so gab sie auf. Ralf, der ebenfalls gestürzt war, war ein ganzes Stück vor mir unterwegs. Er war bereits um 5 Uhr im ersten Startblock gewesen und fuhr ein ziemlich flottes Tempo. Später erfuhr ich das er bereits um 15 Uhr im Ziel war. Ich beschloss alleine weiter zu fahren und nicht auf die Anderen zu warten. Eine Stunde war mir einfach zu lange.
Auf den letzten Kilometern kam der Wind dann schräg von Hinten. Ich machte wieder ordentlich Tempo und sparte trotzdem Kraft.
Nach über 140 km kam ich wieder nach Bolsward. Dieses Mal strahlte die Sonne bei 25 Grad. Die große Schleife war geschafft. Jetzt hatte ich „nur“ noch knapp 100 km vor mir.
Vor der alten Kirchenruine gab es Livemusik. Ich trank eine heiße Gemüsebrühe und füllte meine Trinkflaschen auf. Dann ging es schon weiter. Keine Zeit für eine längere Pause. Auch wenn die Schleife kürzer war, würde ich doch zum Ende hin wieder viel Gegenwind haben. Ich war vorgewarnt.
Kurz nach Bolsward hatte mich dann der Gegenwind wieder gepackt. Der Wind hatte wohl etwas gedreht. Der Kampf ging also früher als erwartet los. In Sneek machte ich noch einmal kurz Pause, dann ging es durch Ijlst, Sloten und Oudemirdum.
Die Schleife und der Wind drehten sich und wir erreichten das Ijsselmeer, welches bereits am Horizont zu sehen war. Jetzt kamen einige Deichauffahrten die ich mit vollem Tempo im Wiegetritt fuhr. Zum Glück war dieses Mal keine langsamere Gruppe im Weg. Leider gab es naturgemäß zu wenig Steigungen als das ich daraus einen Vorteil hätte ziehen können. So blieb nur der Kampf gegen den Wind.
In einem der Orte durch die wir kamen spielte eine Band, die auf beiden Seiten der kleinen Straße aufgestellt war.
Die Brücke war so steil, das wir schieben mussten. Das hielt natürlich auf. In Stavoren waren es nur noch etwas über 30 km bis ins Ziel. Das Wetter wurde wieder deutlich schlechter. Bevor es anfing zu regnen machte ich noch schnell eine kurze Pause um etwas zu essen und zu trinken.
Bei einsetzendem Nieselregen kämpfte ich mich nach Hindeloopen und bis Workum. Von hier aus waren es noch 12 km ins Ziel oder 3 km zum Campingplatz. Natürlich entschied ich mich für die 12 km. Was für eine Frage. Auch wenn das dann noch einmal 15 km zurück bedeuteten. Der Regen wurde stärker.
Einige Minuten nach 20 Uhr stellte ich mein Rad im Ziel ab.
In dem großen Festzelt bekam ich den letzten Stempel in meine Kontrollkarte und anschließend meine vierte Medaille.
So sieht sie aus, die begehrte Medaille. 242 km mit einem Schnitt von über 22 km/h hatte ich im Ziel. Es war von den vier erfolgreichen Teilnahmen meine schwerste Tocht. Aber ich hatte es geschafft und auch nie ans aufgeben gedacht. Nächstes Jahr bin ich hoffentlich wieder dabei. Dann wieder mit einem anderen Rad. Obwohl das Giant natürlich gute Langstreckeneigenschaften hatte. Nur die Position am Unterlenker hätte im Gegenwind tiefer sein können.
Im stärker werdenden Regen fuhr ich zurück nach Workum. Am Horizont, irgendwo bei Workum oder dahinter, zuckten Blitze über den Himmel. Oh je, ich fuhr direkt auf das Gewitter zu. Kurz vor dem Gewitter erreichte ich dann um 21 Uhr nach insgesamt 272 km den Campingplatz. Ich hatte gerade trockene Sachen an und sass bei den da gebliebenen, bzw. bereits zurück gekehrten im großen Vorzelt von Thomas Wohnwagen, da brach das Unwetter richtig los. Puh, Glück gehabt. Während wir gemütlich Bier tranken und quatschten kamen ca. 1,5 Stunden nach mir der Rest der Gruppe im Dunkeln gegen 22:30 Uhr patschnass an. Die Armen sind richtig von oben geduscht worden. Aber auch die wurden dann versorgt und hatten die Tocht erfolgreich absolviert. Im nachhinein erfuhr ich das die Tocht zu dem Zeitpunkt bereits abgebrochen war und die noch auf der Strecke Verbliebenen mit Bussen in Sicherheit gebracht wurden. Die Abbruchquote war dieses Mal wohl auch sehr hoch. Aufgrund der Wettervorhersage waren Morgens statt 15.000 auch „nur“ 12.800 Fahrer/innen gestartet.