Zu 1: Jeder, der halbwegs strukturiert nach Watt trainiert, wird Dir aus dem Kopf eine Wattzahl zurufen können, wenn Du ihn nach CP5, CP10 oder CP 20 fragst. Das ist die beste Wattzahl, die er schonmal über diese Zeit erreicht hat. Wenn Du nun weißt, dass dass Du bei einem 60-Km-Rennen schon 57 gefahren hast (Blick auf den Tacho!), dann weißt Du auch, wie lange die 3 Km noch dauern.
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Noch Fragen..?
Was du schreibst, ist riesiger Unsinn, und das weißt du auch. Ob eine Attacke wie die gezeigte gelingt oder nicht, hängt in erster Linie von der taktischen Situation und der Richtigkeit ihrer Einschätzung durch den Fahrer ab. Um das nachvollziehen und diskutieren zu können, muß man sich allerdings erstmal von der Verengung von Taktik auf "Schlitzohrigkeit" und "Hinterradlutschen" befreien.
Vielmehr geht es um die Fahrweise der anderen Fahrer vor und nach der Attacke. Vor der Attacke hatten 3 Fahrer attackiert, die offenbar zum engsten Favoritenkreise gehörten. Sie haben allerdings einzeln nacheinander attackiert und die Attacke eingestellt, als der 3. Fahrer aufgeschlossen hatte. Offenbar wollte keiner von den dreien mit den jeweils anderen beiden auf der Zielgeraden ankommen. Dadurch haben sie sich erstmal gegenseitig neutralisiert.
Als der spätere Siege zu ihnen aufgeschlossen hat, ist er zunächst mal nur mit geringem Geschwindigkeitsüberschuß vorbeigefahren. Ob bewußt oder unbewußt, solch ein Vorbeifahren mit geringem Geschwindigkeitsüberschuß ist für die Eingeholten schwer einzuschätzen. Von einer Art "Ausrollen" bis zum Attackieren "auf doof" kann das alles sein. Deshalb hat der Sieger kurz danach erst angetreten, obwohl sowas auf einem Video relativ schwer zu sehen ist, man kann es sehen. Das hat unter anderem, aber nur eben unter anderem dazu geführt, daß er plötzlich 50 m Loch hatte.
Entscheidend für das Zustandekommen des Lochs war, daß die anderen sich weiter gegenseitig angeschaut haben. Das ist eine Variante der berühmten Leclercq'schen "Beobachtungsrunde". Das habe ich aus dem Fakt "plötzlich 50 m Loch" geschlossen und das hat auch der Sieger daraus geschlossen, und das hat er deshalb schließen können, weil er aus Erfahrung weiß, was sich da hinten abspielt, weder der noch ich "haben hinten Augen" . Dann hat er seine Entscheidung getroffen, so steht es dann auch in der Bildunterschrift "... Gas stehen lassen... das kann ich". Diese Entscheidung beruht auf der Kenntnis von zwei Dingen:
- Wenn nicht sofort versucht wird, das Hinterrad des Attackierenden wieder zu kriegen, kommt der nächste Versuch deutlich später, weil keine Lust hat, die anderen an den Ausreißer heranzuführen.
- Daß die Leistung im Hinblick auf die erforderliche Zeit/Geschwindigkeit, die die Verfolger bringen müssen, erfahrungsgemäß von denen nicht erbracht wird.
Und in diesem kursiv gesetzten Halbsatz ist nun fast jedes Wort wichtig, fangen wir hinten an:
- "wird" - Indikativ. Das ist nämlich eine Tatsache und hängt nicht von Möglichkeiten ab, wie später suggeriert: "Meine Wattwerte stimmen. Das müssen die hinten erstmal treten, um näher zu kommen." Das "das müssen die erstmal" ist nämlich Quatsch, das können die nämlich jederzeit treten, wenn sie wollen, sie wollen aber nicht, vgl. oben
- "von denen" entspricht seinem "die hinten": Er kennt die Fahrer und wie die drauf sind. Da ist z.B. keiner dabei, der es plötzlich "mit der Brechstange" versucht. Auch die Streckenbeschaffenheit, daß das vorerst der letzte "Huckel" war, spielt da rein.
- "erfahrungsgemäß", das ist der Schlüssel: er weiß das aus Erfahrung, nicht weil er sich mit Stoppuhr an den Straßenrand gestellt oder mit PM/Tacho aufs Rad gesetzt hat.
Erfahrung, das ist das Entscheidende, nicht PM/Tacho, Daten, Messen usw. usf.
Zu dieser Erfahrung gehört auch, daß sowas nicht immer funktioniert. Das weiß jeder, der den Angriff aus dieser "Kategorie der taktischen Varianten" beherrscht. Es funktioniert je nachdem, wie gut der Mann ist mitunter sehr selten, aber auch bei Spitzenprofis nur in vielleicht gut der Hälfte der Fälle. Ob wir von einem Edwig Van Hooydonck, einem Philippe Gilbert, Vincenzo Nibali, Peter Sagan usw. reden: Sie wissen genau, daß das auch schiefgehen kann.
Allerdings gelingt es bei einigen erstaunlich gut (z.B. Gilbert mit seiner "Serie" am Cauberg incl. WM 2012), wenn sie "den Bogen erstmal raushaben" und wenn sie diese Extraklasse an Tempogefühl und der Fähigkeit ihre Leistung nicht nur "im Labor" bringen zu können, sondern auch in dem Moment abrufen zu können, entwickelt haben.
Für unseren Sieger ist es mit einer viel größeren Unsicherheit behaftet, ihm kam auch ein wenig zugute, daß alle sich ein wenig an diesem DM orientiert haben (ist der aus dem gleichen Verein?).
Und damit kommen wir zu dem letzten, unter der Themenstellung hoch-relevanten Feststellung: Was sich auf diesen restlichen 3 km abspielt, hat nämlich selbst bei "unserem Freund" sehr wenig mit einer Zeitfahrleistung zu tun, bei den genannten Profis noch viel weniger. Der Geschwindigkeitsverlauf ist nämlich gegenüber einem Zeitfahren genau umgekehrt:
Beim Antritt sind es nicht die vielleicht später im Durchschnitt getretenen 390 Watt zu erbringen, auch nicht 450 oder 500, sondern ca. 10 sek lang 650 - 800 W, je nach Fahrergewicht. Im Anschluß sind dann nochmal ca. 450 W nötig. Dann erst kann er in seine 390 W "Reisegeschwindigkeit" einschwenken und auf dem letzten km kann er das Ding "mit einem Bein" zuende fahren.
Fazit: Es geht niemals um "Blicke auf Tacho/PM", Daten, Wattwerte usw. sowie gute Zeitfahrerleistungsfähigkeit (schaden tut sie natürlich nicht!). Es geht immer um Erfahrung, zur Verfügung stehende Leistung abrufen können und ein feines Tempogefühl.