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huskyblues
Zum Thema Doping ein sehr interessanter Artikel aus der FAZ von heute.
in der Antidopingfront in einem weniger schönen und sehr bedauernswerten Zustand beschreibt.
So schieben die Verbände und zuständigen Ministerien eine Entscheidung Dopingvergehen als Straftat zu behandeln vor sich her
bzw. gegeneinander zu ohne Entscheidungswilligkeit und bei einem Dopingsymposium auf dem unteranderem Donati referierte
hielten es weder Vertreter des Inneministeriums als zuständige Sportbehörde noch Vertreter aus Sportverbänden für nötig zu erscheinen.
Dem Tenor des Kommentars das Deutschland zu einem Maulhelden in Sachen Dopingkampf verkommt/kommen ist und durch vormals belächelte Staaten
wie Italien, Frankreich, Belgien, USA in der Praxis überholt wurde finde ich wenig amüsant sondern eher beschämend.
Ferner gab es einen interssanten Kommentar zum Thema Dopingbekämpfung in Deutschland der das angebliche und selbsternannte "Musterländle"Doping: Spitzensportler sind nicht die einzigen Abnehmer
Der Milliardendeal
Von Evi Simeoni
17. Januar 2005 Wieso ist eigentlich im Sommer 1999 der Preis für das Medikament Erythropoietin auf dem internationalen Schwarzmarkt so dramatisch gesunken? Vor jenem Juli zahlten Leute, die an der Verschreibungspflicht vorbei die Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit ihres Blutes steigern wollten, noch sechzig Euro pro Dosis. Hinterher mußten sie nur noch sechs Euro berappen.
Der Grund: Im Juli 1999 wurde die schier unglaubliche Zahl von 4,650 Millionen Ampullen dieses Blutdopingmittels aus dem Lager eines Apotheken-Großhandels in Nikosia gestohlen und anschließend offenbar auf dem Schwarzmarkt angeboten, der sich über Angebot und Nachfrage reguliert. Später stieg der Preis wieder auf das alte Niveau.
Offene Fragen
Der Diebstahl von Nikosia wirft viele Fragen auf. Warum lagert eine solche Menge Arzneimittel, mit der man 50.000 Sportler ein Jahr lang dopen könnte, auf der kleinen Insel Zypern? Welcher Pharmahersteller gibt eine solche Riesenmenge Erythropoietin ab, die einen vorstellbaren therapeutischen Bedarf (das Mittel soll Nierenkranken helfen) weit überschreitet? Wer schafft es überhaupt, diese hochwirksame Substanz, die ständig gekühlt werden muß, professionell weiterzutransportieren?
Alessandro Donati, der führende Antidoping-Aktivist Italiens, sieht in dem Diebstahl das Verbindungsglied zwischen der Pharmaindustrie und einer organisierten Verbrecherbande. "Man erkennt die Verwicklung zwischen Hersteller und Verteiler", sagt er.
Drei Dinge werden anhand dieses Falles deutlich. Erstens: Der Handel mit Dopingmitteln ist ein lukratives Geschäft. Zweitens: Doping ist längst nicht mehr allein ein Problem des Spitzensports - die Masse macht's. Drittens: Der illegale Dopingmarkt funktioniert mittlerweile ähnlich wie der Rauschgifthandel.
Gigantische Mengen
Die Fälle, die Donati, Leiter der Forschungsstelle des italienischen Sportbundes und auch sonst ein gefragter Berater, dokumentiert hat, sind vielfältig: Im Dezember 2004 verhaftete die Polizei Angehörige der kalabresischen Mafia 'Ndrangheta mit 300 Kilogramm des Aufputschmittels Ephedrin - das sind 15 Millionen Portionen. Im Mai 2002 deckte die Polizei in Neapel Verwicklungen der Camorra in den Dopinghandel auf. Im Januar 2002 beschlagnahmte der Zoll in Wien 1,7 Millionen Anabolikatabletten. Im Juli 2002 beschlagnahmte die belgische Polizei 550 Kilogramm Anabolika im Wert von 137 Millionen Euro. Es handelte sich nach Erkenntnissen der Polizei um einen von acht Transporten, so daß das Gesamtgeschäft auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt werden kann.
Solche gigantischen Mengen können nicht allein in den Spitzensport-Arenen verfeuert werden. Doch auch die großen Titelkämpfe schlagen sich in der Verbrechensstatistik nieder: Im Juli 2000, kurz vor den Olympischen Sommerspielen, verschwanden aus einem Krankenhaus nahe Sydney 1.000 Portionen Erythropoietin. Im Januar 2002 wurden in Phoenix/Arizona 6.000 Dosen Wachstumshormon beschlagnahmt, die für die Winterspiele in Salt Lake City bestimmt waren.
Dopinggeschäft nimmt zu
Donati, der bei einem Expertengespräch in Heidelberg Einblick in seine Arbeit gab, berichtet, daß es in Italien im vergangenen Jahr 240 Beschlagnahmen von illegalen Dopingmitteln gab. Und niemand solle glauben, daß es sich um ein italienisches Problem handele. "Man kann daraus Rückschlüsse auf ganz Europa ziehen." Das Dopinggeschäft nehme jährlich zu. Er schätzt das Volumen auf weltweit 15 Milliarden Euro.
Donati hat ermittelt, daß vier Prozent der elfjährigen Kinder in Italien, zwölf Prozent der zwölfjährigen Jungen und siebzehn Prozent der dreizehnjährigen Jungen bereits - erlaubte, aber massiv überdosierte - Eiweißnahrung wie Kreatin zu sich nehmen. Später nimmt die Kreatin-Einnahme zwar ab, aber es kommt der Konsum von Anabolika hinzu.
Doping für die Schönheit
Ein wichtiger Umschlagplatz ist das Internet. Falsche Rezepte durch kriminelle Ärzte spielen ebenfalls eine Rolle. Gedealt wird in 15 Prozent der italienischen Fitness-Studios. Weitere Schlüsselfiguren sind Türsteher in Diskotheken, die selbst hin und wieder gewalttätig werden - ein Effekt der Anabolika-Einnahme, die zur sogenannten "Roid Rage" führt.
Nicht nur Sporttreibende greifen zu Dopingmitteln, sondern auch Leute, die einfach nur gut aussehen wollen. "Dopingtests, die etwa 250 Euro kosten, sind nur für die Elite möglich", sagt Donati. Die aber mache nur 0,1 bis 0,2 Prozent der Sporttreibenden aus. "Und wer", fragt er, "kümmert sich um die anderen?" Die Lösung, sagt Donati, könne also nicht mehr aus der Sportwelt kommen, die dieses Problem verursacht habe. Seit den neunziger Jahren, sagt er, dringe der Arzneimittelmißbrauch immer mehr von der kleinen Gruppe der Spitzenathleten auf die Basis durch.
„Europa ist alt und müde”
Donati, der in verschiedenen spektakulären Fällen die italienische Staatsanwaltschaft beraten hat, sieht bereits eine riesige Verspätung im Antidopingkampf. "Europa ist alt und müde", beklagt er. Gerade in Deutschland setzt die Regierung immer noch auf die "Selbstreinigungskraft des Sports", die Forderungen nach einem Antidopinggesetz werden von den Ministerien des Inneren und für Justiz regelmäßig abgewiesen. Auch nach Heidelberg, wo drei hochkarätige Dopinggegner, Gerhard Treutlein (Pädagogische Hochschule Heidelberg), Wolfgang Knörzer (Akademie für Gesundheitsbildung), und Giselher Spitzer (Humboldt-Universität Berlin), zu einer Expertenrunde geladen hatten, entsandte der Innenminister keinen Vertreter, wie übrigens die Veranstaltung auch vom organisierten Sport gemieden wurde.
"Der Einfluß der Sportbehörden, die den Antidopingkampf bremsen oder bagatellisieren, ist zu groß", sagt Donati. Obwohl es in Italien ein Antidopinggesetz gibt, das nicht nur den Spitzensport betrifft, sondern auch Amateure und Jugendliche schützen und den Handel bekämpfen soll, fühlt auch Donati sich permanent behindert. Trotz der schädlichen, süchtig machenden und zum Teil lebensgefährlichen Wirkung der Dopingmittel kann ein Händler mit nur maximal sechs Jahren Haft bestraft werden, ein Rauschgifthändler muß neunzehn Jahre Gefängnis fürchten. "Das ist widersprüchlich und lächerlich", wettert Donati. "Dahinter steht der Druck der sportlichen Einrichtungen."
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.01.2005, Nr. 14 / Seite 31
Bildmaterial: picture-alliance / dpa
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in der Antidopingfront in einem weniger schönen und sehr bedauernswerten Zustand beschreibt.
So schieben die Verbände und zuständigen Ministerien eine Entscheidung Dopingvergehen als Straftat zu behandeln vor sich her
bzw. gegeneinander zu ohne Entscheidungswilligkeit und bei einem Dopingsymposium auf dem unteranderem Donati referierte
hielten es weder Vertreter des Inneministeriums als zuständige Sportbehörde noch Vertreter aus Sportverbänden für nötig zu erscheinen.
Dem Tenor des Kommentars das Deutschland zu einem Maulhelden in Sachen Dopingkampf verkommt/kommen ist und durch vormals belächelte Staaten
wie Italien, Frankreich, Belgien, USA in der Praxis überholt wurde finde ich wenig amüsant sondern eher beschämend.