AW: Berliner Feierabendrunde
Mit dem Wind im Rücken bin ich am Sonnabend zu den Ufern der Neiße gefahren. Die Abendsonne sorgte dafür, dass mein Schatten mir weit voraus eilte.
Gestern ging es dann zur Forster Radrennbahn - hier fand die Europameisterschaft der Steher statt.
Diese Art Radsport geht so: Ein Schrittmacher mit seinem Derny fährt vorn - dicht gefolgt von einem Rennfahrer in seinem Windschatten. Für den nötigen Sichterheitsabstand hat das Derny hinten eine Rolle montiert, an der das Vorderrad des Radfahrers 'klebt'. Letzteres ist sehr klein, damit der Radfahrer näher an den Windschatten gelangt und so bis zu 70km/h schafft. Hier sind ein paar Impressionen:
Ein Oldtimer-Derny (ohne Rolle):
Der Tscheche Richard Faltus spannt vor dem Finallauf seine Kette. Mit diesem dicken Gang braucht man zum Anfahren einen Helfer.
Im Finallauf, der genau eine Stunde dauerte, starteten neun Fahrer aus der Schweiz, den Niederlanden, Tschechien und Deutschland. Allesamt Profifahrer - bis auf einen: der Forster Lokalmatador Marcel Möbus ist hauptamtlich Fliesenlegermeister und es war schon eine kleine Sensation, dass er sich überhaupt für die EM qualifizierte und dann sogar das Finale erreichte. Immer wenn er vorbei raste war natürlich der Jubel der Fans am lautesten.
Inmitten von Motorenlärm und immer an der Wand von pfeifenden, klatschenden und frenetisch schreienden Zuschauern vorbei ist es für die Faher nicht so einfach, mit ihrem Schrittmacher zu kommunizieren. Dieser trägt einen
Helm mit nach hinten gerichteten Ohrmuscheln und lauscht den gerufenen Tempowünschen seines Fahrers. Funk ist verboten.
Marcel Möbus fuhr das Tempo gut mit und lag auf Platz vier, als er bei einem Überholvorgang die Rolle verlor. Der Schrittmacher bemerkte den Verlust seines Fahrers erst nach einer halben Runde. Das Einsammeln und wieder beschleunigen kostete fast zwei Runden, so dass die Favoriten uneinholbar waren. Einem eingespielten Gespann darf so ein Fehler nicht passieren. Das Problem war, dass Möbus im Vorfeld 'seinen' Schrittmacher an den Schweizer Atzeni verliehen hatte, da er nicht damit rechnete, ins Finale zu kommen.
Giuseppe Atzeni überholt:
Tunnelblick:
Trotz der ärgerlichen Panne gab Möbus nicht auf und kämpfte sich von ganz hinten wieder nach vorn. Als Atzeni schließlich nach 68,4 gefahrenen Kilometern als Erster die Ziellinie überquerte, hatte Möbus es noch auf den fünften Rang geschafft. Wie wäre es ohne das Abreißen gelaufen?!
Im Ziel:
Der Schweizer freute sich wie ein Kind, küßte die Rennbahn und wurde gleich interviewt.
Das abschließende Konzert einer Ost-Rentner-Combo war vom Bierwagen aus erträglich.