Wie oft verliert man denn die Pedale im Rückwärtsbetrieb bei so einem Möbius Retrodirect? Oder gab es zusätliche Sicherungssplinte?
Möbius? Rétrodirect ist ein Patent von Hirondelle, St. Etienne und heißt auf Deutsch "Rückwärts-Vorwärts", denn "rétropédalage" war damals um die Jahrhundertwende eine Philosophie, deren Anhänger sich eine bessere Kraftübertrageung beim Bergauffahren versprochen haben. "pédalage direct" dagegen ist das gewöhnliche Vorwärtstreten. Daher also "rétrodirect". Das hat sich aber als nicht richtig erwiesen, also hat sich die "pédalage direct" durchgesetzt.
Es gab aber auch Schaltungen mit 2 Kettenblättern, welche über eine Kupplung im Tretlager umgeschaltet werden konnten, sogenannte "bi-chaînes". Diese waren kombinierbar mit Kettenschaltung und Rétrodirect, z.B. 3- oder 4-Gangschaltung auf der einen Seite und Rétrodirect auf der anderen.
Schaltungen waren anfänglich sehr teuer. Deswegen gab es auch eine einfache Variante: eine durchhängende Kette, die von eisernen Stift am Ritzel gehalten wurde, damit sie nicht durchrutschte. Dieses System nannte man "schwimmende Kette" (chaîne flottante) und den Stift "eiserner Finger" (doigt de fer). Geschaltet wurde mit dem Fuß, indem in akrobatischer Manier die Kette verschoben wurde. Manche schraubten sich auch spez. Haken an die Schuhe, die wie Schaltgabeln funktionierten. Es gab eine recht fidele Bewegung dieser Einfachstschaltungen, die "Flottantistes", die sich regelmäßig trafen und Erkenntnisse austauschten. Dabei wurden konsiderable Entfernungen zurückgelegt. Damals war es sowieso nur den Reichen vorbehalten, mit dem Automobil zu reisen, Mittelständler und einfachere Leute fuhren mit der Bahn oder eben mit dem Rad. Dabei waren Tagesetappen über 200 km eher die Regel denn die Ausnahme.
Damals waren Schaltungen bei Rennen übrigens noch verboten, die Spitzenfahrer hatten also mehrere Räder auf dem Materialwagen, die sie je nach Gelände tauschten. Die Cyclotouristen aber hatten kein Reglement, also konnten sie fahren, was sie wollten und weil sie fuhren und das nicht wenig, wurden auch viele Erfindungen und Verbesserungen gemacht. Die Kettenschaltung ist eine solche, aus der Praxs entstandene Lösung. Die "reine Lehre" von der alles bestimmenden Kettenlinie, die ja die Engländer verfolgten, indem sie Nabenschaltungen bauten, wurde über Bord geworfen, als sich herausstellte, dass man 2 Blätter montieren und die Kette bei Bedarf umlegen konnte. Diese Erkenntnis führte schließlich dazu, dass mehrere Blätter und Ritzel von einer einzigen Kette bedient werden konnten und dann war es nur noch ein kleiner Schritt zum fernbedienten Umlegen während der Fahrt. Eine der ersten kommerziellen Kettenschaltungen mit gewisser Verbreitung war "Le Cheminot" in den 20er Jahren, ein recht robustes System, von dem mir leider kein Bild vorliegt. Dann kam Ende der 20er der "Cyclo", der in den 30ern zum Standard an Tourenädern wurde.