Den habe ich glatt hier nicht reingestellt. Kleiner Nachtrag zu Frühjahr.
Verloren in den unendlichen weiten Hessens
Töchterchen studiert in Gießen. Es war etliches Hin und Her zu karren und so nutzte ich die Gelegenheit den 300' in Gießen zu fahren. Am Abend vorher angereist habe ich mich mit @Radwunschmeister getroffen um nach einem sehr ergiebigen Abendessen, beim Italiener, die Nacht im Wohnzimmer der fünfzehnköpfigen WG meiner Tochter zu verbringen. Ich hatte mir gewunschen, die größere Isomatte eingepackt zu haben um nicht mit dem Fußboden in Berührung zu kommen.
Morgens aufgestanden hatten wir uns vertrödelt und mussten ohne Frühstück los. Es ist fatal wenn der Start nur 5 Minuten entfernt ist. Am Start wurde nach den Formalitäten erst mal das überschaubare Fahrerfeld besichtigt. Weia, lauter alte Haudegen. Das wird ein einsamer Brevet. So dachte wohl auch @Radwunschmeister und wir sind Händchenhaltend auf die Strecke.
@fafnir, der dritte Liegeradfahrer wollte die Rennradqualitäten seines neuen M5 ausprobieren und ist gleich voraus. Die Überlegung war, an der ersten Kontrolle zu Frühstücken, was wir auch ausgiebig erledigt hatten.
Einer der genialen Aspekte des Brevetfahrens ist die Streckengestaltung. Jeder Veranstalter ist bemüht die landschaftlichen Sahnestückchen seiner Heimat in die Strecke zu integrieren. Auch Christian ist das super gelungen. Vielen Dank, nochmal dafür. Der von IMI, aus dem Rennradforum, bereitgestellte Track hatte gut funktioniert und so konnte man sich ganz dem Flow des Auf und Ab's der weitläufigen Hügel Hessens hingeben. Ab und zu unterbrochen von dem durchfahren pittoresker Fachwerkdörfer oder dem Ritt auf einem Höhenrücken wo es größter Mühe bedurfte die Aufmerksamkeit bei der Straße zu belassen.
An der zweiten Kontrolle hatten @Radwunschmeister und ich das letzte Mal vorausfahrende Randonneure gesehen nach dem Stempeln hatten wir uns sofort wieder ins Paralellbrevetuniversum begeben und sind in die Landschaft abgetaucht. Erst der Hunger hat mich wieder in diese Welt geholt und schnell war klar das ein Rahmschnitzelchen nicht so schnell zu beschaffen sein wird. Nun bin ich Handwerker und um 12:00 Uhr geht die Brotlade auf, wenn dann nichts rein geschoben wird reagiert mein sensibles Körperchen sehr unwirsch. Wir hatten kurz vor 3 also war Katastrophenalarm gegeben. Schon tauchte es auf das Verheißungsvolle: Durchgehend warme Küche. Gut eineinhalb Stunden hatten wir uns der Nahrungsaufnahme gewidmet um dann wieder in dieses zeitlose dahin kurbelnde Sinnieren des Randonnierens zu verfallen.
Ich hatte von @Radwunschmeister wegen seines norddeutschen TIEFEBENEN Daseins mehr Unmut über die Strecke erwartet. Aber er war freudig bei der Sache und begeistert über die Aussicht nach jedem Anstieg. Kurz nach Fulda brach die Nacht an. Es ist immer wieder erstaunlich wie viel man auch nachts von der Landschaft wahrnimmt. Allerdings nicht bei Regen.
Um kurz nach halb zehn bei km 201 standen wir in Büchenberg. Die Strahlen des Gasthofes zur Sonne zogen mich magisch an. Den vorgesetzten Toast Hawaii konnte ich jedoch nicht anrühren. Mein sensibles Körperchen war entweder immer noch, oder erneut beleidigt. Im Normalfall heißt es warten bis Essen wieder geht und dann erst weiter. In diesem Falle hätte @Radwunschmeister das bestimmt mit ausgesessen und das wollte ich nicht. Die Wirtin konnte gedankenlesen und hat mir ein Zimmer angeboten. Worauf hin sich @Radwunschmeister heldenhaft in die Nacht stürzte um die letzten 100 km in Angriff zu nehmen. Er hat meine volle Bewunderung dafür.
Morgens um 4.45 Uhr, es pladderte unablässig auf das Dachfenster über mir, stand ich wieder auf um den Rest der Strecke anzugehen. Zwei Riegel mussten reichen bis ich unterwegs die erste offene Bäckerei erreichte. Allerdings fiel das Frühstück sehr kurz aus, da ich immer noch nichts Essen konnte. Ich war sehr glücklich darüber auch den letzten Teil des Brevets bei Tag gefahren zu sein. Zu schön war die Strecke um sie im Dunkeln zu vergeuden. Vor allem die Achterbahn vor Sichenhausen konnte ich bei Tageslicht richtig genießen. Am Ortsschild hatte ich noch 84 km/h und als maximale Geschwindigkeit 87 km/h.
@fafnir musste bei der Abfahrt wohl mitten drin anhalten und die Bremsklötze wechseln. Bis 11.30 Uhr hatte ich mich dann bis Gießen geschleppt. Mittlerweile hatte ich auch wieder richtig Hunger um das Weißwurstfrühstück das Töchterchen vorbereitete richtig würdigen zu können.