https://www.lvz.de/Leipzig/Polizeit...rradgeschaefte-Sachsens-Polizei-droht-Skandal
lvz.de
Illegale Fahrradgeschäfte: Tatverdächtige bei gesamter sächsischer Polizei
Diese Affäre könnte die sächsischen Sicherheitsbehörden bis ins Mark erschüttern: Polizeibeamte sollen in Leipzig im großen Stil gestohlene und später sichergestellte Fahrräder illegal verkauft haben. Wie die Staatsanwaltschaft gegenüber der LVZ bestätigte, wird deshalb seit Mitte vorigen Jahres ermittelt. Es gehe um Strafvereitelung im Amt, Diebstahl, Unterschlagung sowie Korruptionsdelikte wie Vorteilsgewährung und -annahme, Bestechlichkeit und Bestechung. „Die Verfahren richten sich gegen eine Vielzahl von Beschuldigten“, sagte Behördensprecherin Vanessa Fink.
Ermittlungsgruppe aufgelöst
Dreh- und Angelpunkt des mutmaßlichen Skandals war die Ermittlungsgruppe „ZentraB Fahrrad“ bei der Polizeidirektion Leipzig, so das Online-Portal Tag 24, welches zuerst über den Fall berichtete. Im Jahr 2012, als die Zahl der Fahrraddiebstähle in der Messestadt um mehr als 2200 zugenommen hatte, war diese spezielle Einheit gebildet worden. Die Ermittler konnten die Aufklärungsquote steigern und einige spektakuläre Erfolge aufweisen.
2013 hoben sie beispielsweise ein Hehlerlager aus, stellten 14 hochwertige Fahrräder und acht Fahrradrahmen sicher.
Auch aktuell gäbe es für die Spezialermittler viel zu tun: 2019 wurden in Leipzig 9991 Fahrraddiebstähle angezeigt. Die hiesige Polizeidirektion bearbeitet mehr als die Hälfte aller im Freistaat Sachsen erfassten Fahrraddiebstähle. Dennoch wurde die Ermittlungsgruppe Ende 2019 aufgelöst – offenbar aufgrund von Korruption in den eigenen Reihen. „Im Sommer 2019 gab es bei der Polizeidirektion Leipzig den Anfangsverdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Verwertung sichergestellter Fahrräder“, so eine Sprecherin des sächsischen Innenministeriums am Donnerstag. „Daraufhin hat die Polizeidirektion Leipzig umgehend das Landeskriminalamt Sachsen um die Übernahme der Ermittlungen gebeten.“
Spur führt in Kleingartenverein
Eigentlich sollte die „ZentraB Fahrrad" sichergestellte Räder aus Diebstählen aufbewahren, bis diese wieder zur Verwertung bereitstehen. So war beabsichtigt, von Versicherungen freigegebene Räder gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Stattdessen seien etliche Drahtesel einem Kleingartenverein im Leipziger Stadtteil Sellerhausen-Stünz übereignet worden. Im Spartenvorstand habe sich der Vater jener Polizeibeamtin befunden, so Tag24, die als Asservatenbeauftragte für die Veräußerung zuständig gewesen sei. Über den Verein hätten Polizisten innerhalb von vier Jahren mehr als tausend teilweise hochwertige Fahrräder für gerade mal 50 bis 100 Euro an Kollegen verkauft. Zumindest ein Teil dieser Geschäfte soll auf dem Gelände des Polizeiverwaltungsamtes an der Lützner Straße abgewickelt worden sein. Quittungen und Belege seien bei der Polizistin sichergestellt worden. Konkrete Zahlen wurden von den Ermittlungsbehörden am Donnerstag nicht bestätigt.
Personalrechtliche Konsequenzen
Insgesamt 13 Beamte der einstigen Ermittlungsgruppe und weitere 40 Polizisten aus diversen Leipziger Dienststellen sollen unter Verdacht stehen, von den illegalen Deals profitiert zu haben, schreibt Tag24. Wie die LVZ erfuhr, erstreckt sich der Skandal sogar über Leipzig hinaus. „Nach den bisher bekannten Identitäten sind unter den Beschuldigten auch zahlreiche Beamte der gesamten sächsischen Polizei“, sagte Staatsanwältin Fink. Bisher gebe es jedoch keine Anhaltspunkte, dass auch Staatsanwälte und Richter in die kriminellen Fahrradgeschäfte verwickelt sein könnten, wie das in dem Medienbericht angeklungen war. Allerdings dauerten die Ermittlungen zu Identitäten von Tatverdächtigen noch an, so Fink. Ein aufwendiges Verfahren, da zu jedem gestohlenen Fahrrad der konkrete Hintergrund geklärt werden müsse. Ob auch gegen Mitglieder des Kleingartenvereins ermittelt wird, ließ die Staatsanwaltschaft offen.
Unabhängig vom Fortgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurde bei den Ordnungshütern bereits reagiert. Nach Angaben des Innenministeriums „hat die Polizeidirektion Leipzig personalrechtliche Maßnahmen vollzogen“.
Von Frank Döring