Na ja, das ganze ist ein ziemlich schwieriges Themenfeld. Es gibt kaum ein anderes Themenfeld was derart mit Minen gepflastert ist, und auch bei kaum einem Thema wird von allen Seiten so oft übers Ziel hinausgeschossen. Auch von Broder, der sich ja auch (zumindest in Teilen) später bei Augstein entschuldigt hat. (Auch das Simon-Wiesental-Center ist für seinen Umgang mit Augsteins Äußerungen durchaus hart kritisiert worden.)
Das Problem ist mMn das es gerade in diesem Thema auf vielen Seiten nur Schwarz oder Weiß gibt.
Die sogenannte "Israel-Kritik" ist da ein weites Feld. Da gibt es selbstverständlich auch offenen Antisemistismus der sich gerne mit dem Deckmantel der Israel-Kritik tarnen will. Auf der anderen Seite gibt es aber auch das andere Extrem, das berechtigte Kritik an der Politik der israelischen Regierung (und wir sind uns hoffentlich einig das es da durchaus Kritikwürdiges gibt), als antisemitisch gebrandmarkt wird. Das Extremste in der Richtung kenne ich aus der sog. Antideutschen Bewegung, denen es ja mitunter nicht zu blöd ist selbst Juden die Angehörige im KZ verloren haben als antisemitisch zu bezeichnen.
Und beide Extreme sind ein Problem, denn auch zu leichtfertiger Umgang mit derartigen Vorwürfen erweist dem Kampf gegen Antisemitismus in der Regel einen Bärendienst.
Na ja, wenn man bei dem Bild bleiben will, bringen die meisten "Israel-Kritiker" ihre Minen selber mit, schmeißen sie vor sich hin und springen rein.
Broder hat sich für ein paar persönliche Beleidigungen entschuldigt und bleib sonst dabei. Aber das nur nebenbei.
Aber: Was für "Seiten"? "Pro" und "Kontra" Israel? Vermutlich.
"Irael-Kritik" ist zumeist mit einer unglaublichen Unkenntnis der Verhältnisse im Nahen Osten geprägt. Kaum jemand, der sich vollmundig "kritisch" mit Israel "auseinandersetzt" hat auch nur rudimentäre Kenntnisse.
Es herrschen hauptsächlich eine Menge Vorurteile. Palästinensern wird gerne ein Opfer-Narrativ übergestülpt, gepaart mit nicht minder fragwürdigen post-kolonialen Sichtweisen.
In manchen Erzählungen wird, auch wenn Stein und Bein geschworen wird, das wäre ja nicht so, Israel implizit das Existenzrecht aberkannt, weil es eine Art kolonialistische Eroberung von fremden Territorium sei. Das ist aber faktisch barer Unsinn.
Oder es sind so etwas wirre "Täter-Opfer" Erzählungen, wie es Augstein so von sich gab, als er den Gaza Streifen als "Lager" bezeichnete und ziemlich sicher "Konzentrations-Lager" meinte.
In Anti-zionistischen Denkweisen wird schlicht unterschlagen, dass der Antrieb die Jahrhunderte währende Verfolgung und institutionelle Diskriminierung von Juden ist und nicht wenige keine Hoffnung hatten, dass Menschen jüdischen Glaubens jemals an irgendeinem Ort der Diaspora sicher sein werden. Und zu dem Zeitpunkt ( der Beginn der zionistischen Bewegung im 19. Jhdt.) stand der Holocaust noch bevor.
Und was die "berechtigte Kritik" an der israelischen Regierung - was schlicht Teil der Demokratie ist - belangt: Selbst an der Stelle verhält sich das oft nicht anders.
Ich verlinke Dir mal ein paar interessante Artikel:
Ahmad Mansour: Beharren auf der Opferrolle
SHIMON STEIN und MOSHE ZIMMERMANN: Wann wird Israelkritik zum Antisemitismus?
Ahmad Mansour: Woher kommt diese Besessenheit in der Israelkritik?
Der "linke" Antesemitismus ist sicher nicht der selbe, wie der Rechte, was deren offensive Aggressivität angeht. Aber die Vorurteile sind zum Teil die selben.
Du sagst das, als ob das was schlimmes wäre. Davon abgesehen - ohne Anspruch auf Repräsenstativität - kenne ich durch aus auch Titanic Leserinnen. Und dass das Publikum überwiegend weiß, ist dürfte auf so ziemlich jede deutsche Publikation zutreffen.
Nein, aber es ist nicht ganz unwichtig: Man kocht da auch schon in seinem eigenen Saft, und weitgehend unbehelligt von außen. Und vieles, was in der Titanic so publiziert wurde, konnte man nur als weißer Mann witzig finden. Die "Neger-Schrubben-Gags" oder der Vorschlag Roberto Blanco sollte Bundespräsident werden "Warum nicht mal ein Neger?" z.B. waren sicher gegen die Bürgerlichen und nicht gegen Farbige gerichtet ( Außer gegen Roberto Blanco selbst vielleicht, schon weil der CSU-Mitglied war). Rassistisch waren sie dennoch. Und die Anwesenheit von nackten, meist jungen Frauen oder auch nur einzelner Körperteile waren auch nicht frei von einem selbstverständlichen Sexismus, dem man in der Titanic immer noch ganz unschuldig frönte.
Es gab nicht nur Titanic Leserinnen, sondern auch Autorinnen. Aber die waren in der Minderheit.
Zum Teil sicherlich. Sarah Bosetti hat das mal sehr treffend ausgedrückt mit:
"Wenn selbst Nazis nicht als Nazis bezeichnet werden wollen, heißt das nicht das selbst Nazis wissen das Nazis Scheiße sind?"
Auf der anderen Seite driftet das Ganze aber auch schnell mal ins Extreme, ja Absurde. Das ist dann wieder so ein Punkt wenn übers Ziel hinausgeschossen wird und mit den Begrifflichkeiten nicht sorgfältig umgegangen wird. Es ist in der Ganzen Debatte extrem wichtig, dass die Leute verstehen, warum etwas rassistisch ist.
Wer nicht versteht warum etwas diskriminierend ist, oder wenn man den Eindruck bekommt, dass derartige Vorwürfe instrumentalisiert werden (trifft genau so auf Sexismus oder Antisemistismus zu), dann werden die Leute ihr Verhalten auch nicht ändern.
Wenn zum Beispiel der Oscarverleihung (wie 2019 passiert) ein Rassismusproblem unterstellt wird, weil - vereinfacht gesagt - ein Film über einen Weißen gewinnt, dann wird die ganze Debatte ins Lächerliche gezogen.
Oder wenn Büchern die starke antirassisistische Statements enthalten plötzlich Rassismus vorgeworfen wird, weil sie hier und da mal mit Klischees spielen, dann ist das am Thema vorbei.
Es gibt natürlich genau eben jene "Immer-alles-richtig-Macher", die gerne auf andere Zeigen, wenn sie bei vermeintlichen "Regelverstößen" erwischt wurden und zeimlich offensichtlich mehr den Regelverstoß als die Sache an sich meinen.
Aber man kann sich die Menschen nicht aussuchen. Man muß keine gegen sich gerichtete Diskriminierung aushalten, aber man muß eine Diskussion aushalten können. Und in jeder gibt es so ein paar "Klassensprecher-Typen".
Als Beispiel sei auch mal die Frage "Woher kommst du?" genannt. Selbstverständlich kann das problematisch sein, wenn dadurch suggeriert werden soll, dass der gegenüber z.B kein "echter Deutscher" (was auch immer das sein soll) ist. Aber das macht die Frage noch nicht per se - anders als von manchen Kollumnisten manchmal kollportiert - rassisitisch. Es ist immer die Frage mit welcher Intention die Frage gestellt wird. Ist es echte Neugier (Interesse) an der Andersartigkeit des Gegenübers oder will ich ihn ob seiner Andersartigkeit abwerten in dem ich diese Frage stelle. Das Zauberwort heißt hier Differenzierung. Nicht immer einfach aber notwendig.
Frage mal einen Betroffenen. Die meistn, die ich kenne sehen das so differenziert. Aber irgendwann nervt es eben doch.
Und: "Andersartigkeit"? Genau in diesem Begriff steckt ein Problem, oder nicht?