Ich kann beide Sichtweisen verstehen:
Wer im Alter oder mit anderen Einschränkungen nach wie vor flott, steil und lang mithalten will und der Technik aufgeschlossen gegenübersteht, wird mit einem E-Rennrad häufig Spaß und Bestätigung finden.
Wer den Verfall seiner Kräfte und Möglichkeiten mehr oder weniger hin nimmt und seine Ansprüche daran anpasst, gegenüber "Elektromotorrädern" aber ganz grundsätzliche Vorbehalte hat und dafür seine Ideale verraten müsste, für den taugt sowas dann halt wenig.
So war es bei meinem Vater, der für Motoren an Fahrrädern bestenfalls ein Schmunzeln übrig hatte, meistens aber nur Verachtung. Gefahren ist er mit steigendem Alter dann halt weniger und kürzer, aber nicht unbedingt langsamer, wie ich einige Male mit Erstaunen oder auch mit Schrecken feststellen musste. Ein ausgesprochener Langstrecken-Rennfahrer war er aber sowieso nie; er mochte halt Fahrräder und ganz besonders klassische Rennräder. Gern auch mit spinnerten Umbauten, deshalb dachte ich ja, dass ein nachgerüsteter Motor für ihn interessant sein könnte, aber: pfffff!
Hier vor 5 Jahren, mit 82:
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Ganz besonders mochte er, als E-Bikes noch auf den ersten Blick erkennbar und meistens unhandliche MTBs waren: Langsam anschleichen, dann auf einem flachen Stück "natürlich grußlos" vorbeiziehen und hoffen, dass er vor der nächsten Steigung aus dem Sichtbereich verschwinden und irgendwo abbiegen kann.
Gefahren ist er halt weniger weit und langsamer, als es immer weniger gut ging. Mit dem altersbedingtem Abbau hatte er weitgehend seinen Frieden gemacht und schon 10 Jahre vorher gut auf den Punkt gebracht, wie sich das entwickeln wird.
Dazu meinte er gern: "Die Bäume werden halt immer kleiner, die ich ausreißen kann."
Gescheitert ist er letztendlich am Aufsteigen und Balancehalten, nicht so sehr am Fahren selbst.
Dabei spielte ein Künstliches Hüftgelenk in mehrfacher Hinsicht eine Rolle, aber auch Demenz.
Das gelbe Tourenrad wurde bis letztes Jahr immerhin noch regelmäßig, oft auch lange auf der Rolle gefahren, als er zu Fuß kaum noch 200 Meter geschafft hat und den Autoführerschein sowieso längst abgegeben hatte. Mittlerweile geht das auch nicht mehr und die Erinnerung ans Radfahren ist schon fast verschwunden.
Der gelbe Tourer steht nun bei mir, wird ab und zu wieder artgerecht bewegt und natürlich niemals einen Nachrüstmotor bekommen.
Sagen will ich damit:
Jeder ist anders, und das darf auch jeder sein.