AW: Kleine Übersetzungs-FAQ
Titel: Kleine Übersetzungs-FAQ
Version 0.4., Stand Mai 2010, dritte Überarbeitung.
0.) Anmerkungen: 2005 stand der Kauf eines neuen Rennrades an. Ich hatte mich bis dahin nicht en détail mit Rennradtechnik auseinander gesetzt. Die klassische Übersetzung kannte ich aus der Praxis, ebenso hatte ich bereits mehrfach Dreifach-Garnituren gesehen. Im Zuge der Recherchen in diesem Forum bin ich dann mehrfach über den Ausdruck „Kompakt“ gestolpert und brauchte einige Zeit, zu verstehen was es damit auf sich hat. Ich habe mich dann nach der Lektüre diverser Threads und ausführlicher Fütterung der verschiedenen Ritzelrechner für eine Kompaktkurbel mit 50-34 und 12-25 entschieden. Nach 2500 km bin ich dann zum Schluss gekommen, dass das für mein welliges und hügeliges voralpines Terrain doch nicht das Wahre war und habe mich deshalb ausführlich mit der Thematik der verschiedenen Übersetzungen beschäftigt.
Eine brauchbare Auflistung der Vor- und Nachteile sowie Eigenheiten und Einsatzspektren der verschiedenen Antriebsarten habe ich hier im Forum nicht gefunden, der User muss sich durch eine Vielzahl von Postings durchlesen, die Fakten mühsam zusammensuchen, abstrahieren, filtern und komprimieren. (Die Problematik, dass keine Anleitungen und Zusammenfassungen existieren, teilt dieses Forum jedoch mit der grossen Mehrheit aller Foren). Deshalb habe ich mich entschieden, eine Zusammenfassung zu schreiben, um diesem Missstand etwas abzuhelfen und dem Ratsuchenden Hilfestellung und eine Zusammenfassung zu geben.
0.1) Ziel/Absicht:
- Auflisten von Vor- und Nachteilen der jeweiligen Übersetzungsvarianten
- Gegenüberstellung der verschiedenen Möglichkeiten
- Diskussionsbasis
- Entscheidungshilfe für Kaufinteressenten
0.2) Bilder, Links und Darstellungen Ritzelrechner:
Da es zu viele Bilder, Darstellungen resp. Links zum Ritzelrechner erfordern würde um alle angesprochenen Übersetzungen darzustellen, habe ich darauf verzichtet. Der Leser wird aufgefordert, die Ritzelrechner selbst zu füttern
So kann er die jeweiligen Vor- und Nachteile selbst erkennen und nachvollziehen.
Ritzelrechner
0.3) Bei der Kettenschaltung sind folgende Punkte zu beachten:
- Ein Kettenblatt = ein Geschwindigkeitsbereich
- Geschwindigkeit bei welcher Blattwechsel erfolgt
- Bandbreite, Differenz zwischen grösstem und kleinstem Gang
- feine Abstufung der Gänge im schnell gefahrenen Bereich
- grobe Abstufung der Gänge im langsam gefahrenen Bereich
- Kettenschräglauf bei der am häufigsten gefahrenen Übersetzung
- Anzahl und Ort der Überschneidungen/doppelten resp. mehrfachen Gänge
- ein zu grosses KB lässt sich durch tiefe TF kurzfristig einfacher kompensieren als ein zu kleines KB durch eine hohe TF
- Zusammenspiel Kurbel und Kassette - Grundregel: Fein/Fein oder Grob/Grob
- das Gelände bestimmt die Abstufung: Flaches Gelände = fein Abstufung, hügeliges Gelände = grobe Abstufung
1.3) Kompakt, KK, Compact Drive CD:
Eine leidige Geschichte...
Kompakt bezeichnet den Lochkreis LK110. War bei den Lochkreisen LK130 und LK135 das 38er resp. 39er Kettenblatt das kleinstmögliche, ermöglicht der LK110 als kleinstes Kettenblatt ein 33er. Auch wenn bei Kompaktkurbeln Übersetzungen wie 50-34, 50-33, 50-36. 48-34 etc. gebräuchlich sind, ermöglicht dieser Lochkreis auch die klassischen 39-52/53.
Vorteile:
+ bietet die Möglichkeit, die Übersetzung relativ frei seinen Anforderungen anzupassen
+ das erste Mal hat der Fahrer die Möglichkeit, das Konzept der Kurbel mit zwei Kettenblättern an seinen Leistungsstand anzupassen und auf alte Zöpfe zu verzichten
+ ermöglicht, das Konzept "Ein Kettenblatt = Ein Geschwindigkeitbereich" auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen, z. B. 46-33 als "geschrumpfte klassische Kurbel"
+ in Zeiten von
Shimano/
SRAM 10fach und Campagnolo 11fach sind auch mit zwei Kettenblättern grosse Bandbreite und vernünftige Abstufung möglich
+ mit 11fach Campagnolo 12-27, 12-29 und 11-28 10fach
Shimano sind optimierte Kassetten erhältlich
+ Wer 3fach aus Gründen der Optik nicht mag, findet hier evtl. eine Alternative
+ ohne MTB-Kassetten, Kassettenbasteleien, MTB-Ritzel und MTB-Schaltwerke bereits bergtaugliche Übersetzungen möglich
+ mit MTB-Kassetten sehr bergtaugliche Lösungen möglich
+ kommt dem Hobbyfahrer entgegen, bedingt auch für schwächere Fahrer geeignet
+ guter Q-Faktor
+ relativ günstig bei Um-/Aufrüstung von klassischer Kurbel, da nur Kurbel und ggf. Tretlager getauscht werden müssen
+ gute Effizienz
+ 50-34 bietet (aufgrund der faktisch nicht vorhandenen Überschneidungen) eine ähnlich grosse Bandbreite wie dreifach
+ die Mehrfachschaltmöglichkeit bei Campagnolo entschärft den grossen Sprung vorne
+ breit gespreizte Kassetten wie 11-28 und 12-29 entschärfen den grossen Sprung vorne
+ angepasste Lösungen wie 48-34 12-29/13-29, 46-33 11-28/12-27, erlauben es mit kurzfristig tiefer TF und gross/gross ab ca. 15 km/h alles auf dem grossen KB zu fahren
+ Trittfrequenzvariable und einigermassen starke Fahrer können bis auf längere/steilere Anstiege alles auf dem grossen KB fahren
Nachteile
- Blattwechsel bei 50-34 genau im meist gefahrenen Geschwindigkeits-Bereich, daher viel Schaltarbeit nötig oder viel Kettenschräglauf wegen häufigem Klein-Klein, Gross-Gross
- durch die grosse Differenz von 16 Zähnen (50 minus 34) beim Blattwechsel Gegenschalten nötig
- das 34er Kettenblatt deckt einen kleineren Geschwindigkeitsbereich ab als 39er, Blattwechsel auf's grosse Blatt deshalb früher nötig
- 34er zu klein, 50er zu gross
- für Fahrer mit hoher Trittfrequenz 50er eher zu gross
- da mehrheitlich auf dem grossen Kettenblatt gefahren wird, sollte mit 50er Kettenblatt das drittgrösste Ritzel mindestens 21 Zähne haben
- mit dem 50er Kettenblatt wird mehrheitlich auf den grösseren Ritzeln (23-21-19-17) gefahren wo die Sprünge 2 oder 3 Zähne ausmachen, feine Abstufung erst bei höheren Tempi
- Wenig Anpassungsmöglichkeiten durch unterschiedliche Kassetten, fein gestufte Kassetten nicht sinnvoll fahrbar, wegen drittgrösstes Ritzel >= 21 Zähne
(eng gestufte Ritzelpakete verschlimmern die Problematik der fehlenden Überschneidungen und des Gegenschaltens. Da die beiden grössten Ritzel mit dem grossen Kettenblatt nicht gefahren werden sollten, bleibt als drittgrösstes ein 19er. 50-19 führt bei einer TF von ca. 90 zu einer Geschwindigkeit von ca. 32 km/h, während der Hobby- und Freizeitfahrer erfahrungsgemäss einen Durchschnitt von etwa 26 - 30 km/h erreicht)
- wegen grosser Differenz vorne weniger gut schaltbar als klassisch
- durch 34er Kettenblatt eher Schleifen der Kette am grossen Kettenblatt als bei klassisch
- wenige Überschneidungen, häufiges Gegenschalten
- Kettenblätter kleiner 50 teilweise schwierig zu bekommen und nur von Drittanbietern
- weniger dicke Gänge möglich, v.a. bei KB kleiner 50 Zähnen, für Rennen teilweise zu klein
Anwendungsbereich:
Die häufigste Kombination bei der Kompaktkurbel 50-34 mit der Kassette 12-25 ist ein fauler Kompromiss. Leider bieten die grossen Hersteller keine Kurbeln wie 46-33 an. Damit wäre kompakt eine sehr universelle und flexible Lösung für eine Vielzahl von Fahrern.
Verbesserungsmöglichkeiten Kompaktkurbel:
1. Das Grosse kleiner: 48-34, 46-34, 46-33, 46-36 etc. mit 12-29, 12-27, 13-29, 11-28, 12-27 etc,
+ Grosses Kettenblatt universeller nutzbar als 50er, deckt mit 'Bergkassette' alles ab ca. 20 km/h ab
+ grosses Kettenblatt harmonisch zu fahren
+ bessere Schaltqualität
+ mehr Überschneidungen
+ weniger Kettenschräglauf
- nicht standard, nur optional und umständlich, da Kurbeln meist nur in 50-34 verfügbar
- ausser bei Verwendung von Kassetten mit 11er Abschlussritzel (46-11 = 50:12, 48-11 = 52-12) Verzicht auf einen oder zwei grosse Gänge nötig
2. Das Kleine grösser: 50-36 mit z.B. 12-27.
+ 36-27 etwas leichter als 34-25.
+ 36er universeller als 34er
+ 36er harmonischer zu fahren als 34er
+ bessere Schaltqualität
+ mehr Überschneidungen
+ weniger Kettenschräglauf
- nicht standard, nur optional
- keine weitere Möglichkeit für leichtere Gänge, während bei 50-34 anstelle von 12-25 noch 12-27 möglich ist
Fazit: Die verschiedenen Möglichkeiten und Vorteile der Kompaktkurbel können nur durch konsequenten Verzicht auf einen oder zwei unnötig grosse Gänge (50-11, 48-11, 50-12) richtig genutzt werden. Der kleine Kant des Radfahrens: Habe Mut auf grosse Gänge zu verzichten - oder - zwei Kettenblätter sind immer ein Kompromiss und es ist besser in einem Punkt (dicke Gänge) Abstriche zu machen als in allen Punkten eine unglückliche Lösung zu haben
http://www.rennrad-news.de/forum/showthread.php?t=14021
http://www.rennrad-news.de/forum/showthread.php?t=24509
http://www.rennrad-news.de/forum/showthread.php?t=29577
P.S: Bin für Verbesserungsvorschläge, Präzisierungen, Anmerkungen, Kommentare und Kritik offen.