"Erstes 6-Stoppomaten-Brevet"
05.-07.08.2016, 664km, 6.550km, 43:11 brutto, 29:13 netto, Schnitt in Bewegung 22,7km/h
Mein erstes 6-Stoppomaten-Brevet ist Geschichte, und ich blicke zurück auf ein anstrengendes und erlebnisreiches Wochenende.
Neckartal und Odenwald
Punkt 18:30 freitags drücke ich auf Start an der Alten Brücke in Heidelberg. Flott gehts durchs Neckartal, der abziehenden Schlechtwetterfront hinterher, Abendsonne bescheint Berghänge und Sandsteinburgen. Schnell ist der Hirschhorn-Stoppomat erreicht. Eben noch im nervenden Feierabendverkehr unterwegs, einen Abzweig später in pittoresker Einsamkeit. Einzig meine gelegentlich leicht krampfende Wade irritiert mich etwas. Einen Grund hat sie doch nicht. Die Woche über bin ich nur locker gefahren und bisher konsquent im Eco-Mode.
Bevor es am nördlichen Ende des Odenwaldes so langsam wieder runter geht, erscheint der Feldberg im letzten Abendrot am Horizont - das nächste Ziel. Unten angekommen, setzt erstmal ein doch nicht zu ignorierender Schauer ein. War ja nach Wettervorhersage gar nicht vorgesehen. Ich beglückwünsche mich dazu, Regenjacke und Überschuh eingepackt zu haben. Beides werde ich im weiteren Verlauf der Tour noch sehr gut brauchen können.
Rhein-Main und Feldberg
Gegen 23:30 lege ich nach 112km meine erste größere Pause bei Burger King in Offenbach ein. Bislang liege ich sehr gut im Plan, sowohl was Tempo als auch Standzeit betrifft. Bei der Durchfahrt durch Frankfurt fange ich dann, an Zeit zu verbummeln. Die Strecke verläuft viel gradliniger als letztes Jahr, doch die grüne Welle ist hier selbst nachts nicht für Radfahrer gemacht. Bis zum Feldberg-Start in Oberursel verliere ich gut 20min gegenüber meinem anscheinend zu optimistischen Plan.
Auf der Stoppomat-Strecke staune ich über den nicht unbeträchtlichen Verkehr, den ich hier zu dieser Zeit, gegen 2:00 nicht erwartet hätte. Ab der Abzwiegung Sandplacken wirds schließlich doch einsam. Aber auch oben am Gipfel befinden sich 2 Autos mit Menschen. Während meiner 2-stündigen Schlafpause kommen noch 1-2 weitere vorbei. Ich frage mich im Halbschlaf, was die hier machen. Die fragen sich wahrscheinlich, warum einen Typ neben einem Rennrad im Eingang des Fernmeldeturms liegt. Konsequent schäle ich mich nach 2 Stunden bei 10°C aus dem Schlafsack, packe zusammen, ziehe als letzten Joker die Regenjacke und rolle im Morgengrauen vom Feldberg, ohne dabei zu erfrieren.
Rheinhessen und Göllheim-Stoppomat
Von vor Wiesbaden (letztes Jahr von
@luzie geplant) und dann durch fast ganz Rheinhessen gehts vorwiegend auf Rad- und Wirtschaftswegen, leider oft recht holprig. Einen Teil hatte ich nach den Eindrücken vom letzten Jahr schon auf Straße umgeplant, aber einiges ist immernoch an eher rustikalen Abschnitten dabei, die man überdenken könnte.
Hügelig gehts übers Land, etwa mehr auf als ab, wie mir scheint. Auch sehe ich verdammt viele drehende Windräder von hinten. Scheint überraschend weit nach Westen gegen den Wind zu gehen. Nach ganz schön langer Zeit ist der Göllheim-Start erreicht. Eigentlich eine sehr nette - und leichte - Strecke bei Tag. Letztes Jahr nachts hat sie mich mehr beeindruckt. Wenn man erstmalig hier fährt, wundert man sich über die längeren Flach- und Gefällestücke im oberen Teil. Auch ist das Zielhäuschen so blöd angeordnet, dass man eigentlich sein Rad hinschmeißen und einige Meter über Schotter laufen muss, um dann abzustempeln. Aber es ging von der Genehmigung her vermutlich nicht besser. Ich habs ja heute nicht so eilig.
Pfalz und Kalmit
Es ist langsam ordentlich warm. Der viele Trubel auf der Weinstraße nervt. Ich bin froh, als der Start vom Kalmit-Stoppo erreicht ist. Weiterhin hänge ich so ca. eine halbe Stunde hinter meinem Plan. Ich leg mich erstmal für 10min auf die Wiese hinter dem Starthäuschen. Nach gut 300km tun die Fusssohlen vom permanten Treten weh. Sonst bin ich in sehr guter Verfassung. Ich kann auch noch ganz gut mit einem etwas älteren, aber dafür frischeren und weniger bepackten Rennradkollegen mithalten. Oben gibts mal wieder was richtiges zu Essen. Leider ziehen inzwischen sehr dunkle Wolken auf, es hat nur noch 16°C und fängt an zu tröpfeln. Gerne hätte ich hier meine nassen Klamotten von letzter Nacht getrocknet. Wieder ne trockene Garnitur für die nächste Nacht wäre schon nett. Der Blick von oben auf den gegenüberliegenden Schwarzwald verheißt wieder Sonne.
Elsaß und Ortenau
Auf Scheibenhardt/Pfalz folgt nahtlos "Scheiben'ard"/Alsace. Im wieder frage ich mich, warum die Rheinebene eigentlich Rhein-EBENE heißt. Hügelchen um Hügelchen gehts hoch und runter. Der Schnitt klettert 23,13 ...,14, ...,15 und er fällt wieder ...,14, ...,13, usw., seit Stunden. Schließlich wird es doch noch eben - und ich stehe vor einer Autobahnauffahrt. Hier ging noch vor einigen Jahren eine für Fahrräder zulässige Strecke über die Staustufe Iffezheim. Aber jetzt und hier ist das unignorierbar eine Autobahn. Ich schlage mich über einen Feldweg mit großen Schlammlöchern parallel zur Autobahn zu einem Factory-Outlet durch. Hier sind Radwege aufgemalt. Folglich muss man hier auch mit dem Rad wieder wegkommen. Geht es auch - zum einige km nördlich verlaufenden Rad-Rheinübergang.
Okay, vergiss einfach den Zeitplan, genieß die Abendsonne. Auf tollen Nebenstrecken gehts durch die topfebene Ortenau. Um 20:40 habe ich in Renchen die Eingebung hier doch den Penny zu nutzen, statt auf den einige km weitergelegenen Rewe zu setzen. Tatsächlich ist der dann reichlich zu, noch nicht eröffnet, dauerhaft geschlossen, wie auch immer. Google-Maps weiß halt auch nicht immer alles richtig.
Nachts im Schwarzwald
Da steht er nun vor mir, nach 460km, der wohl härteste Stoppomat Deutschlands. Es geht von Anfang an sehr unmißverständlich steil bergauf, die Straßenschilder kündigen 18% an (mein Tacho speichert 12% als Max-Wert). Wie am Feldberg in der Nacht zuvor staune ich über noch mehr Verkehr. Teils im Minutentakt kommen Gruppen von Autos die schmale Straße hoch und runter gefahren. Es scheint eine sehr wichtige Verbindung zwischen Freudenstadt und Autobahn zu sein. Als problematisch empfinde ich es nicht. Die Autos können nicht schnell fahren und man sieht sich gut gegenseitig durch die Scheinwerferkegel.
Bis zum Schluss steil, aber schließlich ist gegen 23:30 das Ziel erreicht. Der Ausblick auf die Lichter in der Rheinebene toll. Der Sternenhimmel darüber phantastisch. Dafür reisen Leute in die entlegensten Winkel der Welt. So intensiv habe ich die Milchstraße seit Jahren nicht mehr gesehen.
Und jetzt? 12°C, noch kurz/kurz und nass - das Höhenprofil verheißt noch etwas Auf und Ab. Erstmal Ärmlinge an und weiter? Nach den ersten Abfahrtsmetern entscheide ich mich doch für das volle Programm an warmen und trockenen Klamotten. Auf der B500 ist nicht viel los. Das ist jetzt so eine Nachtfahrt, die sich einem ins Gedächtnis einbrennt.
Auf der langen Abfahrt ins Murgtal ist es jetzt doch mühsam, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Kurve um Kurve, leuchtender Pfosten um leuchtender Pfosten, Mittelstreifen und Mittelstreifen,... So langsam wäre wieder etwas Schlaf nicht verkehrt. Aber hier oben ist es kalt. Höhe abbauen, Höhe abbauen,... Eigentlich hatte ich noch das ganze Murgtal runter fahren wollen, zu Mc Donalds und dann unten 2h schlafen. Aber das kann ich mir momentan absolut nicht mehr vorstellen. Ich finde gegen 1:00 ein etwas abseits gelegenes schick eingerichtes Bushäuschen, breite Isomatte und Schlafsack aus und stelle den Wecker auf 3:05. Als er losdüdelt, wird mir klar, dass ich mich in ein taktisches Missgeschickt manövriert habe: Ich fröstel leicht im Schlafsack, habe nichts weiter als meine Regenjacke mehr zuzulegen und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, jetzt ungefähr eine Stunde vorwiegend bergab zu fahren. Ich schlafe weiter bis zum Morgengrauen. Da gehts dann besser mit dem Aufstehen.
Ab Nachhause durch den Kraichgau
Auf der menschenleeren Bundesstraße gehts vielleicht ne Stunde das Tal runter. Den wirklich wunderschönen alternativen Radweg schenke ich mir und laß es endlich mal wieder rollen. Bin ja schon verdammt lang unterwegs. Wird ein richtig schöner Sommertag heute. In 2 Umkleidepausen stelle ich um auf kurz/kurz.
In Ettlingen liegt, ich hatte davon geträumt, tatsächlich eine Filiale der Badischen Backstub an der Ecke. Auch in Frankreich habe ich noch keine besseren Croissants gegessen. Das Motto "Wir backen Sie glücklich" ist Programm.
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Tja, und dann hatte ich vor einigen Wochen ja noch die tolle Idee, die Strecke der landschaftlichen Schönheit wegen doch so ein bisschen mehr durch das "Land der tausend Hügel", den Kraichgau zu legen. Frühere Bedenken hatte ich beiseite gewischt. Sind ja nur 2 Zacken mehr im Höhenprofil.
In der Realität wird es dann doch so richtig Kraichgau. Nach dem Motto "Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen" nähere ich mich dem finalen Königstuhl. Diesen meinen Hausberg fahre ich schließlich in deutlich besserer Verfassung hoch als beim letztjährigen "5-Stoppomaten-Brevet". Es geht noch auf dem 39er- statt dem 30er-Blatt (was sicher vernünftiger wäre) und einem ambitionierten Trekkingradfahrer kann ich noch Paroli bieten.
Ab Nachhause. Die 40h für ein 600er-Brevet sind lange verstrichen, aber gut 600km hatte ich nach 40h dennoch im Sack. Meinen ersten 600er überhaupt kann ich also auch offiziell als geglückt bezeichnen.
Holper, holper, holper, ...hach die letzten paar hundert Meter Kopfsteinpflaster rund um die Alte Brücke sind nochmal richtig was für Genießer. Um 13:41Uhr und 664km drücke ich auf Stopp.
Hier noch der Link zu meinem Stoppomaten-Brevet-Ordner bei gpsies. Er enthält auch älter Varianten, wie z.B. das 5-Stoppomatenbrevet 2015:
http://www.gpsies.com/mapFolder.do?id=70465
Hier die Tracks, die ich 2016 gefahren bin:
http://www.gpsies.com/viewTracksOnl...ileId=ozxkuexngfblsbzq&isFullScreenLeave=true