AW: Rund um`s DIAMANT - Technik-Touren-Typen.
Na, der Zustand war zu schlecht, der Lack auch nicht original. Hier wäre auf jeden Fall eine fachgerechte Restaurierung angebracht.
Unter dem Lack mag sich Rost befinden, aber gewiß auch Reste des Originallackes. Diesen zu bewahren, ist die
fachgerechte Restaurierung, keinesfalls aber eine Neulackierung. Weiter dazu unten...
Der Verkäufer hätte sicher ein gutes Geschäft gemacht, denn 100 Euro für ein Fahrrad in schlechtem Zustand sind eine Menge Geld.
Du begehst hier eine starke Vereinfachung, eine solche Aussage ist für ein historisches Rennrad schlicht falsch. 100 Euro für ein Rad in schlechtem Zustand sind sicher viel Geld für eine Person, die sich bei der Einschätzung des Wertes auf den Gebrauchswert beschränkt und ein neues, lackglänzendes Citybike als Vergleich bemüht, nicht aber für den kundigen Sammler gleich welcher Marke, dem es bei der Taxierung auch auf die Seltenheit ankommt. Und wie selten ein Vorkriegs-Diamant mittlerweile ist, gleich in welchem Zustand, darüber müssen wir uns doch nicht streiten, denn wie wissen es beide.
Ich könnte Dir von Auktionen berichten, in denen Räder mit verbeulten Rahmenrohren horrende Preise erzielt haben, nur weil Sammler sie zu Gesicht bekamen, so ein Hetchins (ich glaube es war ein "Nulli Secundus") dessen Ober- und Unterrohr geknickt waren. Dennoch habenn sich die Sammler darum gebissen, es ging dann in die USA.
Ein anderes Beispiel: Mein 1963 Jack Taylor "Super Clubman": Sehr viel Flugrost und Farbkratzer, auf das Oberrohr hatte jemand himmelblaue Farbe mit der Dose gesprüht. Nur so und weil der Verkäufer sich zuerst gegen Verkauf außer Landes ausgesprochen hatte, konnte ich den Rahmen für günstige 150 Pfund in England kaufen... zuzüglich des Versandes. Hätten japanische Sammler Zugriff darauf gehabt, er wäre weit teurer weggegangen. Hätte der Verkäufer hier einfach nur ein kleines Foto eingestellt und geschrieben "old cycle from the 60s in need of a new paintjob", er hätte vielleicht nur einige Pfund dafür bekommen.
Das Jack Taylor werde ich natürlich nicht entlacken, sondern habe den Rahmen bereits aufwendig mit einer Rostneutralisierung behandelt, habe dabei auch die Originalaufkleber (keine Wasseraufschiebebilder, sondern Varnish-Transfers) erhalten können. Die blaue Dosenfarbe habe ich mit einer extrem langsam arbeitenden Abbeize entfernt, ohne die darunterliegende Originallackierung anzugreifen.
Und Wert hat sowas eben nur für Kenner.
Richtig, eben das war mein Anliegen, als ich den Verkäufer über den Wert in Kenntnis setzte.
Ich bezweifle stark, dass der Verkäufer Erstbesitzer des Rades ist und ich bezweifle weiterhin, dass er es käuflich erworben hat. Insofern ist jeder Preis ein guter Preis und kein Überntischziehen.
Was willst Du damit andeuten, etwa, daß er es "gefunden" hätte oder gar gestohlen? Und wäre es so (was ich niemals behaupten würde und ich hoffe, auch Du nicht, sondern hattest Dich allein "unscharf" ausgedrückt), wäre es dann richtig, es zu kaufen oder doch möglicherweise Hehlerei? Und hätte er es geerbt, dürfte man ihm das unwissend Ererbte einfach so abschwatzen, so wie man einem Buschmann Gold gegen Glasperlen abnimmt? Von welcher Moral wären beide Handlungsweisen, Hehlerei oder Übervorteilung eines Unwissenden, getragen?
Und jeder Preis soll ein guter Preis sein? Bei all meinem Sammeln kommt es mir darauf an, mir des Wertes der Dinge bewußt zu sein und habe ich ihn erkannt, bezahle ich ihn gern. Kann ich es mir nicht leisten, dann frage ich, ob der Verkäufer gegen eine Anzahlung bereit ist, zu warten. "Billig billig" macht mir keine Freunde. Nur, weil der andere nicht wußte, welchen Wert ein Sache besitzt, darf man sich moralisch noch lange nicht darauf ausruhen, daß das, was man ihm im besseren Wissen des wirklichen Wertes anbietet, "besser als nichts" wäre. Genauso wenig würde ich einer alten Frau, die mir die alte Oboe ihres verstorbenen Mannes zeigt, das Instrument für einen "Hunni" abluchsen. Diese Gelegenheit hätte ich kürzlich wirklich wahrnehmen können - ich tat es aber nicht. Und ja - ich hätte auch schlau argumentieren können "Da müssen die Polster ausgewechselt werden und die Mechanik nachgestellt...". Es ist nicht meine Absicht, mich als einen ethisch überlegenen Menschen darzustellen, der in den moralischen Erwägungen, die er macht, anderen überlegen ist, aber das Bewußtsein, mich zu den Schnäppchenjägern hinzuzählen zu können, würde merklich von meinem Wohlbefinden abziehen und mein Selbstwertgefühl deutllich beschädigen.
Wenn jemand so ein Rad in "brauchbarem" Zustand anbietet und nicht weiß, was es in Wirklichkeit ist, dann ist ein Hinweis vielleicht angebracht..
"Brauchbar?" Ein Rad, unter dessen Pinsellackierung gewiß noch Reste des Originallackes verborgen sind, ist in jedem Falle eine sehr brauchbare Basis für eine gewissenhafte Restauration.
Aber wenn sowieso eine fachgerechte Restaurierung ansteht, dann kostet die ein Vielfaches des Ankaufsbetrax, egal, ob dieser 50 oder 500 Euro beträgt.
Was der Käufer mit dem Rad macht, ist seine Sache und auch seine Kosten. Will er es vergolden, dann soll er für das Edelmetall bezahlen, aber seine Kosten verringern nicht den Wert des Rades, den es in den Händen eines gewissenhaften Erhalters hat. Soll der Verkäufer durch die Verringerung seines Erlöses für die, im konservatorischen Sinne falschen und substanzzerstörenden Aktivitäten seines Käufers bezahlen müssen?
Zu der Notwendigkeit einer Restauration und den damit entstehenden Kosten, die eventuell den Wert des Rades verringern würden, kann ich nur sagen: Der Wert des Rades bleibt erhalten, denn es ist allein die Sache des Käufers, was er damit tut und welchen Aufwand er treiben will.
Es gibt im Wesentlichen zwei Arten Sammler:
Da sind die "Neuwertig-Sammler", die alles in den Neuzustand versetzen wollen und dementsprechend immer neulackieren und genauso die entsprechenden Kosten haben. Sollen diese Kosten von dem abziehen, was der Käufer für das Rad bekommen soll?
Dann sind da die gewissenhaften Sammler, die unter musealen Gesichtspunkten ein Rad sehr zurückhaltend in den Originalzustand zurückversetzen wollen, dabei niemals neulackieren und sich darauf beschränken, später erfolgte Veränderungen an der Originalsubstanz zurückzunehmen. Rost beseitigen, wachsen - fertig.
Immerhin hätte die Chance bestanden, ein Exemplar für die Nachwelt zu retten. So ist dessen Zukunft ungewiss.
So besteht immerhin die Möglichkeit, daß es eine zurückhaltende Instandsetzung erfährt, wer auch immer es kauft. Es muß ja auch nicht in Deutschland bleiben, gerade in den USA und in Japan ist man wie verrückt nach Vorkriegs-Diamanträdern...