Ich fühl' mich irgendwie so wohl hier in diesem Thread, so gut aufgehoben sozusagen ...
Ich glaube, ich verstehe sehr gut, was Du meinst, und es ist mir dies auch ein sehr sympathischer Standpunkt, aber ich muss sagen, dass ich aus verschiedenen Gründen durchaus auch ein Faible für gut gedachte und gut gemachte, aber industriell in beliebigen Massen (und damit qua Definition "seelenlosen") Gegenstände habe - die Stichworte "Werkbund" und "Bauhaus" reichen hier vielleicht schon als Hinweise.
In Bezug auf Fahrräder denke ich dabei natürlich (neben Peugeot) nicht zuletzt an Bridgestone, die in den 1980er Jahren mit außerordentlicher Sorgfalt, mit sehr viel klug angewandtem Ingenieurwissen und jahrzehntelanger Fahrradbau-Kompetenz an der Entwicklung von weitgehend automatisiert gelöteten Rahmen gearbeitet haben - natürlich in erster Linie, um möglichst kostensparend in großen Stückzahlen produzieren zu können, aber tatsächlich auch (und das habe ich in Bezug auf "die Japaner" wirklich erst spät gelernt bzw. begriffen/akzeptiert), um die Qualität der Rahmen besser und verläßlicher zu machen, was ihnen letztllich gelungen ist.
Und mit dieser Haltung kann ich schon etwas anfangen, auch wenn sie meinetwegen seelenlose Massenprodukte hervorbringt - hier haben sowohl der Produzent, als auch die Konsumenten letztlich Vorteile davon, und das Produkt ist im Ergebnis zwar vielleicht "durchschnittlich", aber durchschnittlich eben auch verläßlicher und besser als viele mit traditioneller Handwerkskunst in Kleinserie hergestellte "seelenvolle" Produkte.
Das soll jetzt hier natürlich keinesfalls in ein "Italiener-Bashing" ausarten, aber ich glaube, man muss insgesamt doch eben auch sagen, dass gerade die einfacheren Serienrahmen von kleineren italienischen Marken häufig qualitativ minderwertig waren (... und damit meine ich mal gar nicht den Lack oder den Chrom ...
), einfach, weil da oft recht sorglos und "schnell-schnell" gearbeitet wurde, in vielen Fällen sicherlich auch eher "intuitiv" als fachlich kompetent (mir war das Thema bis zum vorigen Jahr gar nicht so recht bewußt, aber offenbar neigen auch an sich gute Rahmen namhafter italienischer Rahmenbauer oft zum Brechen, weil sie mit Messinglot, und daher dann oft auch mit zu hohen Temperaturen gelötet worden sind).
Und dann muss ich allerdings sagen: "Seele haben" ist natürlich immer schön
, und die "Aura" bestimmter historischer Marken/Fahrradmodelle begeistert mich selbstverständlich auch, aber wenn das im Ergebnis heißt, dass mir das Ding unter'm Hintern wegbricht, ist mir damit nicht geholfen, und ich nehme jederzeit lieber den japanischen Rahmen aus seelenloser Massenproduktion (ich baue gerade ein Bridgestone RS 1500 auf, dessen Kauf ich seinerzeit trotz eines günstigen Preises eher bereut habe, weil er so heruntergerockt aussieht - aber die Details wie z. B. die "übergeschlagenen" Strebenspitzen mit 'Bridgestone'-Prägung gefallen mir doch zusehends besser, und die Qualität der Verarbeitung ist bis ins Detail über jeden Zweifel erhaben) als den seelenvollen, aber leider technisch bzw. handwerklich schlecht gemachten italienischen Rahmen (was natürlich nicht heißt, und auch nicht heißen soll, dass alle italienischen Rahmen schlecht seien).
Eine andere Massenmarke, deren "historische" Fahrräder mir immer wieder gut gefallen, und die ich auf Grund ihrer sinnvollen Geometrie oft schon von weitem schön finde, bevor ich den Herstellernamen lesen kann, ist übrigens Giant - ja, genau, der größte Fahrradhersteller der Welt aus Taiwan, der quasi sozusagen als
der prototypische seelenlose Massenhersteller schlechthin gelten darf, da er sich ja auch früh (mindestens ab 1985) schon nicht gescheut hat, im Auftrag für andere Hersteller Rahmen und komplette Fahrräder herzustellen. Und trotzdem gefallen mir die alten Giants, und fallen mir heute im Alltag als "besonders" (und im Zweifelsfall auch als "besonders gut") auf.
Nach allem, was ich da bisher gesehen habe (und ich habe inzwischen zwei alte Giant-MTB-Rahmen von etwa 1993 in Gebrauch, schöne Geo und ungewöhnlich große Rahmenhöhe, was übrigens damals kein anderer Serienhersteller im Programm hatte ...), sind diese Rahmen mit besonderer Sorgfalt gelötet bzw. geschweißt, und auch die Lackierungen hatten eine hohe Qualität.
Insofern ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass (bisher) das einzige moderne (Carbon-)Rad, das mir gefällt, eben auch ein Giant ist - das gefällt mir richtig gut, obwohl ich ansonsten mit Carbon nichts anfangen kann (und will), nicht zuletzt auch vom Design her, bei dem ich im Zweifelsfall ebenfalls eher an "Bauhaus" als an "Kirmesbude" denke (das sind natürlich stark vergröbernde Schlagworte, aber ich denke, im Rahmen dieses Threads dürften sie verständlich sein) - da haben sich definitiv Leute etwas gedacht, und es ging dabei nicht nur äußerstmögliche Grellheit und das Auffallen um jeden Preis:
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(via
cyclingtips.com.au)
Und nein - ich würde mir dieses Rad auch dann nicht kaufen, wenn ich das Geld dafür übrig hätte ... Ich sehe das so ein bißchen wie "Porsche fahren": Die Erfahrung möchte ich durchaus mal machen (natürlich nur mit einem luftgekühlten Porsche ...
), meinetwegen auch ein paar Tage lang, aber besitzen und täglich fahren müßte ich so ein Ding dann doch nicht (selbst, wenn die Kosten keine Rolle spielen würden) - letztlich ist meine Sehnsucht nach den Eigenschaften, die daran speziell sind, dann doch nicht so groß, dass ich die "Begleiterscheinungen" (also vor allem die in vielen Belangen eingeschränkte Alltagstauglichkeit, und (zumal beim Porsche) die Abhängigkeit von einer entsprechenden Fachwerkstatt) in Kauf nehmen wollte.
Da habe ich dann mit einem "selbstgebastelten" und auf meine Bedürfnisse hin "individualisierten" Rad auf jeden Fall mehr Spaß (... ein Brooks-Ledersattel sähe wohl auf dem Giant Propel irgendwie komisch aus, vermute ich mal stark ...
).