SCHNell - bevor ihr zaheln müßt
Eben in der Zeit gefunden
Gravel Bikes : Mensch, entscheide dich!
Der große Trend des Fahrradsommers heißt Gravel Bike, ein unwürdiger Abkömmling des guten alten Rennrads. Es passt hervorragend in eine Welt des Wedernoch.
Von
Zacharias Zacharakis
16. Mai 2021, 13:00 Uhr
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Lust auf Gravel Bike? Wichtig ist, dass die Ästhetik stimmt. © Cavan Images/imago images
Das Leben stellt uns ja quasi minütlich vor Entscheidungen. Morgens die grauen Socken oder die schwarzen? Zum Frühstück lieber Toast oder Müsli? Es braucht den Willen zum Handkantenschlag im Leben, zum rechts oder links. Aber der Mensch will heute alles zugleich, und der Markt gibt es ihm, indem er die merkwürdigsten Mischwesen hervorbringt. Traurigstes Zeugnis der Entwicklung ist der Trend zum Gravel Bike, zum Rumpelfahrrad.
Ja, wirklich alles will es können, dieses Gefährt, das von Weitem aussieht wie ein Rennrad mit seiner typisch filigranen Rahmenform und dem nach unten gebogenen Lenker. Die Ästhetik aus über 150 Jahren Radrennsport muss schon sein, ganz wertefrei führt sich so ein Leben dann doch nicht. Aber tritt man näher heran an das Geröllbike, springen einem die plumpen Traktorreifen ins Auge. Ballonartige Gummigebilde, die es dem Fahrer erlauben sollen, wie es in den Werbeslogans dazu heißt, mal eben von der Landstraße auf den schlammigen Waldweg zu wechseln, wo erst das wahre Abenteuer beginnt.
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Toll, toll, toll, nur wozu braucht man dann die Aerodynamik eines Rennrads? Niemand kann auf einer Schlaglochpiste über Wiesen und Felder dauerhaft so schnell fahren, dass einem der Griff an die Unterseite des gebogenen Lenkers irgendetwas bringt. Wer schon mal 70, 80, 100 Kilometer mit hohem Tempo im
Sattel saß, weiß wie kräftesparend es ist, sich längere Passagen unter dem Gegenwind durch zu ducken. Aber wenn du bei zehn Stundenkilometern über Waldboden zuckeln willst, kauf dir doch einfach ein Mountainbike!
Superleichter Packesel
Richtig abstrus wird es, wenn sich die Leute für 3.000 Euro ein Vollcarbongestell zulegen und zur großen Bikepackingtour aufbrechen, begleitet durch Liveberichterstattung auf allen Social-Media-Kanälen. Da wird das Superleichtrad wie ein Packesel vollgeladen mit Taschen, Zelten und weiß der Teufel noch was. Kein Befestigungsort an Lenker,
Sattel und Rahmen wird ausgelassen, dass man Mitleid bekommt mit dem armen Gefährt darunter. Ein Hollandrad mit Gepäckträgertaschen kommt wohl genauso schnell ans Ziel.
Aber ums Ankommen geht es hier nicht! Es geht um alles, um mehr. Vielleicht noch einen Motor dazu, damit es sich müheloser strampelt? Gibt es doch längst. Ein dritter oder vierter
Reifen würden auch nicht schaden, dann lässt sich noch mehr Gepäck verstauen. Ein Dach gegen Schmuddelwetter, muss man sagen, hätte seine Berechtigung. Soundanlage, Navi, smarte Vernetzung fürs Handy, Klimaanlage, Sitzheizung – alles längst inklusive. In jedem Autohaus. Da heißt es dann nur SUV.
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Bilder von mir, Gerolstein, Freitag, 14 Mai.