"Also hier der Bericht vom dritten Tag:
Auf dem Zeltplatz lernte ich ein älteres Paar kennen. Sie waren mit E-Bikes unterwegs. Der Mann erzählte, es wäre ihre erste größere Tour mit den E-Bikes. Sie waren aber schon viel mit Rädern unterwegs. So haben sie Irland und auch Cuba umrundet. Wie cool!
Am Abend bin ich auch noch in die Stadtmitte von Bourbonne-les-Bains gefahren. Eine Stadt im Wandel. Viele Läden und ältere Hotels scheinen vor nicht all zu langer Zeit dicht gemacht zu haben (sahen auch ganz schön runtergerockt aus), dafür haben ein paar moderne Läden und auch Hotels aufgemacht und versuchen jetzt ihr Glück. Insgesamt aber eher auf dem absteigenden Ast die Stadt, so mein Eindruck. Ich war nämlich auch beim Supermarkt und da traf ich nur Alte und Leute, die sich für die Nacht noch mit Alkohol eindecken mussten, sahen fertig aus. Ich hab mir auch dann ein lokales Bier gekauft - sehr lecker: La Choue. Dieses habe ich an einem Brunnen bei besten Abendwetter getrunken und bin schließlich hungrig zum Restaurant gefahren (machte erst 19 Uhr auf). Typisch deutsch stand ich dann auch 19:00 vor der Tür
Bestellt habe ich mir ein Steak und eine Tarte als Nachtisch. Das Steak war mies, die Tarte super, also zusammen mittelmäßig, aber ich satt und befriedigt!
Zurück zum Zeltplatz und ab in die Koje. Die Nacht war deutlich wärmer als die letzte, was mir einen guten Schlaf bis morgens 8 Uhr bescherte. Also raus ausm Zelt. Links und rechts packten andere Leute schon fleißig ein, ich wollte mir aber Zeit lassen und den Tag entspannt angehen, denn die längste Etappe stand mir bevor. Also Cappuccino mit Pulver gemacht, dafür ist der 500ml Titan Becher perfekt in Kombination mit dem kleinen Gaskocher. Zu essen gab es diesmal das extra mitgebrachte Müsli aus der Tüte. Mit 300ml und off you go. Fuck, echt lecker!
Dann alles zusammengepackt und losgefahren.
Gleich zum Beginn gab es eine Abfahrt durch die Stadt, danach aber auch gleich der erste Anstieg. 34-36er Ritzel hat mich aber langsam und stetig mit einer cadence von 75-80 hochpedalieren lassen. Es folgten einige Kilometer auf der Straße, die Strecke heute sollte nicht so abwechslungsreich sein wie die am Vortag, aber das wusste ich von der Planung her schon. Ich fand aber keinen anderen Weg ohne einen zu großen Umweg machen zu müssen. Insgesamt waren es aber wenige Autos denen ich begegnet bin im Vergleich zu Deutschland und kein einziger LKW - sehr angenehm.
Im Verlauf waren einige Anstiege, die aber auch immer wieder mit tollen Ausblicken und geilen Abfahrten belohnt wurden. Zwischendrin verwerhte mir dann eine dicke blonde Bäuerin die Weiterfahrt auf ihrem Privatweg. Sie zeigte nur auf ein Schild, was ich ehrlich gesagt nicht lesen konnte, weil es noch knapp 100meter weg war, aber ihre Geste war eindeutig. Auch mein: "un Velo, suilement un person" half nichts. Wie im Film mit verschränkten Armen zwischen Brust und dicken Bauch eingeklemmt wies sie mich ab. Also entlang der Straße auf Teer weiter. Schade, denn der Weg wäre schön gewesen und hätte mich durch einen kleinen Wald und abseits der Autos geführt. Die Straße war aber auch wenig befahren, kein wesentlicher Umweg und somit nahm ich es sportlich.
Ein Aufstieg ein paar Kilometer später zwang mich dann aber das erste Mal auf der ganzen Tour auf der Straße aus dem
Sattel. Ganze 12% Steigung und ich war oben total platt. Das waren vielleicht nur 100-200 Meter so steil, aber die 4-9% davor und danach taten schon genug weh. Insgesamt machte ich 1019hm an diesem Tag. Oben angekommen machte ich eine kurze Pause und wunderte mich ob der vielen Menschen. Also nachgeschaut und was sehe ich: einen sonntäglichen Dorfflohmarkt! Nice! Kam wie gerufen für die Pause. Also drauf gelaufen und gleich rechts fiel mir was ins Auge: ein Cockpit ....mit STIs ... Tiagra 4700 ..
... Hatte ich doch erst am Vorabend drüber gegoogelt ... Also hin, durchgeklickt, funktioniert alles, ein Jagwire Zugeinsteller ist auch noch dran. Also zum Verkäufer hin und gefragt was er dafür haben will...10€!!!!! Hab ich natürlich sofort gesagt: NEHME ICH! Also Kohle rausgeholt und FUCK! .... Hab nur noch 6€!
... Hatte vergessen in Bourbonne-les-Bains Geld nachzuladen ... Der Verkäufer bermekte natürlich sofort meine Tragödie und gab mir das Cockpit für 6€!!! Wtf! Damit hat er mir eine riesen Freude gemacht und ich glaube, dass hat er mir angesehen. Mit Hand, Fuß und rudimentärem Französisch erklärte ich ihm dann, dass die STI für jenes Fahrrad sind, dass ich gerade fahre, damit ich vorne eine Lenkertasche montieren kann. Und ja,
Shimano sagt, dass die 4700 nicht mit den anderen 10fach Systemen kompatibel sind, aber Erfahrungsberichte im Netz sagen was anderes. Und selbst wenn, kosten mich Umwerfer und Schaltwerk zusammen neu nur 50€! Also Cockpit hinten draufgeschnallt und mit vielen Endorphinen und einem fetten Grinsen im Gesicht weitergestrampelt. Beim nächsten Anstieg wurde ich dann von einer Horde von Alpine Rennwagen überholt. Diese schienen einem offiziellen Treffen anzugehören, kamen aus Frankreich, Schweiz, Belgien und Deutschland und fuhren alle einem Mini Cooper mit der Aufschrift "Staff" hinterher. Etwas absurd die ganzen Sportwagen hinter einem Mini.
Ich bog dann zum Glück ab, bevor noch mehr Sportwagen an mir vorbeifuhren und ab da sollte ich so gut wie kein Auto mehr sehen. Die letzten Kilometer gingen teilweise auf dem Jakobsweg weiter, geile Abfahrten, sowohl geteert, wie auch Offroad, schöne Anstiege, Sonne, eine leichte Brise, immer wieder Weide- und Wildtiere. Bei einem Anstieg am Ende der Tour musste ich absteigen. Der Weg war so grob, dass ich aus dem
Sattel musste, aber trotz Gepäck hinten und 36er Ritzel nicht mehr genug grip bekam. Also ein kurzes Stück hochgeschoben und dann weitergeradelt. In der Ferne sah ich dann den Hof und stürzte mich voller Elan in die letzte Abfahrt um mit viel Schwung auf dem Hof einzureiten. Also schön die steinige Piste runtergedonnert und auf einmal PENG! Es schleift massiv am Hinterrad. Angehalten und die Arschrackete hängt runter.
Es waren keine 500meter mehr zum Ziel!
Also einfach die Gurte noch ein Stück fester gezogen, so dass es nicht mehr schleift, den letzten Anstieg genommen und oben freundlichst mit Zielbanner empfangen!
81km, 4h Fahrt und 1019hm. Ich war stolz, glücklich, zufrieden aber auch müde.
Es hat auf jeden Fall mega Spaß gemacht, die Landschaft hier ist so unfassbar schön und perfekt fürs Bikepacking und Graveln. Wechselndes terrain, wechselnde Landschaft, immer wieder hoch und runter.
Und zur Arschrackete: die Schrauben vom Halter hatten sich losgerüttelt. Festgezogen. Ging alles wieder.
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