Ich bin immer wieder erstaunt, wie man den Leuten erzählen kann, dass man von schnell trainieren nicht schneller würde, mit langsamen Fahrten aber sehr wohl…
Ich will gar nicht bestreiten, dass es einen gewissen Typus an Sportlern gibt, die von mehrheitlich ausgiebigen Grundlagenfahrten profitieren. Das sind a) Sportler, die extrem lange Distanzen zu absolvieren haben. Also Brevetfahrer oder Leute, die sich 8-10 Stunden in Radmarathons über die Berge quälen. Die Frage ist allerdings, wie viele es von denen überhaupt gibt? Oder b) sehr unsportliche Anfänger (vor allem wenn auch noch eher dem älteren Semester zugehörig), die sich erst einmal generell an sportliche Belastungen gewöhnen müssen.
Für das Gros der Hobbysportler sind 80-90 % Grundlage schlichtweg unsinnig und das aus den folgenden Gründen:
1)
Der Vergleich zu den Profis zieht nicht. Ja, bei den Profis wird im Training viel Grundlage gefahren. Wobei auch das etwas ins Wanken gerät und verstärkt kürzer, aber intensiver trainiert wird. Insbesondere das ja doch sehr erfolgreiche Team Sky praktiziert verstärkt ein HIT-Training.
Vor allem aber wird verkannt, dass Profis auch zwischen 50 und 100 Tage im Jahr Rennen fahren, wo mit Grundlage dann nicht mehr viel ist. Damit kommt auch ein Profi niemals auf 80-90 Prozent Grundlagenfahrten. Ich bezweifle auch sehr, dass der gewöhnliche Freizeitsportler auch nur im Ansatz auf diese Renntage kommt. Die allermeisten werden nicht mal 1/10 davon schaffen.
2)
Profis verdienen ihr Geld mit dem Sport. Sie haben damit auch die Zeit täglich zu trainieren. Sie dürfen auch nicht übermüdet in Rennen gehen. Sie dürfen sich im Training also auch nicht zu sehr verausgaben, da das schlichtweg zu viel Regeneration beanspruchen würde.
Ein Freizeitsportler hat doch ganz andere Voraussetzungen. Wer berufstätig ist und ein soziales Leben mit Familie, Partner und Freunden hat, der kommt automatisch auf seine Ruhetage. Dieser Sportler hat eher das Problem überhaupt auf Trainingstage zu kommen. Für ihn gibt es keinen Grund aus Regenerationsgründen auf zu harte Einheiten zu verzichten.
Auch wird bei den ganzen Grundlagenempfehlungen nie die Zielsetzung hinterfragt. Wenn man mal die ambitionierten Amateure (eher Halbprofis) wegnimmt, geht es dem normalen Sportler doch gar nicht darum irgendwelche aberwitzigen Distanzen zu bestreiten. Da mag es einen mehrstündigen Radmarathon in den Alpen als Jahreshöhepunkt geben. Aber grundsätzlich geht es einfach darum etwas für die allgemeine Fitness zu tun. Hierfür sind allerdings vor allem kurze und intensive Belastungen unerlässlich. Auch möchte nicht jeder auf einen Körperbau à la Chris Froome hinarbeiten und es werden deshalb parallel auch andere Sportarten ausgeübt. Das Ziel ein ausgemergelter Kletterer zu werden, haben doch die Wenigsten.
Häufig wird betont, dass ausgiebige Grundlagenfahrten der Fettverbrennung dienten. Fett wird jedoch bei intensiven Fahrten absolut noch viel mehr verbrannt (wenn auch der relative Anteil der Fettverbrennung mit zunehmender Intensität sinkt, wird es absolut mehr). Als Rechtfertigung wird dann herangezogen, dass man vor allem mit nüchternen Morgenfahrten den Fettstoffwechsel besser trainiert als mit intensiven Einheiten, für die man logischerweise schnelle Energie braucht. Vielleicht ist das so, das möchte ich nicht beurteilen. Die Frage ist allerdings, wem das tatsächlich etwas bringt. Fakt ist nämlich, dass der Fettstoffwechsel auch bei schnelleren Fahrten trainiert wird. Der gewöhnliche Freizeitsportler hat wohl auch kein Problem damit, wenn er bei seinen seltenen jährlichen Höhepunkten, die mal etwas länger gehen, mal ein paar Riegel mehr isst. Das ist wiederum ein eher hypothetischer Vorteil, der wiederum nur für Extremsportler überhaupt von Relevanz ist. Dafür aber bringt man Menschen in Gefahr und schickt sie unverantwortlich ohne Nahrung auf Tour.
Vergessen wird auch, dass man vor allem mit Training an der Schwelle diese nach oben verschiebt. Mit einer höheren Schwelle kann automatisch auf längeren Touren auch eine bestimmte Leistung mit niedrigerem Puls und damit dauerhaft gefahren werden.
Auch wird häufig so getan, als ob intensives Training kein “Ausdauertraining” sei. Das ist doch schwachsinnig. Wer 1-2 Stunden richtig ballert, hat selbstverständlich Ausdauertraining gemacht.
Außerdem geht es auch stets darum, ein Training effektiv zu gestalten. Wenn ich nach dem Feierabend eben nur eine gute Stunde habe, dann bringt es reichlich wenig in GA1-Geschwindigkeit durch die Gegend zu gondeln. Es kann aber sehr viel bringen, mich in dieser Stunde so richtig auszupowern. Der Körper wird nur nach neuen Trainingsreizen besser, sonst stagniert er. Muskulatur baut man irgendwann auch keine mehr auf, wenn man immer beim gleichen Gewicht bleibt. (beim BB)
Ich muss lachen, wenn etwa einer molligen Freundin empfohlen wird, im Fitnessstudio mit Puls 120 20 Minuten Cardio zu machen. Das kann man gleich lassen, davon wird man weder wirklich schlank (vor allem wenn das als Berechtigung dient, mehr zu essen) noch in irgendeiner Art und Weise fit. Aber man traut sich da natürlich nicht den Kunden klarzumachen, dass wer etwas erreichen möchte, sich schon auch “quälen” muss.
Ich persönlich habe immer nach Lust und Laune trainiert. Da ich im Schwarzwald wohne, heißt das ausschließlich Berge. Ich benutze dabei zwar nie einen Pulsmesser, weil ich lieber nach Gefühl fahre, aber mit GA1 hatte das vermutlich nie besonders viel zu tun. Eher mit 0,75-2h Vollgas an und über der Schwelle (oder eben meistens ein bisschen darunter, weil man sich nicht jedes Mal ganz so quälen will) mit aufgrund des Streckenprofils natürlichen Intervallen. Hin und wieder auch mal längere Touren (3h+), diese dann natürlich nicht ganz so schnell und als Genusstouren und Höhepunkt dann eben Ganztagestouren in den Alpen. Ich hatte mit meinem Training nie Probleme mit der Länge (vielleicht musste ich ja tatsächlich ein paar Riegel mehr essen und wäre in einem mehrstündigen Rennen ein paar Minuten langsamer, aber wen juckts). Ich bin mir vor allem sicher, dass ich meiner allgemeinen Fitness mit intensiven Fahrten viel mehr gebe. Ich komme im Schnitt vielleicht auf 150 Stunden Radsport (und generell Ausdauersport, denn sonst mach ich keinen) im Jahr, die verplempere ich nicht mit Grundlagenfahrten. Ich drücke momentan über 10 Minuten 331 Watt, über 50 Minuten auf 284 Watt. Dürften auf eine Stunde rund 280 Watt sein. Und diese Werte sind an einem Berg genommen und nicht irgendwie über 20 Minuten am Ergometer und extrapoliert mit dem Faktor * 0,95 genommen, denn das sind Träume, das schafft man nicht. Oder irgendwelche Stufentests, die zwar (wenn unter ähnlichen Bedingungen durchgeführt) untereinander vergleichbar sind, aber mit der Leistung über eine Stunde relativ wenig zu tun haben. Das alles bei einer Körpergröße von 1,82 und einem Ruhepuls von 38. Ich glaube gerne, dass die richtig guten Jungs hier, die das nicht nur als Hobby begreifen, sondern auch regelmäßig Rennen fahren, da noch deutlich mehr schaffen. Nur werden die auch auf den vierfachen Jahresaufwand kommen.
Deshalb: Wer sein Leben nicht komplett auf den Radsport ausrichten möchte, der ist mit kurz und schnell deutlich effizienter. Auch hier machen längere und langsamere Einheiten Sinn, um auch mal für lange Distanzen zu üben, das Verhältnis ist aber ein ganz anderes. Vorwiegend langsame mit nur eingestreuten schnellen Einheiten sollten jenen Sportlern mit zu viel Zeit und sehr spezifischen und sehr ausdauernden Zielsetzungen vorenthalten bleiben.