Einen knappen Monat nach Eröffnung dieses Threads kann ich nun berichten, dass ich mein Vorhaben teilweise umgesetzt habe. Ich habe mich für meinen ersten Selbstaufbau (mit Unterstützung eines Freundes) entschieden. Ich nenne das Projekt
Aktivkohle. ;-)
Rahmen
Ein Cyclocross Disc Carbon-Rahmen von ICAN (Details dazu habe ich
hier und
hier beschrieben). Wiegt etwa 1500 Gramm, hat mich mit Zoll und allem ca. 650 EUR gekostet und ist dafür aus meiner Sicht vernünftig verarbeitet. Nur das
Schaltauge war etwas verzogen, konnte aber gerichtet werden.
Ich wollte ursprünglich gerne Steckacksen, nun habe ich aber doch Schnellspanner, weil der Hersteller noch keinen Rahmen mit Steckachsen im Angebot hatte, als ich bestellt habe. Ein anderer chinesischer Hersteller (Miracle), der angeblich einen Disc-Steckachsen-Rahmen im Sortiment hat, wollte mir jedoch keine E-Mail-Anfragen beantworten und war somit ausgeschieden.
Für die Wahl der Rahmengröße habe ich mich - unbekümmert und optimistisch - nach Anleitung des
Fit Calculator von Competitive Cyclist vermessen und mir meine Größenempfehlung (nach "Competitive Fit") ausspucken lassen. Die Werte für mich (179 cm, Schrittlänge 83 cm) haben, wenn ich mich richtig erinnere, bezogen auf meinen Rahmen etwas zwischen 53er und 55er Größe ergeben. Ich habe mich nach vielen Empfehlungen in ähnlichen Diskussionen hier für die kleinere 53er Größe entschieden. Als Referenz habe ich auch an meinem aktuellen Rennrad herumgemessen und so die Entfernung
Sattel-Lenker etc. abgeglichen, um in etwa festzustellen, dass das hinkommen müsste.
Warum habe ich mich für einen Rahmen von einem OEM-Hersteller aus China entschieden? Zum einen, weil ich nach Überschlagrechnung keine 1500 und auch keine 1000 EUR für den Rahmen ausgeben konnte. Zweitens, weil ICAN keine kleine Klitsche zu sein scheint. Drittens, weil ich die leise Vermutung habe, dass sich diese Noname-Produkte in Sachen Qualität nicht hinter den Mittelklasse-Carbonteilen, die die Massen-Hersteller anbieten, verstecken müssen. Und viertens hat auch die Überlegung eine Rolle gespielt, dass ich es vielleicht gar nicht übers Herz bringen würde, einen teureren Rahmen dem bösen Gelände mit Sand und Steinschlag auszusetzen.
Laufräder Straße
Ich wollte es auch auf dem Asphalt etwas breiter haben und mit der Felge
Reifen bis 28 mm Breite fahren können. Der Rahmen hätte natürlich auch Platz für noch mehr geboten. Die
Felgen sollten allerdings nicht zu schwer werden.
Felgen: Ryde Pulse Comp 28-Loch, 15c, 25mm hoch, 2015er Auslaufmodell
Naben:
DT Swiss 350 Centerlock. Vorn mit Achs-Adapter für die Schnellspanner-Achse.
Speichen: Sapim Laser
Nippel: Sapim Polyax Alu
Vom Light-Wolf so wie oben beschrieben für 549 EUR.
Bei den Schnellspannern habe ich mich für die Schraubteile von
DT Swiss entschieden, weil ich das Handling unschlagbar finde und die bombenfest sitzen. Bremsscheiben von
SRAM und Adapter von Centerlock auf 6-Loch sind auch noch dazu gekommen. (Ja, ohne Adapter hätte mir besser gefallen, aber ich wollte unbedingt
SRAM Scheiben, fragt mich nicht warum, und die Naben gab es nur mit Centerlock.)
Dazu
Continental Grand Prix 4000 SII in der 25er Version, mit
Schlauch. Die fahre ich im Moment mit vorne 5, hinten 6 bar.
Einen Cross-Laufradsatz habe ich noch nicht.
Bremsen
Wegen einer Gebraucht-Gelegenheit habe ich bei
SRAM Red Griffen und
Bremsen zugegriffen. Ich wollte in jedem Fall hydraulische Scheibenbremsen, und die DoubleTap Ergonomie finde ich auch ganz clever.
Kurbel, Schaltung
Bei dem Kauf der
Bremsen gabs auch noch ein
SRAM Force 1 Schaltwerk und eine
SRAM Kassette 11-32 dazu. (Was ich zu dem Zeitpunkt nicht verstanden hatte: Das ist für 1x11 gedacht.) Ich habe dazu eine Force 22 Kurbel mit 50/34 Kettenblättern und einen
SRAM Red Yaw Umwerfer besorgt. Damit, so die Idee, habe ich sowohl für Cross, als auch für die Berge hier in der Gegend und anderswo (sowohl rauf als auch runter) mehr als reichlich Bandbreite.
Ich hätte als großes Kettenblatt auch etwas unter 50 genommen, aber das scheint es für diese Kurbel nicht zu geben. Okay. Aber die Kombi 50-11 werde ich sicher nicht häufig schalten.
Achtung, nicht Nachmachen: das Schaltwerk harmoniert offenbar nicht mit einer Zweifachkurbel. Oder zumindest nicht mit dieser Kettenblatt-Abstufung. Bei der aktuellen Kettenlänge, vorne großes Blatt, muss ich hinten nicht mal auf das größte Ritzel schalten, und die obere Führungsrolle verliert den Kontakt zur Kette und damit ihre Funktion. Ich hatte die Kette auch schon zwei Glieder länger, dabei war sie dann merklich zu lang. Außerdem läuft die Kette hakelig im Schaltwerk, wenn ich vorne auf große Blatt geschaltet habe, während auf dem kleinen alles wunderbar ruhig läuft. Ich verwende übrigens eine Ultegra-Kette, weil in einem Test in Tour 4/2014 die
SRAM-Kette nicht gut abgeschnitten hat, die Ultegra CN 6800 dafür sehr gut.
Trostpflaster: Man kann trotzdem fahren. Die größten Ritzel aber nur mit dem kleinen Blatt und die kleinsten nur mit dem großen Blatt. Das ist natürlich keine Dauerlösung und ich werde mir wohl das Force 22 Schaltwerk mit dem langen Käfig zulegen.
Sattelstütze und Sattel
Im Moment steckt die Alustütze von meinem Mountainbike mit 2,5 cm Setback im Rahmen, weil ich damit erst mal ausprobieren wollte, wie mir der Rahmen passt. Darauf klemmt ein Fizik Antares (glaube ich), den ich gebraucht bekommen habe und der mit ganz gut zu passen scheint. Er ist wunderbar leicht und passt optisch auch noch gut.
Vorbau und Lenker
Der Vorbau ist, wie die Sattelstütze, erst mal ein Provisorium, diesmal aus dem Fundus des Freundes. Zusammen mit der Sattelstütze habe ich ingesamt ein recht gutes Gefühl auf dem Rad, musste allerdings dafür den
Sattel auf den Schienen schon fast maximal nach vorne montieren, so dass der Setback eigentlich vollständig negiert wird. Ich kann mich noch nicht ganz entscheiden, ob ich mir also eine Stütze ohne Setback, oder doch lieber einen etwas kürzeren Vorbau (z. B. 8 statt 10 cm) montieren soll.
Der Lenker ist ein Fizik Cyrano "Snake" Alulenker und hat mit 14 cm recht viel Drop. Das war vorher auf meinem Stahlrenner mit ziemlich langem Steuerrohr schon nicht ganz ideal. Hier aber ist mir das schon mehr als ein bisschen zu tief und ich bin auf der Suche nach einer Alternative mit weniger Drop. Nach dem "Spine-Konzept" von Fizik bin wohl ich auch eher Chamäleon als Snake. Will heißen: ich bin eher mäßig flexibel.
Und wie fährt es sich - als Rennrad?
Wie geschrieben, habe ich bisher nur einen Straßen-Laufradsatz. Und ich bin erst ca. 45 km gefahren. Und ich bin von meinem Mitte-Neunziger-Stahlrennrad und dem Alu-MTB-Fully nicht gerade verwöhnt. Aber...
Diese Stabilität, diese Ruhe und gleichzeitig dieser neue Komfort - wohl maßgeblich durch den größeren Reifenquerschnitt, und dazu dieses schnelle Ansprechen auf Beschleunigung, ist eine Freude. Ich bin schon sehr gespannt auf die härteren Anstiege hier in meiner Gegend und was meine Strava-Daten dazu sagen. Und auf Abfahrten, denn hier habe ich in der Gruppe mit anderen schon gemerkt, dass meine Wohlfühlgrenze auf dem Stahlrad doch erheblich niedriger liegt, als die anderer Fahrer mit meist sehr viel moderneren Rädern.
Danke fürs Zuhören und für die Tipps und Entscheidungshilfen!
Marian