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Kleine Pfingstanekdote zum Radfahren

Cologne-Racer

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Kleine Pfingstanekdote zum Radfahren


Auszug aus dem Spiegel:


Wonniges Dahingleiten, geschwind wie ein Pfeil

Die Deutschen steigen wieder aufs Rad. Die einen radeln, weil es Muskeln macht, andere strampeln sich für eine gesündere Umwelt ab, mancher will nur Sprit sparen. Ob als Trimmgerät oder für den Nahverkehr - nie waren Fahrräder in der Bundesrepublik seit den Nachkriegsjahren so gefragt wie jetzt.

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In der Zeit sind die Radler allemal voraus. Fünf Lebensjahre mehr, zumindest statistisch gesehen, gibt der amerikanische Mediziner Paul White den Leuten, die tüchtig die Pedale treten -- geringere Anfälligkeit für Schlagfluß und Herzinfarkt, höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionskrankheiten.

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"Lästige Stiefkinder der Autogesellschaft" (ein ADFC-Papier) sind sie, denen der Staat nicht einmal die steuernmindernde Kilometer-Pauschale gönnt. "Wie Wanzen an der Wand der Verkehrswege", alliteriert Fahrrad-Otto vom Umweltbundesamt über die Situation der Underdogs auf den Rohrrahmen.

Da kämpft schon wieder "ein Volk ohne Raum", so das Fachblatt "Radmarkt", ums nackte Überleben. Im Schummer ihrer -- allein zulässigen -- Drei-Watt-Funzeln betrachtet, haben die Radfahrer wohl wirklich alles und jeden gegen sich: von Deutschlands Hauswirten -- die Räder in Fluren und Kellern meist ungern sehen -bis zur deutschen Reichsgaragenordnung, die Einstellplätze für Kraftfahrzeuge vorschreibt, Parkmöglichkeiten für Zweiräder dagegen nicht. Ja, sogar in den Beziehungen der Radfahrer zur deutschen Sprache herrscht ein gespanntes Verhältnis.

So führte Fachautor Lessing im "Umweltmagazin bbu-aktuell" Klage darüber, daß "im Deutschen der Wortschatz ums Fahrrad herum ... weitgehend emotional besetzt" sei. Neben diskreditierenden Metaphern wie "Drahtesel" oder "strampeln", den "Assoziationen" für eine "scheinbar sinnlose, unkoordinierte Bewegung", grämt Lessing insbesondere "die Krönung der Negativattribute", nämlich die "Zweideutigkeit", die den Begriffen "Radfahren" und "Radfahrer" im Deutschen innewohnt -- nach oben buckeln, nach unten treten. Lessing empfiehlt, doch künftig besser vom "Fahrrad und seinen Fahrern" zu sprechen oder -- am besten -- die Wörter "Velofahren" und "Velofahrer" aus dem Schweizerischen zu übernehmen. Weshalb es mit dem Fahrrad und seinen Fahrern soweit gekommen ist, erklärt sich beispielsweise Wohnungsbauminister Haack mit dem "Handikap des Fahrrades, daß es vor dem Kraftfahrzeug und lange vor dem Entstehen des modernen Umwelt- und Energiebewußtseins erfunden und benutzt wurde". Aber es könnte auch am "Arme-Leute-Image" liegen, "das dem Fahrrad noch immer anhaftet" (Sozialwissenschaftler Höppner).

1906, als es noch eine Meldepflicht für Radfahrer, die "Radfahrerkarte", gab sowie "Velocipedprüfungen" und als der Gendarm an der Ecke "übermäßig schnelles Fahren" ebenso streng mit Strafmandaten ahndete, wie er ein Auge auf die "roten Husaren" vom sozialdemokratischen "Arbeiter-Radfahrer-Bund Solidarität" warf, war über die Hälfte der deutschen Fahrräder in Arbeiterhand. Konkurrenzlos billiges Transportmittel in den Pütt, in Fabriken, Kontore und Schrebergärten blieb das Fahrrad über ein halbes Jahrhundert lang.

Zu Rade, in Radfahrer-Kompanien, fuhren die Deutschen ins Feld, im Ersten Weltkrieg und auch noch im Zweiten. Danach schwärmten sie auf vielfach geflickten Pneus aus zum Kartoffelstoppeln, auf Kohlenklau und zum Hamstern. Daher kommt es womöglich, daß beim Radfahren oft ein Beigeschmack von Rübenfusel und Magermilchsuppe nachwirkt.

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In Sicherheit wiegen darf sich der Radler nicht einmal auf seinem eigenen Terrain, den Radfahrwegen -- das oft genug sowieso unpassierbar ist, weil mit geparkten Autos oder mit Mülltonnen vollgestellt. Den Blick abwärts, ständig auf der Hut vor Scherben von der letzten Karambolage oder zersplitterten Flaschen, droht ihm gleichzeitig von links dauernd Gefahr durch unversehens sich öffnende Schläge haltender oder parkender Wagen.

Hoffnungen, aussteigende Auto-Beifahrer mit der Klingel warnend auf sich aufmerksam zu machen, wären Illusion. Im Straßenlärm hört kaum jemand deren spiddeliges Geklimper. Lautstärkere sogenannte Radlaufklingeln, die es früher mal gab, gehören aber in der Bundesrepublik ebensowenig zum zugelassenen Fahrrad-Zubehör wie schrille Flöten, mit denen sich die Radler auf New Yorks Fifth Avenue ihre "Bike-Lane" freitrillern -- oder das wenigstens versuchen. Ganz dicke kommt es, wenn die Radwege enden, meist abrupt und dann oft genug auch noch an Orten erhöhter Gefahr wie Straßenengpässen.

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Fachleute wie Lessing raten Neulingen im Stadtverkehr denn auch dringend an, sich grundsätzlich "so zu verhalten, als ob die Autofahrer einen nicht sehen könnten". Will er das befolgen, braucht der Radler allerdings wohl mehr als nur den siebten Sinn. Aus der "Änderung im Auspuffgeräusch" des vorausfahrenden Autos soll er zum Beispiel heraushören, ob der Fahrer stoppen oder seine Fahrtrichtung ändern will. "Kleinste Veränderungen in der Winkelstellung des Vorderrades" eines Überholers lassen sich vom Radfahrer dahingehend deuten, daß ihm gleich der Weg abgeschnitten oder die Vorfahrt genommen wird. Wenn bei einem Auto, das auf eine Kreuzung zufährt, "der Kühler vorne tiefer geht", kann der Radler Mut fassen, denn der Wagen bremst. Aber: "Kommt er wieder hoch, hat der Fahrer beschlossen weiterzufahren

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der Artikel ist übrigens aus 1980...so wirklich viel verändert hat sich die letzten 43 Jahre also nicht...


Ganzer Artikel hier:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14331570.html


Weitehrin gute Fahrt!
 
Kleine Pfingstanekdote zum Radfahren
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der Artikel ist übrigens aus 1980...so wirklich viel verändert hat sich die letzten 43 Jahre also nicht...


Ganzer Artikel hier:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14331570.html


Weitehrin gute Fahrt!


Jetzt zweifle ich allerdings an meinem eigenen Alter, wenn doch so schnell 43 Jahre vergehen können:D
Rente ist nicht mehr weit.

Ansonsten ist für die Radler wirklich alles beim Alten geblibeblieben
 
Na gut, verbuchen wir das mal unter Dichterische Freiheit.
 
"Wenn bei einem Auto, das auf eine Kreuzung zufährt, "der Kühler vorne tiefer geht", kann der Radler Mut fassen, denn der Wagen bremst. Aber: "Kommt er wieder hoch, hat der Fahrer beschlossen weiterzufahren"

Ja das war mal 1980 so, aber die neuzeitlichen Premiumtrendmobile habe so flache Schlurren und so harte Fahrwerke wie früher nur reinrassige Sportwagen. Da ist nix mehr mit Kühler hoch und runter :D
 
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