AW: Riccardo Ricco auch
Quelle: n-tv
Donnerstag, 17. Juli 2008
Dritter Doping-Fall
"Radsport richtet sich selbst"
Die Tour de France ist schon wieder zur "Tour de Farce" mutiert. Mit Riccardo Ricco ist nun der dritte Doping-Fall aufgeflogen. Die guten Nachrichten: Es ist den Ärzten erstmals gelungen, ein als sicher geltendes Blutdoping-Präparat nachzuweisen. Die schlechten: Es wird nicht der letzte Fall sein.
Die Emder Zeitung konstatiert, dass es mit Riccardo Ricco aus dem italienischen Rennstall "einen recht prominenten Bergspezialisten erwischt" hätte. Das Blatt aus dem Norden fragt: "Wer ist der Nächste?" Aber noch mehr Fragen würden sich bei der "Tour de Farce" aufdrängen, wie zum Beispiel: "Was hat das Ganze noch mit Sport zu tun? Wir lassen 150 Radler eine ganz schwierige, fast unmenschliche Strecke fahren und am Ende gewinnt der, dem die Experten nichts nachweisen können? Wer manipuliert, der betrügt. Und weil es im Radsport auch um viel Geld geht, gehören Betrüger nach den bestehenden Gesetzen bestraft. Die Riccos und wie sie alle heißen, leisten 'ihrem' Sport, dem die meisten ungedopt frönen, überdies einen Bärendienst. Die Tour de France droht so etwas zu werden wie die Sechstagerennen. Da nerven bei bierseliger Stimmung zunehmend jene, die stundenlang mit dem Fahrrad im Kreise fahren."
Die Badische Zeitung kann dem Doping-Fall etwas "Erfreuliches" abgewinnen, denn "es (ist) französischen Ärzten offenbar gelungen …, eine Nachweismethode für ein neues EPO-Präparat aufzutun, das wohl noch immer von vielen Radlern in ihre Blutbahnen gespritzt wird." Ricco sei schon im vergangenen Jahr "mit geradezu skurrilen Hormonwerten aufgefallen". Die Zeitung aus Freiburg ist der Meinung, dass er entweder dumm sein müsse oder sich seiner Sache sehr sicher gewesen sei. "Das lässt vermuten, dass mit ihm auch noch andere Doper im Fahrerfeld präsent sind. Und dass sich nach Riccos Enttarnung gleich sein ganzes Team auf den Heimweg machte, mag auch ein Indiz dafür sein, dass man dort weitere Kontrollen scheute. Der Radsport, keine Frage, richtet sich mit diesen dunklen Praktiken selbst."
Auch die Westdeutsche Zeitung scheut vor der Vermutung nicht zurück, dass "auf den Etappen der nächsten Tage … auch weiterhin Sünder (fahren), die noch unerkannt sind. Etwas anderes anzunehmen, wäre naiv." Das Blatt aus Düsseldorf erinnert aber auch daran, dass nicht alle gedopt sind, denn "an ihrem Hinterrad mühen sich zweifellos auch 'Kollegen', die das ad absurdum geführte Motto der neuen, sauberen Tour verinnerlicht haben. Der Radsport der vergangenen Jahre war derart verseucht und von einer eigenen Sicht der Dinge geprägt, dass der Mechanismus zu dopen erst einmal besiegt werden will. Dass selbst zehn Jahre nach dem Festina-Skandal, bei dem Radprofis erstmals im großen Stil aufflogen, noch immer Fahrer mit Epo erwischt werden, ist dafür nur noch Beweis."
Es herrsche, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung, "unter den Profis … immer noch die Überzeugung vor, dass Spitzenleistungen ohne Doping nicht möglich sind." Deshalb würden die Radfahrer auf die Suche nach Mitteln gehen, "die mit den üblichen Tests nicht nachweisbar sind. Die Teamchefs verhalten sich so, als wüssten sie nichts davon. Und der Veranstalter bemüht sich, ein paar von ihnen zu erwischen, damit die Herren vom Fernsehen an ein System der Selbstreinigung glauben." Nun werde allerdings gezittert, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung. "Denn ein als sicher geltendes Blutdoping-Präparat hat sich als nachweisbar herausgestellt. Wer es genommen hat, wird bis zur Ziel-Ankunft der Tour keine Nacht mehr ruhig schlafen. Oder schon vorher positiv auffallen. Ein weiterer Einzelfall also? Die Überlebenskünstler des Radsports werden den jüngsten Fall beharrlich so nennen."
Zusammengestellt von Julia Kreutziger