Interessante Argumentation hier.
Man kann wohl beide Perspektiven verstehen. Wer es selbst machen kann, wundert sich über den Preis, weil er kaum Aufwand sieht. Dass das
Werkzeug aber Geld kostet, man den Antrieb (in diesem Fall wäre noch die verschmutzte Kurbel und die Kettenröllchen übrig) reinigt und vielleicht noch das Fett der neuen Kassette entfernt und hochwertiges Kettenöl aufträgt, wird gar nicht in Betracht gezogen.
Man sollte mal den ganzen Kontext betrachten. Ein Fahrradladen kann niemals mit den Onlinepreisen konkurrieren, weil die großen Onliner tausende Kassetten ordern, während selbst größere Radläden sich nicht mehr als 10-50 Kassetten je Modell aufs Lager legen. Natürlich sind die Einkaufskonditionen da ganz andere. Hinzu kommt, dass die hier erwähnte 11-fach Kassette mittlerweile online natürlich noch mehr verramscht wird, weil sie nicht mehr die aktuellste ist. Dass die Lager der Onliner eh überfüllt sind, sollte auch bekannt sein. Wenn der Radladen die vor zwei Jahren noch teuer einkaufen musste, soll er jetzt einfach drauflegen?
Hinzu kommen die Personalkosten. Rennradfahrer sind laut Statistiken die Performer – Gut- bis Topverdiener. Im Ladladen arbeiten dagegen meist Radenthusiasten, die ihre Arbeit gerne tun, aber grade mal am oder leicht über dem Existenzminimum kratzen. Übrigens ist es als Unternehmer auch nicht gerade leicht, Personal zu finden. Das liegt zu einem großen Teil eben am geringen Verdienst. Da ist es m.E. dreist zu erwarten, dass man im Radladen den Onlinepreis + 20€ für eine Ketten- und Kassettenwechsel zahlt. Wer so denkt, hat bald keine Anlaufstelle mehr und darf alles selbst machen.
Es ist schon witzig, was man im Radladen manchmal erlebt und mit welcher Erwartungshaltung manche Kunden kommen. Nicht selten werden zwei Räder beim Onliner bestellt, wenn aber was nicht funktioniert, steht man beim örtlichen Händler und beschwert sich, wenn man nicht sofort einen Termin bekommt und etwas 10€ mehr kostet als erwartet. Dass der Radladen mit solchen Reparaturen aber kaum etwas verdient, kommt den wenigsten in den Sinn. Reparaturen tragen sich selten, wichtig(er) ist der Verkauf von Rädern. Das gehört zur Mischkalkulation, ebenso wie Kunden, die sich 2 Stunden beraten lassen und fünf Räder probefahren, nachher aber woanders kaufen. Das ist halt so und man muss das als guter Kaufmann mit einrechnen. Wer als Kaufmann jeden Schwachsinnspreis mitgeht, ist kein guter Kaufmann, sondern schnell pleite.
Ich finde es immer wichtig, offen zu reden und sich in die gegenüberliegende Perspektive zu versetzen. Radläden wollen niemanden abzocken, sondern weiter existieren und Gewinne erzielen. Das schließt aber nicht aus, dass man guten Kunden Rabatte gewährt. Aber die gute Arbeit sollte eben auch gewürdigt werden.