Wie sähe denn eine systematische Erhebung von Informationen über Unfälle und Folgen aus? Und ab welcher Klasse werden die registriert?
Beim Vordermann aufgehängt, Linie verlassen, zu spät vor der Kurve gebremst, Kurve falsch eingeschätzt, Plattfuß, Kettenklemmer, absprungene Kette, Materialversagen.
Bin sehr dafür bei Technik und Material hinzuschauen, besonders bei Übersetzung und
Reifen/Felgensystem (Anders Drege z. B.).
Bin auch sehr dafür die Fahrer häufiger an ihrer Selbstverantwortung zu erinnern, siehe Massensturz mit van Aert.
Aber alles aufnehmen plus Folgen halte ich für unmöglich.
Bei Profirennen könnte man aufgrund des überschaubaren Pelotons problemlos fast jeden Sturz dokumentieren. Sinnvoll wäre die Erfassung von Stürzen, die zu Aufgaben im Rennen führen und solchen, die Behandlungen durch den Rennarzt erfordern, z.B. durch Fragenbogen an die Sturzopfer mit der Verpflichtung, die ausgefüllt zurückzugeben. Verletzungsbedingte Ausfälle einschließlich der Angaben zu den Verletzungen werden schon heute z.B. durch PCS erfasst
https://www.procyclingstats.com/statistics/start/latest-injuries
Die Erfassung dient bisher aber nicht dem Risikomanagement, sondern sportlichen und wirtschaftlichen Zwecken. Eine Anreicherung um weitere Infos zur Risikoanalyse wäre aber ohne weiteres denkbar.
Es gab aber vor ~25 Jahren oder so schon mal eine Studie, die die Unfallhäufigkeit im Profiradsport der Männer analysiert. Habe die Quelle nicht mehr im Zugriff (müsste ich erst nochmal suchen), aber wenn ich mich recht erinnere, war eine der Kernaussagen damals, dass Profis im Durchschnitt alle 14 Monate so schwer stürzen, dass sie Trainingsausfall haben. Man könnte diese Studie aktualisieren, um Veränderungen des Unfallrisikos zu erfassen und mit ergänzenden Fragebögen die Ursachen erforschen. Auch könnte man versuchen, die Daten der langfristig im Profizirkus tätigen Teams zu analysieren, um zu schauen, wie sich das Unfallrisiko im Zeitablauf verändert hat, ob sich die Schwere der Verletzungen geändert hat und wo ggf. Crash auftraten.
Wenn man es richtig "fancy" machen will, könnte man bei einzelnen Rennen die Räder im Profipeloton mit Beschleunigungs- und GPS-Sensoren ausstatten und auf der Basis KI-Modelle zu trainieren, die Crashs vorhersagen. Könnte ich mir als sehr Lehrreich vorstellen.
Im Amateursport ist die Erfassung der Unfallrisiken und ihrer Folgen natürlich schwieriger. Hier könnten aber ggf. die Daten der Sportversicherung eine Basis für tiefere Analysen liefern. Vor über 20 Jahren hat sich das damalige Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst in NRW schon mal die Daten der Sportversicherung vorgenommen und kam u.a. zu dem Ergebnis, dass Radsport relativ zur Zahl der Sporttreibenden in Vereinen das zweitgrößte Risiko aufweist, tödlich zu verunglücken, hinter Luftsport und VOR Motorsport! Selbst für Jedermannrennen hat es schon Unfallforschung gegeben. Im Rahmen der Cyclassics in Hamburg wurden mal Daten zu den in einem der dortigen Unfallkrankhäuser behandelten Sportler erhoben. Eines der Ergebnisse war damals, soweit ich mich erinnere, dass Sportler, die erstmals an den Cyclassics teilnahmen, bei den Unfallopfern deutlich überrepräsentiert waren (ist aber auch schon eine Weile her).
Die Hypothese, dass unerfahrene Sportler zum Unfallgeschehen maßgeblich beitragen, gibt es auch im Profiradsport immer mal wieder. Eine empirische Überprüfung sollte nicht so schwer sein.
Man sieht also, dass es durchaus schon Analyse-Ansätze gegeben hat (wahrscheinlich auch noch viele weitere, die ich nicht kenne), auf die man für weitere Analysen aufsetzen könnte.