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Sind historisch korrekte Aufbauten wirklich so häufig und langweilig?

...die wirklich interessanten Räder tauchen aber gar nicht in einem Katalog auf, bzw. wurden als Rahmen ausgeliefert und auf Kundenwunsch bestückt.
Oder haben z.B. Herse und Singer auf Zweiradmessen Prospekte fertig konfektionierter Räder verteilt?

Durchaus, Herse hatte für jedes Jahrzehnt einen ziemlich detaillierten Katalog. Wobei es gar nicht unbedingt notwendig ist, weil z.B. für jedes einzelne Singer noch die Unterlagen mit den Ausstattungsdetails im Pariser Laden vorhanden sind. So konnte ich mit einem ziemlich verbastelten 1974er Singer zum Laden gehen und genau feststellen, wie es ursprünglich aussah um es wieder genauso herzurichten. (Dummerweise ist dann der Rahmen beim Lackierer geklaut worden).
Ich habe auch seit zehn Jahren einen Herse Rahmen, den ich nur deshalb nicht wieder aufgebaut habe (obwohl genug prinzipiell passende Teile vorhanden wären) weil ich ums verrecken nicht herausbekomme, wie das Ding ursprünglich ausgestattet war und "widersprüchliche" Anlötteile es nicht erlauben einen eindeutigen Einsatzzweck (Sportif oder Randonneuse) festzustellen, so dass ich warten muss bis ein gleichartiges, originales irgendwo auftaucht.
Ob da jetzt eine Herse oder Stronglight Kurbel drankommt, eine Huret Success oder Jubilee ist sogar egal, weil es beides gab, aber was für ein Radtyp das ursprünglich war, wovon abhängt ob und was für ein vorderer Gepäckträger daran gehört und welche Art von Licht, das ist mir sehr wichtig.
 

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Re: Sind historisch korrekte Aufbauten wirklich so häufig und langweilig?
Historisch-kritische Aufbauten sind ja schön und gut, wenn es sich um Räder mit historischem oder persönlichem Wert handelt. Aber wenn da in irgendwelche zusammengestoppelten Trainingsräder eine "Historie" reininterpretiert wird, finde ich es eher lächerlich. Was geht es mich an, wenn sich vor 20 Jahren der Erstbesitzer keine ordentliche Ausstattung mehr leisten konnte, weil er alles für den Rahmen verbraten hat? Oder aus dem teuer bezahlten Topmodell dann eine Stadtgurke wurde, weil der Besitzer bald mal das Interesse verlor. So oder ähnlich war es in vielen Fällen, und ich sehe nicht was da erhaltenswert dran wäre.
Mich wundert ja schon ein bißchen, dass man sich offenkundig für alte/historische Fahrräder interessieren kann, und zwar durchaus in ihrer Rolle als "historische Zeugnisse" (denn sonst wäre ja der Katalogzustand irrelevant, und man könnte z. B. einfach ein schönes Fixie draus machen ...), aber nicht für ihre tatsächliche konkrete eigene Geschichte - das ist für mich letztlich eine a-historische Sichtweise, denn gerade, wenn - wie Du schreibst - viele Leute diese Fahrräder nachträglich verändert haben, dann sagt das ja z. B. auch, dass der "Ursprungsentwurf" offenbar seine Schwächen hatte, da er den Bedürfnissen der Käufer/Nutzer nicht gerecht geworden ist (in gewisser Weise gilt das sicherlich auch für perfekt erhaltene, da ungefahrene, seinerzeitige "Zahnarzträder", die offenbar nicht einmal als Statussymbole so recht funktioniert haben, denn sonst wären sie ja mehr gefahren worden - den Porsche hat man ja auch nicht nur, um ihn in der Garage zu verstecken, sondern doch eher, um damit z. B. die hiesige Leopoldstraße auf und ab zu fahren ...), insofern haben diese Änderungen dann eben durchaus etwas mit dem Katalogzustand zu tun, nur eben in einer vom Hersteller nicht vorhergesehenen bzw. nicht intendierten Weise ...

Insofern könnte man Deine Frage "Was geht es mich an [...] So oder ähnlich war es in vielen Fällen, und ich sehe nicht was da erhaltenswert dran wäre." mit gleicher Berechtigung auch anders herum stellen - warum sollte man überhaupt ein industrielles Produkt restaurieren bzw. auf den Katalogzustand zurückbauen, wenn es offenbar in genau dieser Ausführung nicht funktioniert hat, bzw. den Bedürfnissen seiner ursprünglichen Nutzer letztlich nicht entsprochen hat ? Das kommt mir nun wieder eher seltsam vor ...

Dieses Zurückführen auf einen (oft nur vermeintlichen, da historisch vielfach so gar nicht realisierten) Katalogzustand ist daher für mich oft eher ein Versuch, sich die Geschichte eines - in der Regel positiv interpretierten - Gegenstandes idealtypisch zurechtzubasteln, so, wie man sie gerne haben würde, nicht, wie sie wirklich war. Das ist natürlich wiederum nicht "verboten", oder auch nicht von vornherein unbedingt abzulehnen, aber es hat eben mit der vergangenen Wirklichkeit oft nur wenig zu tun.

Und es erinnert mich so ein bißchen an die Art und Weise, wie das 19. Jahrhundert mit der Vergangenheit umgegangen ist - zwar wurden ab etwa 1800 geschichtliche "Altertümer" überhaupt erst wieder wertgeschätzt und deswegen vor der Vernichtung gerettet, aber andererseits ging man dann relativ bald dazu über, die erhaltenen originalen Zeitzeugnisse im Sinne einer zeitgenössischen Idealvorstellung zu "korrigieren" und zu "verbessern", in dem man die "Fehler" der Baumeister der Vergangenheit beseitigte und bei den Bauwerken immer nach der "idealen Romanik" und der "idealen Gotik" strebte, auch, wenn das hieß, die unzweifelhaft originale Bausubstanz zu zerstören und zu entfernen. Alles, was später dazu gekommen war, musste natürlich sowieso weichen, auch, wenn es über Jahrhunderte hinweg den tatsächlichen erlebbaren Zustand dargestellt hatte - barocke Ausstattungen in gotischen Kirchen gingen gar nicht, also wurde vielfach aller "barocke Kram" herausgerissen, und eine "perfekte" Gotik hingestellt (bei der man heute sofort "...ah, das ist aus dem 19. Jahrhundert - schade eigentlich ..." denkt), oder es blieb eben kahl. In jedem Fall wurde damit ein Zustand erreicht, der weder dem (in der Regel im Detail nicht bekannten) gotischen, noch irgend einem späteren historischen Zustand entsprach - übrig blieb das, was man im 19. Jahrhundert schön und richtig fand, aber eben auch nur genau das, und das ist aus heutiger Sicht in der Regel nicht so sonderlich spannend ...

Heute sehen wir so etwas doch zu Recht eher kritisch (z. B. auch, dass der werte Herr Schliemann bedenkenlos und völlig undokumentiert sieben historische Bauzustände von Troja zerstörte, um an das "einzig wahre" und "ursprüngliche" Troja zu gelangen, und natürlich auch, um den Schatz des Priamos zu finden ...) und gehen mit den Dingen zum Glück inzwischen anders um, gerade auch in Bezug auf die früher (und dieses "früher" ist noch gar nicht so lange her - die Alltagsgeschichte wird erst seit wenigen Jahrzehnten in der akademischen Zunft ernst genommen, dokumentiert und beforscht ...) verachteten und ignorierten Alltagsgegenstände, zumal die aus Massenproduktion, die eine Bedeutung (wenn überhaupt) wirklich alleine durch ihre Nutzungsgeschichte und die entsprechenden konkreten Spuren am Objekt bekommen. Ansonsten - ohne den eigentlichen historischen Bezugsrahmen - ist es halt irgendwelches "alte Zeug", das nur zu dekorativen Zwecken taugt, aber - egal in welchem Zustand, ob nun verbraucht/verrostet oder "auf Neuwert" restauriert - keinerlei relevante historische Aussage zuläßt, außer: O. k., so etwas hat es also (auch) mal irgendwann und irgendwo gegeben.

Und das ist nun nicht bloß meine individuelle Meinung, wie die inzwischen geradezu radikal verwandelte Auffassung in Bezug auf die Patina bei alten Autos und Motorrädern zeigt (ich treibe mich seit 1987 in der "motorisierten" Oldtimer-Szene herum) - inzwischen übertreffen unrestaurierte Fahrzeuge mit sichtbaren Alterungs- und Gebrauchsspuren bei den Auktionsergebnissen die auf Hochglanz und "Besser-als-neu"-Zustand restaurierten Fahrzeuge deutlich, eben gerade weil da in den vergangenen Jahrzehnten so viel totrestauriert worden ist und die Oldtimerszene vielfach von hochglänzenden Vehikeln dominiert wird, die nur eben leider wenig historische Ausstrahlung haben (... und ja, das bemerken/begreifen durchaus auch Laien, die der entsprechenden Szene fernstehen). Den unrestaurierten bzw. nicht "verbesserten" originalen Erhaltungszustand gibt es halt nur einmal ...

Ich glaube, dass es wirklich so ist, dass letztlich (und langfristig) nur die tatsächliche, also die erlebte und "erfahrene" Geschichte interessant ist - wenn man die ignoriert, erzeugt man halt eigene Interpretationen (selbst, wenn man sich genau an einen bekannten Katalogzustand hält), und damit "Kunstobjekte" (in jeder Hinsicht), die zwar durchaus ihren eigenen Wert haben können, aber doch nur eine relativ begrenzte historische Aussage tragen, nämlich die, wie wir uns aus heutiger Sicht die damalige Vergangenheit vorstellen (oder wie wir sie eben gerne hätten), und ob diese spezielle Aussage jemanden in z. B. 50 Jahren noch interessieren wird, möchte ich mal eher bezweifeln - ganz im Gegensatz zum original erhaltenen "echt alten" Objekt ...

Diese Bemerkungen sollen aber selbstverständlich niemanden daran hindern, mit seinen Fahrrädern grundsätzlich nach Belieben umzugehen - ich tue das auch, allerdings in der Regel eher nur bei Rädern, bei denen sich die Frage nach einer Rekonstruktion des Katalogzustandes einfach nicht (mehr) stellt.
 
...sobald mir ein Rad gehört, hört die Geschichte eines Rades ja nicht auf, sondern ich schreibe sie weiter... Und da muß jeder selbst entscheiden, wie er das macht. Der eine will den ursprünglichen Zustand wiederherstellen und stellt damit die "Geschichtsschreibung" quasi ein (was ich nicht zwingend langweilig finde), andere wollen die Geschichte des Rades selber weiterschreiben und bringen eigene Ideen und Stilmittel ein; entscheiden auch selber, wie "historisch korrekt" das für sie sein muß. Für mich ist alles ok, was wirklich im eigenen Interesse des aktuellen Besitzers ist, ihm Freude macht und nicht nur einem eisdielenkompatiblen Trend geschuldet ist...

Bei mir persönlich ist die Geschichtsschreibung von Rad zu Rad unterschiedlich: ich habe ein Somec Air, was ich sehr gerne in den Katalogzustand versetzen würde; die dazu erforderliche komplette SuperRecord ist aber finanziell (momentan) nicht drin... bei anderen Rädern stören mich Abweichungen vom Originalzustand überhaupt nicht oder andere Aspekte (z.B. wie grün etwas ist) sind wesentlich wichtiger....
 
...
Ich habe auch seit zehn Jahren einen Herse Rahmen, den ich nur deshalb nicht wieder aufgebaut habe (obwohl genug prinzipiell passende Teile vorhanden wären) weil ich ums verrecken nicht herausbekomme, wie das Ding ursprünglich ausgestattet . ...
..., aber was für ein Radtyp das ursprünglich war, wovon abhängt ob und was für ein vorderer Gepäckträger daran gehört und welche Art von Licht, das ist mir sehr wichtig.

Aus genau diesem Grund habe ich einen ganzen Fundus von Rahmen und Teilen eingelagert:
Was gehört wozu ? Was "darf" wo montiert werden ? Wie war das "ursprünglich" ?
Mit tiefen Stirnfalten habe ich mir tagelang diese Fragen gestellt - bis ich merkte, wie bescheuert das ist:
Die Alternative ist, das Material weiter im Keller verstauben zu lassen, nur weil irgendwelche Kataloge vergangener Tage
als Dogma vor mir liegen. Womöglich bis an mein Lebensende.
Was für ein Unfug !

Der "historisch korrekte" Aufbau kümmert mich jetzt überhaupt nicht mehr, was ich als eher "befreiend" wahrnehme. :)
Anwendungsbereich und gewünschte Sitzposition haben Priorität.
Und seit das so ist, fahre ich viel, viel mehr und denke weniger nach über diese Unwichtigkeiten.
Nur bei meinem alten Gazelle A-frame gab es eine Ausnahme:
Das Ding ist einigermaßen "korrekt" aufgebaut, weil der "Respekt" vor diesem Rahmen zu groß war. :D
 
Benutzbarkeit ist das Stichwort. Wenn es für mich nicht fahrbar ist, nützt es nichts.
Das besondere Interesse an dem, was ein Konstruktuer/Hersteller an Ideen in ein Rad gesteckt hat kann ich sehr gut nachvollziehen. Es hört aber auf, wenn ein Rahmen "nur" mit Gruppe xy bestückt wird/wurde.
Das Besondere am Auslieferungszustand ist dann einzig der Rahmen.
Konsequenterweise sollten dann eigentlich auch nur solche "Rahmenunikate" gesammelt werden.
Ein Aufbau mit "SuperRecord Massenware" wäre ja dann kaum gerechtfertigt, oder?
Andererseits steht da das Postulat der Benutzbarkeit, welches mittlerweile zum Restaurationskonsens von Industriegütern zählt.
 
Das Thema mit der geforderten "Benutzbarkeit" vor Sortenreinheit war neulich doch schon mal bei Vorbauten angesprochen.
Der Vorbau und Lenker war zB ein Teil was vollkommen unabhängig vom Rad gesehen wurde. Mechanisch und ergonomisch mußte es den Vorlieben des Fahrers entgegenkommen und mehr nicht. Welche Marke, also ob 3t oder Cinelli, ITM oder sonstwas war doch Wumpe. Welche der funktionierenden Bremsen (gerne auch Modolos oder CLBs) waren doch in der siebziger Leichtbauzeit fast egal. Hauptsache funktionieren und leicht.
Ich bin mir sicher, daß danach gerade das Anbieten kompletter Gruppen (alles aus einem Guß zu einem günstigeren Preis als die Summe der Einzelteile) zu sowetwas wie einem Markenbewußtsein/"Coporate indentity" geführt hat und damit auch die Teileanbieter, die nur einzelne Komponenten angeboten haben, vom Markt verdrängt wurden, wenn es ihnen nicht gelang sich mit günstigen Preisen bei einem der Konfektionäre zu verdingen. Andrerseits haben auch renomierte Konfektionäre (ich nenne einfach mal Koga) einzelne Rahmen zum Selbstaufbauen angeboten.
Was will man dann bei einem einzeln gekauftem Rahmen als Originalzustand ansehen?
 
Ich finde die Diskussion überaus spannend, aber schon der Ausdruck "historisch korrekt" ist ja beliebig. Für den einen ist historisch korrekt im eigentlichen Sinne "katalogkorrekt" oder "auslieferungskorrekt". Und für den anderen wiederrum ist historisch korrekt eben wie das Rad zu ihm kam (oder andersherum).

Vom historisch-wissenschaftlichen Standpunkt ist historisch korrekt wie das Rad über die Jahre verändert wurde. Es gibt nämlich keine historische Inkorrektheit. Und rein museal-wissenschaftlich gesehen könnte ein Rad mit originaler Austattung zum Auslieferungszeitraum nur historisch-korrekt sein, wenn es seit dem Auslieferungszustand nicht verändert wurde, mag das auch unwahrscheinlich sein (Ersatz von Verschleißteilen usw.). Beides wäre aber geeignet und darüberhinaus spannend, es auszustellen.

Was anderes wäre zum Beispiel wenn man einen Klassiker mit geänderten Teilen, der in gutem also schaubaren Zustand ist, konserviert, ausstellt und dann das Katalogbild daneben ebenso ausstellt. Man könnte dann auf die Unterschiede hinweisen, eventuell auch auf die vermuteten Gründe (zB: welche Vorteile hatte die Veränderung?).

In einem anderen Forum gab es eine überaus spannende Angelegenheit. Denn da wurde ein Tourenrad aus DDR-Produktion (späte 1950er) mit Bosch-Lampe,-Rückleuchte und Dynamo aufgefunden. In der anschließenden Diskussion, nachdem das Rad vorgestellt wurde, meinten einige, dass das bitte geändert werden sollte, da Bosch-Produkte aus BRD-Produktion kam. DDR-Teile sollten ran. Der Besitzer/Finder wollte es aber so belassen, weil er davon ausging, dass der damalige Besitzer (Fundort: Brandenburg/Berliner Speckgürtel) durchaus vor 1961 in West-Berlin die Bosch-Lichtanlage gekauft haben könnte. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob das Rad ein Scheunenfund war. Denn wenn das Rad aus Erst- oder Zweitbesitz kam, dann wäre das wahrscheinlich gewesen. Damit hätte das Rad aus meiner Sicht einen ungeheuren historischen Wert gehabt. (Wenn das Rad aus Sammlerhand oder von einem Trödler gekommen wäre, wäre das natürlich ein anderer Fall gewesen, da die Möglichkeit bestanden hätte, dass das deutlich nachträglich angebracht worden wäre).
 
Zuletzt bearbeitet:
Was anderes wäre zum Beispiel wenn man einen Klassiker mit geänderten Teilen, der in gutem also schaubaren Zustand ist, konserviert, ausstellt und dann das Katalogbild daneben ebenso ausstellt. Man könnte dann auf die Unterschiede hinweisen, eventuell auch auf die vermuteten Gründe (zB: welche Vorteile hatte die Veränderung?).

...kann ich mit meinem Beispiel "Somec Air" mal machen (bin der Zweitbesitzer, Historie also lückenlos, habe sogar das dazugehörende Trikot bekommen):

Katalog:
katalog.JPG


..und der "Originalzustand" (in dem Fall genau der Zustand, in dem der Erstbesitzer das Ding aufgebaut hat):
CIMG6193.JPG

CIMG6200.JPG CIMG6205.JPG CIMG6207.JPG CIMG6211.JPG CIMG6213.JPG CIMG6220.JPG CIMG6236.JPG
...der Erstbesitzer hat den Rahmen selbst in Italien abgeholt und darum gebeten, dass keine Decals geklebt werden (ausser am Steuerrohr); da er kein Campa-Fan ist und einfach eine "gute, funktionierende Gruppe" haben wollte, ist die 600er verbaut worden (lediglich der Umwerfer ist später gegen DA getauscht worden, weil defekt), sehr guter LRS, erster Vorbau ist gebrochen, gegen ITM Titan getauscht worden. So ist das Ding mehrere 10 Tsd Kilometer gelaufen und fährt sich auch heute noch hervorragend. Ich hätte trotzdem gern eine Super Record dran, nicht weil ich den Katalogzustand nachbauen will, sondern weil ich das wunderschön finde... In dem Fall hier finde ich die Super Record auch "angemessener"...

Kann jetzt jeder selbst entscheiden, was der Originalzustand ist, ich weiss es nicht, obwohl ich die gesamte Historie "lückenlos" kenne; mir ist es aber auch egal (= interessant, aber nicht handlungsrelevant...)
 
Interessante Debatte!

Mir fällt dazu ein: Es gibt Wertkonservative und Strukturkonservative und dann gibt es die Pragmatiker / Nutzorientierte. Alle habe ihre Philosophie.

Bei Rennrädern habe ich meine Philosophie: So schön oder gut wie es damals möglich gewesen sein könnte.

Das heißt für mich grundsätzlich: Zeitgemäß (ob entsprechend dem Katalog oder dem Auslieferungsstand) und so gut und gut erhalten wie damals möglich ausgestattet.

Das heißt für mich konkret: Cinelli Supercorsa / Colnago Master / Gazelle usw. aus den 90er Jahren mit einer hochwertigen (Suntour-,) Campa- oder Shimanogruppe.

Hin- und hergerissen wäre ich allerdings bei der schönen, aber nicht sehr wirksame Campa Delta Bremse (die deshalb bei mir im Fundus liegt). Aber ob das Rad dann mit Campa Record, Chorus oder Athena oder Shimano DA, 600 (Ultegra) tricolor oder sogar auch 105 ausgestattet wird ... Damals war all das möglich.

Wichtiger wäre mir zu entscheiden, ob ich - aus einer Übergangszeit um 1995 - Rahmenschalter oder Ergos / STIs montiere.
Wer mehrere Exemplare sein eigen nennt, kann ja verschieden ausstatten.

Wer nur für die Sammlung erwirbt, wird sowieso andere Kriterien haben:
Z.B. ein von Eddy Merckx o.a. gefahrenes Rad bleibt halt wie es benutzt wurde - perfekt erhalten, stark benutzt, gut und schön oder nicht ...Und wenn es verbastelt wurde, wird es halt zurückgebaut. Und wenn das nicht möglich ist (z.B. bei der stark beschädigten Lackierung) , bleibt halt nur das Bewusstsein, dass es einmal von EM benutzt worden ist.
 
@radjog62: Du müsstest mal Strukturkonservativismus erklären? Auch in Abgrenzung zu Wertkonservativismus

@teamdfl: Gab es einen konkreten Grund, warum er keine Decals wollte?
 
Was gehört wozu ? Was "darf" wo montiert werden ? Wie war das "ursprünglich" ?
Mit tiefen Stirnfalten habe ich mir tagelang diese Fragen gestellt - bis ich merkte, wie bescheuert das ist:

Tja, und mir macht genau das Spaß. Zum Fahren genügen mir zwei oder drei Räder, die anderen werden bespielt.
 
Nein, ich nenne Dich nur inkonsequent, wenn Du sagst "geht in vielen Fällen nicht".
Es geht m. M. schon, die Aufgabe wird nur schwieriger zu lösen und ist irgendwann halt nicht wirtschaftlich.

Ein Katalogbild stimmt ja auch nicht immer mit der Ausstattung überein, wie das Rad verkauft wurde - gerade bei kleineren Firmen weicht das ja oft ab. Es ist ein guter Ausgangspunkt für einen authentischen Aufbau, mehr nicht. Und bei so Sachen wie Reifen, Kette, Lenkerband, Brems- und Schaltzügen hört es sich bei mir dann auch auf, denn ich möchte auch damit fahren. Hier nur NOS-Teile zu verwenden, überlasse ich den echten Freaks ;)

Ich weiß jetzt nicht ob das auf mich gemünzt war, ansonsten, ich habe einen Gios Rahmen seit mehr als 25 Jahren im Erstbesitz...

War es nicht, ich wollte nur ein plakatives Beispiel bringen. Wenn du selbst das Rad so aufgebaut hast und der Teilemix für dich so funktioniert, passt das ja auch. Aber wenn ich ein Gebrauchtrad so erwerbe, geht der Kontext eben verloren und dann ist es doch verständlich wenn ich das Rad so umbaue wie ich es eben als authentisch empfinde.
 
Aber wenn ich ein Gebrauchtrad so erwerbe, geht der Kontext eben verloren und dann ist es doch verständlich wenn ich das Rad so umbaue wie ich es eben als authentisch empfinde.

Meinst Du jetzt, dass der Kontext verloren geht oder schon verloren gegangen ist als Karsten S das Rad nach seinen Vorstellungen aufbaute?
 
Meinst Du jetzt, dass der Kontext verloren geht oder schon verloren gegangen ist als Karsten S das Rad nach seinen Vorstellungen aufbaute?

Naja, für mich geht er eben verloren. Wenn ich es nicht weiß wie der Aufbau zustande kam, kann ich nur Mutmassungen anstellen. Und ich finde halt, daß der Käufer bzw. Erstbesitzer nicht unfehlbar ist, und der Fundzustand für alle Zeiten konserviert werden muß - wenn das Rad eben nicht irgendwie historisch oder persönlich relevant ist.

Dieses Zurückführen auf einen (oft nur vermeintlichen, da historisch vielfach so gar nicht realisierten) Katalogzustand ist daher für mich oft eher ein Versuch, sich die Geschichte eines - in der Regel positiv interpretierten - Gegenstandes idealtypisch zurechtzubasteln, so, wie man sie gerne haben würde, nicht, wie sie wirklich war. Das ist natürlich wiederum nicht "verboten", oder auch nicht von vornherein unbedingt abzulehnen, aber es hat eben mit der vergangenen Wirklichkeit oft nur wenig zu tun.

Ich gebe gern zu, daß mich eher das idealisierte, ästhetisch perfekte Rennrad interessiert, als als Rad mit seiner mit individuellen Geschichte. Denn die Bedeutung der alten Stahlrenner hat sich doch sehr geändert, vom reinen Sportgerät hin zum Kultgegenstand. Sonst würden wir hier auch nicht so angeregt darüber diskutieren, und sich nur ein kleiner Kreis an Sammlern daran erfreuen.

Es ist nicht mein Beweggrund, ein Museum über die Geschichte des Rennrads im 21. Jahrhundert anzulegen - das können andere besser, da habe ich weder das Wissen noch die Ressourcen dazu. Ich denke aber schon, daß es einen Mittelweg geben kann zwischen totaler Beliebigkeit (z.b. Retro-Fixie-Singlespeed) und Musealität. Ob das mal historisch gewürdigt wird weiß ich nicht, aber ich sehe es pragmatisch und fahre solange lieber rad.

Aber auf jeden Fall ein sehr toller Beitrag von dir mit fundierten Argumenten (man merkt die professionelle Beschäftigung mit dem Thema Technikgeschichte) :daumen:
 
@radjog62@teamdfl: Gab es einen konkreten Grund, warum er keine Decals wollte?
..heute würde man sagen: ...der look sollte clean sein; er hat gesagt "SchnickSchnack", hatte mit vorherigen Rädern auch "Stress" mit sich lösenden Decals gehabt. Der hat die Räder wirklich nur zum Fahren gebaut, so wie sie ihm am besten gepasst haben, da war kein Eisdielenfaktor im Spiel. Ich hab noch ein anderes Rad von ihm; ein Simonato Special, hat er mit DA aufgebaut (was für einige ja schon Todsünde wäre), ausser den Schalthebeln, die sind Campa, weil "mehr Grip, Junge..."

EDIT: bei dem Simonato käme ich nicht auf den Gedanken, das auf Super Record umzubauen oder auch nur die Schalthebel zu wechseln...
 
"Historisch korrekt" und "wie im Katalog" sind 2 verschiedene Dinge! Der Katalog ist vor allem Werbung für ein Produkt und ein Vorschlag des jeweiligen Herstellers, wie es ausgestattet sein kann. Die meisten Räder werden schon im Laden, zumindest im Detail, den Katalogzustand ändern, bevor sie rausgehen, weil der Kunde irgendetwas anders haben möchte. Das war früher wohl so und ist heute auch noch so. Spannender ist für mich die Frage, was gab es denn alles zu der Zeit, als ein Rad ausgeliefert wurde und vor allem: welcher Art von Qualität war das und wie gefragt waren Model und Ausstattung!

In den Klassikerforen werden sehr oft irgendwelche alten Mittelklasseräder gezeigt, die auch manchmal richtig nett aussehen und auch bestimmt gut fahren, für mich aber die Bezeichnung "Klassiker" nicht wirklich verdient haben. Das sind für mich nur die jeweiligen Topmodelle, die jeder schon damals sabbernd bewundert hatte, die aber nur Reiche oder Topfahrer bekommen konnten, so wie das heute ja auch noch ist. Ob dabei z.B. an einem 60er Jahre Renner eine französische Mafacbremse dran war oder eine italienische Universal, spielt nicht die große Rolle, ich persönlich würde die dranmachen, die ein Siegfahrer an seinem damals hatte. Eine 105er aber keinesfalls! Wurde mit einem Modell eine der Großen Rundfahrten gewonnen, adelt das noch besonders. Ich persönlich würde das Rad dann genau so aufbauen, wie es war, als es seinen Fahrer zum Sieg trug! Historisch korrekt eben...

Wenn man so einen Klassiker aber heute öfter fahren will, muß man schon Abstriche machen, was Originalausstattung angeht. Das betrifft for allem Züge, manchmal Felgen und ganz besonders die Bremsklötze. So hatte ich vor ca. 3 Jahren mal das ganz besondere AHA-Erlebnis, als die original NOS-Bremsbeläge meiner CLB-Titan Bremse, sich bei der ersten Fahrt, nach 100 Höhenmeter Abfahrt, als klebrige, schwarze Masse an der Felge wiederfanden. Anschließend mußten die Schuhsohlen dran glauben...
Mein 78er Gios, bei dem sogar noch die Zugendkappen die ersten sind, ist eher ein historisch korrektes Ausstellungsstück im Katalogzustand und das bleibt genau so!
 
In den Klassikerforen werden sehr oft irgendwelche alten Mittelklasseräder gezeigt, die auch manchmal richtig nett aussehen und auch bestimmt gut fahren, für mich aber die Bezeichnung "Klassiker" nicht wirklich verdient haben. Das sind für mich nur die jeweiligen Topmodelle, die jeder schon damals sabbernd bewundert hatte, die aber nur Reiche oder Topfahrer bekommen konnten, so wie das heute ja auch noch ist.

...mir persönlich ist das völlig total absolut egal, ob das was ich fahre von anderen als "Klassiker" anerkannt wird, das ist kein Faktor, der für mich in irgendeiner Weise relevant wäre (genausowenig, ob das was ich fahre vor der Eisdiele funktioniert...) "Klassisch" definiert jeder für sich (genauso wie "Originalzustand") und damit auch, was er sich unter dieser headline in den Keller (oder ins Wohnzimmer) stellt...
Mir persönlich gefällt sehr gut, dass diese "Szene" sich nicht ausschließlich auf die Räder fokussiert, die von vielen angesabbert werden.

Bitte nicht als persönliche Kritik nehmen; ich wollte dir nicht auf die Füsse treten, du hast ja klar gemacht, dass es Deine persönliche Meinung ist, ich wollte meine nur als Kontrast dagegen stellen.
 
und der Fundzustand für alle Zeiten konserviert werden muß - wenn das Rad eben nicht irgendwie historisch oder persönlich relevant ist.

Nee, das meine ich auch nicht. Es ist eher so, dass i.d.R. nur die besonderen Räder diese Behandlung bedürfen.

Ob dabei z.B. an einem 60er Jahre Renner eine französische Mafacbremse dran war oder eine italienische Universal, spielt nicht die große Rolle, ich persönlich würde die dranmachen, die ein Siegfahrer an seinem damals hatte. Eine 105er aber keinesfalls! Wurde mit einem Modell eine der Großen Rundfahrten gewonnen, adelt das noch besonders. Ich persönlich würde das Rad dann genau so aufbauen, wie es war, als es seinen Fahrer zum Sieg trug! Historisch korrekt eben...
Das wäre ja in dem Sinne, wie ich historische Korrektheit verstehe, nicht historisch korrekt, weil Du nur ein Siegfahrrad kopierst. Für mein Verständnis gibt es für jedes ausgelieferte Rad eine jeweilige historische Korrektheit. Das sollte man aber nicht dogmatisch verstehen.

Aber nur ein Gedankenspiel: Ich würde ein Rad, was nach meinem Verständnis historisch bedeutend ist, zB ein hochwertiges Rad eines Profis, niemals verändern, auch wenn er zB französische Bremsen an nem Italo-Renner verwendete und dies dann nicht "stimmig" sei.

Aber genauso würde ich an dem DDR-Alltagsrad aus meiner Anekdote (ein paar Posts vorher) niemals die "nachgerüstete" Lichtanlage verändern, wenn sie denn historisch verbürgt ist...
 
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