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Sinn und Unsinn von Kraftausdauertraining mit 40 - 60 U/min

Am Col de la Schlucht sah ich einen Rad (-Profi ?) beim Mototraining. Vor ihm fuhr ein Motorroller mit mehreren Ersatzlaufrädern auf einem Spezialgepäckträger, die Beine des Radfahrers glichen den Hinterläufen eines Pferdes. Er fuhr den Col de la Schlucht in Unterlenkerhaltung hoch. Man hatte den Eindruck hier pedaliert einer im Flachen, es sah aus, als ob es keine Schwerkraft gäbe. Auf derselben Strecke waren auch einige Hobbyradler unterwegs. Hier arbeitete die Schwerkraft sichtbar gegen jeden einzelnen Tritt der Hobby- RR-ler, man hatte den Eindruck sie beschleunigten keuchend einen halben Tritt, dann zog sie die Schwerkraft wieder nach unten.
Da Arbeit Kaft mal Weg ist, ist zum Erreichen einer so hohen Leistung (ich unterstelle, dass der Profi den Col de La Schlucht nahezu doppelt so schnell wie der Hobby- RR'ler hochfuhr) trotz einer anzunehmenden höheren Trittfrequenz (aber nicht doppelt so hohen) des Radprofis eine enorme Kraft (-Ausdauer) nötig, um diese Leistung (=Arbeit / Zeit) zu erbringen (und über die gesamte Passlänge aufrechtzuerhalten).

Die Kraft, die jemand abrufen kann wird bekanntlich gemessen über das sogn. 1 Reptition Maximum, also durch einen Test, bei dem es darum geht, eine maximale Kraft für eine bestimmte Übung genau einmal abzurufen!
Aus der Tatsache, dass der Profi ein höheres Drehmoment auf die Kurbel gebracht hat als irgendwelche Hobbyfahrer, kann man nun gerade nicht schließen, dass Kraft ein limitierender Faktor ist, denn die maximale Kraft, das 1 Reptition Maximum, dieses Profis liegt mit Sicherheit sehr, sehr weit über dem, was er an dem Berg abgerufen hat. Beim Radfahren geht es nicht darum, das 1 RM abzurufen, sondern einen kleinen überschaubaren Anteil dieses 1 RM immer und immer wieder abzurufen. Dein Profi fuhr also nicht deswegen schneller den Berg hoch weil er mehr Kraft bzw. ein höheres 1 RM hatte als ein Hobbyradler, sondern weil er eine überschaubare Kraft, die auch ein Hobbyradler aufbringen kann, viel öfter als diese Hobbyradler aufbringen konnte. Er hatte schlicht mehr Ausdauer.
 
Im muskulären Bereich bedeutet Ausdauer allerdings, dass mehr Muskelfasern vorhanden sind. So stehen mehr ausgeruhte Fasern zur Verfügung, die sich in der Belastung abwechseln, so dass der gesamte Muskel später ermüdet. Und die Erhöhung der Muskelmasse bringt halt eine höhere 1RM, indirekt kann man diese also als Indikator für eine hohe Kraftausdauer sehen. Ist der Kreislauf nicht entsprechend trainiert, kann man sein Kraftpotential natürlich nicht nutzen und leidet am Berg nur noch mehr.
 
Im muskulären Bereich bedeutet Ausdauer allerdings, dass mehr Muskelfasern vorhanden sind. ... Ist der Kreislauf nicht entsprechend trainiert, kann man sein Kraftpotential natürlich nicht nutzen und leidet am Berg nur noch mehr.
Mit der Vereinfachung Muskelmasse/Kraft einerseits und Kreislauf andererseits und der Annahme Kraft + Kreislauf sei Ausdauer wirst Du der Sache nicht gerecht. Der Grund hierfür liegt in der Verschiedenartigkeit der Fasertypen und der durch sie genutzten metabolischen Wege, Energie bereitzustellen.

Die Muskulatur, die für die Maximalkraft (1RM) zuständig ist, arbeitet vorrangig alaktazid-anaerob. Die Muskulatur, die bei Krafttraining mit ca. 40-60% des 1RM trainierend typischerweise an Muskelmasse zulegt, arbeitet immer noch fast ausschließlich laktazid-anaerob. Man arbeitet also an den "dicksten Fasertypen", den IIb- und vielleicht noch den IIx-Fasern. Auch wenn man das im muskulären Bereich bei Wiederholungszahlen von 10-30 mit dem Terminus der "Ausdauer" oder "Kraftausdauer" belegt, ist das auf dem Rad immer noch eine Sprintleistung! Eine Weiterentwicklung der durch ein Krafttraining angelegten Muskelmasse kann noch in den Bereich der Lactattoleranz gelingen, also einer Ausbildung der 1-min- oder 2-min-Leistung. Für echte Ausdauerleistungen ist aber eine hohe Masse von IIb/IIx-Fasern und die damit verbundene Gewichtssteigerung insgesamt kontraproduktiv. Das lässt sich auch nicht per "Kreislauftraining" umkehren.

Die Muskulatur, die für Ausdauerleistungen auf dem Rad (Belastungsdauer von 4 min aufwärts) vorrangig zuständig ist, arbeitet aerob, was in Fasertypen ausgedrückt die Typen I und IIa sind. Die Idee "ich steigere das 1RM mit Krafttraining und kann dies per Kreislauftraining in eine höhere Ausdauerleistung auf dem Rad ummünzen", funktioniert daher nicht. Es funktioniert ebenso nicht, wenn man per extensiver Krafttrainingsmethode (z.B. 40-60% des 1RM; 3-5 Sätze à 10-30 Wiederholungen) einen Hypertrophiereiz setzt, um Muskelmasse aufzubauen, denn auch das steigert noch vorrangig das Gewicht anaerob arbeitender Muskelfasern. Was am Berg *wirklich* funktioniert, zeigt uns die Leistungsspitze dieser Disziplin. Dafür müsste ich z.B. erst mal Muskelmasse ab(!!!)trainieren.
 
Mi67: Klingt sehr interessant, dass es für aerobe/anaerobe Belastungen verschiedene Fasertypen gibt wusste ich nicht. Mein Horizont reicht da nur für die unterschiedlichen Arten der Energiebereitstellung, von denen ich dachte, alle Muskelzellen würden sie potenziell gleich gut "beherrschen". Hast du da vielleicht einen Link parat, wo das gut erklärt ist?
 
Essmann: llb- und llx-Fasern sagt mir nüscht, Fasertypen kenn ich nur fast / slow twitch, deren Verteilung aber Veranlagung ist und sich mit dem Alter, aber nicht durch Training verschiebt. Und wenn man was nicht weiß, fragt man halt - bin ja kein psychotischer Koalabär, der denkt, jemand der mehr weiß als man selbst wäre böse und gemein ;)
 
llb- und llx-Fasern sagt mir nüscht, Fasertypen kenn ich nur fast / slow twitch, deren Verteilung aber Veranlagung ist und sich mit dem Alter, aber nicht durch Training verschiebt. ...
Zu den Fasertypen: http://www.got-big.de/Blog/muskelfasertypen/

Was die Wandelbarkeit von Fasertypen angeht, ist zumindest der Typ IIa sehr wohl durch Training zwischen vorwiegend aerober oder anaerober Ausprägung zu verändern.
 
... und?

Hast Du Dir den Link von Mi67 schon in aller Ruhe durchgelesen?

Immerhin kann ich Deine Neugierde jetzt sehr gut einordnen; ... bei Deinem neuen Avatar :cool:

Hättest mich mal früher sehen sollen. Habe immerhin schon 20 kg Muskelmasse abgenommen.:daumen:
Den link hebe ich mir für die nächste Regenperiode auf.:D
 
Schöner Artikel über die Muskeltypen, aber für mich dennoch zur Zeit ein Rätsel.
Ich beobachte immer mehr, das manche Profi Bodybuilder zwar mit 6-12 Wiederholungen trainieren, dafür aber ziemlich wenig Gewicht nehmen und dann von einer Übung zur nächten hetzen, quasi die Muskeln fast pausenlos belasten und maximal erschöpfen.
Andere Muskeln hingegen, wie z.B. der Nacken oder Waden werden mit 25-30 Wiederholungen trainiert, viele sind der Meinung man könne Waden nicht mit 6-8 Wiederholungen zum Wachstum bringen.
Fühlt sich auch nicht wirklich gut belastet an, Wadenheben mit 6-8 Wiederholungen.
Dafür sprechen auch die derzeit in den Staaten sehr populären Eigengewicht Trainierer, die nur am Reck Klimmzüge machen etc. davon aber teilweise bis zu 400 Stück am Tag, der Wahnsinn, was die für Körper haben und eine Kraft, da kann man nur respektvoll aufschauen.

Mir zeigt das nur, das egal wieviele Artikel und egal wie wissenschaftlich diese geschrieben werden, es im Endeffekt doch immer noch vom eigenen Körper abhängig ist.

Ich reduziere derzeit das Gewicht und trainiere dafür mit mehr und langsameren Wiederholungen, die Muskeln fühlen sich danach wirklich an, als seien sie an der Grenze und die Übungen werden viel sauberer ausgeführt, ich bin gespannt ob mich das weiter bringt.

Rayban : das ist genau der Grund, warum ich so wenig Rennrad fahre, wenn man das ernsthaft betreiben will, führt das eine zum anderen, daran kann man nichts ändern, entweder Muskeln oder schnell auf dem Rad unterwegs, beides geht nur bedingt.
Aber hast dich ja gut gehalten finde ich, andere trainieren und sehen nicht so aus wie du, der wie ich es lese nur noch Rennrad fährt.
 
Von dem Artikel bin ich auch nicht gerade begeistert. Die Quellen sind halt die deutsche und englische Wiki zum Thema Muskelfasern, und offensichtlich hat sich der Autor nur sehr oberflächlich damit beschäftigt. Die beschriebene Unterteilung in IIa, IIb, IIx ist schlicht falsch wiedergegeben, im englischen Wikiartikel wird erklärt, dass der Mensch über IIa und IIx verfügt, nicht aber über IIb. Da sich die Bezeichnung IIb aber historisch gefestigt hat, wird sie weiterhin verwendet, meint aber die IIx-Faser, heisst es weiter. Im deutschen Artikel wird nur von IIa und IIb gesprochen.
Die Hinweise zur Umwandelbarkeit sind schwammig gehalten, besonders konfus ist der Hinweis bei den Trainingstips: "Eine Unterteilung der Trainingseinheiten in Typ IIa oder Typ IIb Fasern ist nicht nötig." Es wird einfach ein allgemeines Hypertrophietraining empfohlen. Am Beispiel der Waden wird dann erwähnt, dass bei Muskeln mit veranlagungsbedingt hohem ST-Anteil sehr hohe Wiederholungszahlen Sinn machen können, aber unpraktikabel sind.

Spannender ist ein anderer auf der Seite verlinkter Artikel:
http://www.team-andro.com/die-unterschiedlichen-muskelfasertypen-verstehen.html
Der ist sehr viel ausführlicher als die Wikiseiten, die Thesen sind stimmiger und besser erläutert als auf der got-big Seite. Ganz grob zusammengefasst finde ich besonders die folgenden Punkte für die Diskussion interessant:

- Kraft und Größe der unterschiedlichen Fasertypen sind linear abhängig, um dieselbe Kraft aufzuwenden ist dasselbe Muskelvolumen nötig, unabhängig von der Faserart. Allein die Reduzierung des Gewichtes der Muskulatur führt also auch zu einem Verlust an Kraftpotential.

- Es ist trainierbar, wieviel Prozent der vorhandenen Faserbündel gleichzeitig vom Nervensystem aktiviert werden können. Im Schnitt liegt der Wert bei 50%, dies ist ein Schutzmechanismus des Körpers, den man umgehen kann, indem das Nervensystem darauf trainiert wird, möglichst alle verfügbaren FT-Fasern gleichzeitig zu aktivieren. Dazu wird Training mit hoher Geschwindigkeit, explosiven Bewegungen und hohem Kraftaufwand empfohlen - also klassisches Maximalkraft-/IK-Training. Wer einen höheren Anteil seiner FT-Fasern aktivieren kann, braucht für dieselbe Kraft weniger Muskelgewicht. Ein Problem sehe ich für den Ausdauersport darin, dass die Muskulatur dabei auf einen hohen FT-Anteil trainiert wird, da FT-Fasern bekanntlich schneller ermüden als ST-Fasern. Wo soll man nun die Grenze ziehen?

- IIb-Fasern kontrahieren schneller und sind daher zu höheren Leistungen fähig als IIa-Fasern, haben aber eine höhere Reizschwelle und sind energetisch ineffizienter. Durch Training EGAL WELCHER ART wird die IIb-Form in IIa umgewandelt, wird das Training abgebrochen, bildet sich wieder die IIb-Form aus. Allerdings ist bei niedrigen Intensitäten (>> Ausdauersport) die Verteilung der Muskelfasern weniger von Bedeutung, insbesondere unterhalb von 30% der Maximalkraft.

- In der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit sind die wichtigsten Faktoren (für eine hohe Leistungsfähigkeit) die folgenden:
Körperstruktur (Muskeln, Sehnen, Länge der Extremitäten und Muskelansatzpunkte)
Neuronale Faktoren (Muskelrekrutierung, usw.)
Relative Kraftlevel (Kraft pro Pfund Körpergewicht)
Muskelfasertyp

- "Wenn dies alles wäre was zählt, dann wäre ein Sportler mit enormer Muskelmasse auch in selbem Maße überproportional stark, leistungsfähig und schnell. Ein Athlet, der schnell werfen oder laufen kann wäre demnach auch groß und stark. Ein Athlet der stark ist wäre auch schnell und leistungsfähig. Dies ist jedoch ganz offensichtlich nicht der Fall."

Das Ganze bringt meine Ansichten zum Thema Krafttraining jedenfalls ins Wanken, allerdings bei der Frage nach dem "Wie" und nicht dem "Ob". Ich werde mich da weiter einlesen. Was sind eure Meinungen dazu, und kennt ihr weitere gute Quellen?

PS: Tschuldigung für den ellenlangen Post, ist sonst nicht meine Art :D
 
Ein guter Überblicksartikel zur Wirksamkeit verschiedener Intervall- und Krafttrainingsformen ist die Review von Paton und Hopkins:
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass explosives Krafttraining, sowohl sportartspezifisch, als auch unspezifisch, positive Wirkungen auf die Ausdauerleistung hat, klassisches Krafttraining aber eher nicht. Ich denke, die Ergebnisse lassen sich durchaus im Lichte Deiner Ausführungen interpretieren.
http://www.sportsci.org/jour/04/cdp.htm
 
Mal ne Frage zu dem "um Berge hochzufahren muß man Berge hochfahren". Warum eigentlich? Wenn ich trainiere, eine halbe Stunde einen Berg hoch zu fahren trainiere ich eine halbe Stunde 500 Watt () zu treten. Brauch ich dazu nen Berg? Wenn ich an 5% trainiere, kann ich dann später auch 6% fahren? Reicht's auch noch für 7 oder 8?
Müsste ich nicht einfach nur meinethalben Intervalle fahren.
Unberücksichtigt mal das mentale Training, daß man weiß, was einen an einem Berg erwartet.

Sehe ich ähnlich. Als Berliner fällt mir das Trainieren am Berg, mangels Bergen, zugegebenermaßem recht schwer. Im Rennen hänge ich am Berg aber immer ne Menge Leute ab. Erst vor kurzem im 24h Rennen in Kelheim. Die Befreiungshalle zwar auf dem letzten Loch hoch geklettert, aber ne Menge Lokalmatadore dabei stehen lassen...

Fahre in meiner Region halt viel schnell im Flachen und auch mal viel und lange schnell gegen den Wind, der hier immer so mit 3-4 Stärken aus Nord-West kommt. Dann klappt es auch in den Bergen :-) Klar, unter die ersten Top-Bergfahrer-komme ich damit nicht, liegt aber vielleicht auch an lediglich 3 Jahren RR und knappen 10Tkm/Jahr... Mehr hiervon und davon würde dann vielleicht für noch mehr Bergpower reichen...

Man weiß es nicht...
 
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