Eigentlich hat dieses Mal alles ganz entspannt angefangen. Anders, als sonst üblich, war mein Rad schon über zwei Wochen vor dem Start komplett fertig. Also neue
Bremsen, Kette und
Reifen montiert. Alles gefettet und geölt. Taschen, bis auf sehr wenige Kleinigkeiten schon komplett gefüllt, mit allem, was ich mitnehmen wollte. Kleidung zurecht gelegt. Und eigentlich noch viel wichtiger, der Kopf freute sich darauf und war bereit. Die Form war jetzt nicht super toll, aber auch nicht super schlecht und es gab aktuell nichts was in irgendeiner Form Schmerzen oder Probleme bereitete.
So gerüstet, ging es am Freitag, 22.07. mit dem Zug nach Aachen. Ich hatte ja anfangs überlegt, mit dem 9 € Ticket zu reisen. Aber mich dann doch dazu entschlossen 120 € zu investieren und schön mit dem ICE bis Köln zu fahren und nur von da bis Aachen mit dem Bummelzug zu fahren. Also stand ich schön Punkt 12 am Hauptbahnhof in Dresden. Stieg in meinen Zug ein und freute mich auf eine entspannte Reise. So weit die Theorie. Ich stellte mein Fahrrad auf meinen gebuchten Platz und die Entspannung war augenblicklich vorbei. Man hängt im ICE das Rad mit dem Vorderrad ein und der Rest des Rades ragt schräg in den Wagon hinein. Es gibt rings umher keinerlei
Griffe zum fest halten. Wenn also irgendjemand daran vorbei läuft, kann er sich zum einen nirgendwo festhalten, außer an meinem
Sattel zum anderen laufen die Leute nicht unbedingt einen Bogen um das Rad, sondern treten eher gegen das Hinterrad, weil sie nicht nach unten schauen. Bis Leipzig war der Zug zum Glück nicht sehr voll und es hielt sich alles im Rahmen. Hier stieg allerding ein älteres Pärchen mit zwei E-Bikes, Modell Super-SUV zu. Vorsicht was ist das ? Immerhin, nach zig mal anecken überall, standen die Räder noch mehr im Weg als meines und vorbeigehende Leute eckten an diesen an. Weiter ging die Fahrt westwärts. Der nächste Aufreger kam natürlich prompt. Anstatt bis Frankfurt Flughafen zu fahren, fuhr der Zug wegen Personalmangel heute nur bis Frankfurt Hauptbahnhof. Geschätzt die Hälfte der Passagiere wollten aber sicher zum Flughafen. Da der Zug am Ende auch eine halbe Stunde Verspätung hatte, lohnte sich der Umstieg auf einen anderen Zug zum Flughafen auch nicht mehr. Mein Anschlusszug war nicht mehr zu bekommen. Also ging die Sucherei nach einer neuen Verbindung los. Mit dem nächsten ICE nach Köln fahren fiel aus, da hier natürlich keine Stellplätze für das Fahrrad mehr vorhanden waren. Also weiter mit Bummelzügen. Zu erst nach Ingelheim. Hier verpasste ich natürlich auch den nächsten Anschlusszug nach Koblenz. Also eine dreiviertel Stunde warten auf den Nächsten. In Koblenz hatte der Anschlusszug zum Glück auch über zehn Minuten Verspätung, so dass ich diesen noch bekommen habe. Trotz voller Bahnsteige, wo man mit dem Rad kaum durch kommt. Angekommen in Köln, hatte mein Anschlusszug nach Aachen eine halbe Stunde Verspätung. Der Vorhergehende allerdings auch, so dass ich wenigstens pünktlich weiter fahren konnte. Statt Abends um 19:00 Uhr bin ich dann 23:00 Uhr in Aachen angekommen. Wobei das schlimmste eigentlich nicht die Zeit war. Anstrengend sind die vollen Züge. Zum einen sind die Fahrrad - Stellplätze besetzt. Meistens von Leuten, da nirgendwo mehr Sitzplätze frei sind. Man muss also mit dem Rad in der einen Hand und mit der anderen Hand an einem Griff, die ganze Zeit irgendwo stehen. Umfallen kann man dabei aber nicht, die Züge sind ja voll genug. Zum anderen sehen aber die Leute vor lauter Menschen das Fahrrad nicht und treten ständig irgendwo dagegen oder stürzen halb darüber.
Immerhin, in Aachen bin ich dann noch trockenen Fußes zum Hotel gekommen. Gerade so vorm Gewitter. Eigentlich wollte ich ja mit Martin noch irgendwo was essen gehen, aber das haben wir dann auf Samstagmorgen verschoben. Wir haben uns bei einem Bäcker zum Frühstück getroffen und sind dann nach Belgien zum Zug geradelt. Der Zug der aus Aachen kommt, mit dem man aber mit dem Rad nicht über die Grenze fahren kann, weil man online kein Ticket für das Rad kaufen kann. Zum Glück war der Zug nach Brüssel ziemlich leer. Ziemlich entspannt konnte man die Zugfahrt genießen. Gleiches galt für den Anschlusszug nach Geraardsbergen.
Die Zeit bis Sonntagabend verlief dann aber wenigstens so, wie ich mir das gedacht hatte. Essen einkaufen, Ausruhen, Anmeldung und schlafen. Wobei sich der Sonntag immer sehr in die Länge zieht. Früh ausschlafen, naja, bis um sieben ging. Dadurch war ich der Erste bei der Registrierung. Allerdings konnte ich nochmal einen ausgedehnten Mittagsschlaf halten. Dadurch war ich ziemlich gut gerüstet für die Nacht.
Pünktlich um zehn ging es los. Erst eine Runde durch die Stadt und dann die Muur hoch. Wie immer versuchen die Leute hier schon das Rennen zu gewinnen. Ich gab nur darauf Acht, nicht zu stürzen oder irgendwo anzuecken. Danach ging es hinaus in die dunkle, belgische Nacht. Gleich danach holte mich Martin ein. Er war die ganze Sache ähnlich angegangen wie ich. Ein paar Meter fuhren wir zusammen, ehe einer links und einer gerade aus fuhr. Es dauerte aber nicht lange, und vor mir kreuzte Martin wieder von rechts kommend auf. Ein paar Kilometer weiter trennten sich unsere Wege abermals. Dieses Spiel sollte sich in der Nacht noch ein paar Mal wiederholen. Zumindest, bis mir bei Kilometer 90 eine Speiche am Hinterrad gebrochen war. Völlig unvermittelt machte es mit einem Mal kling, kling, kling hinten. Schon im Anhalten war mir klar, was kaputt gegangen war. Ich begutachtete kurz den Schaden und fuhr 100 Meter zurück zu einer Tankstelle. Hier konnte ich alles im Licht besser sehen und gleichzeitig an den Automaten meine Vorräte wieder auffüllen. Die Speiche war genau an der Felge durchgebrochen. Wie sich später herausstellen sollte, hatte sie einen Knick bzw. war gebogen. Es ist im Nachhinein nicht festzustellen durch was das passiert ist, aber wahrscheinlich ist sie durch diese Vorschädigung gebrochen. Eine Ersatzspeiche hatte ich allerdings nicht mit. Auch ist diese bei diesen Rädern nicht so schnell und einfach unterwegs zu wechseln. Also habe ich die Speiche mit Klebeband fixiert und den Rundlauf angesehen, welcher noch ziemlich gut war. Ich dachte mir, erstmal weiter fahren und schauen ob das so fahrbar ist um erstmal durch die Nacht zu kommen. Am Montag wollte ich dann schauen, dass ich irgendwo ein neues Rad bekomme. Vor dem Weiterfahren machte sich dann aber noch ein anderes Problem bemerkbar. Mein Bauch meldete sich auch. In Form von Durchfall. Der bis zum Montagmittag anhielt.
So ging es also früh halb zwei weiter. Erstmal wie auf rohen Eiern um ja nicht das Hinterrad zu zerstören. Etwas Kraft war zu dem Zeitpunkt zum Glück noch da. Nach einer Weile tauchte dann ein rotes Licht vor mir auf. Langsam kam ich ihm immer näher und irgendwann hatte ich Ian To eingeholt. Welch willkommene Abwechslung. Nach dem der Start nicht so glücklich verlief, tat es gut sich durch ein gutes Gespräch etwas abzulenken. Die gemeinsame Fahrt nebeneinander war vielleicht etwas zu lang, aber sie tat uns beiden gut. Wir quatschten bestimmt eine Stunde lang über alles Mögliche. Auch, dass seine Familie zum Ziel kommt und ein paar Tage da bleibt. Genau wie bei mir. Wir verabredeten uns also schon mal auf ein Abendessen im Ziel. Irgendwann fuhr dann jeder wieder in eine andere Richtung. Am Morgen, wieder in Deutschland angekommen machte ich einen kurzen Stopp an der Tankstelle um wieder alles aufzufüllen. Aber schon hier hatte ich keinen richtigen Appetit mehr. Mit Mühe und Not ging ein Brötchen und ein Eis runter. Und das auch nur im Sitzen. Danach schaltete mein Körper zwei Gänge runter. Zu sehr steckte er die Energie in den Bauch, statt in die Beine. Ein paar Meter weiter sah ich Adam Bialek sein Rad an einer Tankstelle stehen. Ich fuhr vorbei, aber nicht lange danach hatte er mich schon eingeholt. Eigentlich ist es bei uns immer genau anders herum. Im Polen überholte ich ihn immer im Flachen und bergab und er holte mich bergauf wieder ein. Dieses Spiel hatten wir schon sehr oft da gespielt. Aber hier war nicht daran zu denken. Insgesamt viermal musste ich anhalten um mich zu erleichtern. Dazu kam, das ich kaum was essen konnte bzw. jedes Mal dazu anhalten musste. Schnell macht einen das nicht. Dazu kam, dass ich ein neues Hinterrad brauchte. Mehrfach hielt ich entweder an Radläden an oder telefonierte mit welchen. Aber ein Hinterrad für ein Rennrad und auch noch mit Scheibenbremse zu bekommen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Geschäfte sind leer gekauft und wenn sie etwas haben, dann Ebike’s und Teile dafür. Aber man könnte einem etwas bestellen. Lieferzeit mit etwas Glück zwei Tage, aber eher drei Monate. Genau das, was ich brauchte.
So ging der Tag langsam dahin. Die Wattzahlen glichen eher einem Tag 4 oder später, aber nicht Tag 1. Immerhin zum Abend war wieder etwas mehr Druck auf den Pedalen vorhanden. Leider bremste mich dann wieder etwas anderes aus. Kurz vor der Grenze nach Thüringen braute sich ein Unwetter auf. Ich fuhr in einem Tal entlang und es blitzte und donnerte ringsherum. Aber es blieb erstmal noch trocken. In einem Dorf ändert sich das langsam. Es begann leicht zu regnen. In vielleicht hundert Meter Entfernung erspähte ich eine gläserne Bushaltestelle. Jeher näher ich dieser kam, um so windiger wurde es und der Regen nahm genauso zu. Gerade noch so schaffte ich es hinein und ein immenses Unwetter ging los. Ich setzte mich auf die Lehne der Bank und klammerte mich mit einer Hand an die Bank und mit der anderen hielt ich mein Rad fest. Zur rechten Seite war nur noch eine milchig weiße Wand zu sehen. So sehr trommelten die Graupel und Regen dagegen. Endgültig mit der Angst bekam ich, als ein paar Dachziegel durch die Gegend flogen. Der Spuk war zum Glück nach einer viertel Stunde vorbei und ich konnte weiter fahren. Es lag zwar allerlei Zeug auf der Straße und Feuerwehr und Einsatzkräfte waren unterwegs, aber es war fahrbar. Zwei Kilometer weiter war die Straße komplett trocken und sauber. Als wenn nie etwas gewesen wäre. Wegen Starkregen und Gewitter musste ich dann später noch zweimal anhalten und mich unterstellen. Bis zur Schlafpause gegen 23 Uhr in einer schönen Bushaltestelle hatte ich so am ersten Tag alleine fast 4 Stunden Standzeit. Dazu kam die Zeit, die ich durch mangelte Kraft unterwegs vertrödelt hatte. Mein angestrebtes Ziel von weit über 600km am ersten Tag hatte ich somit komplett verfehlt. Zu allem Überfluss machte sich aber auch schon meine rechte Achillessehne immer wieder bemerkbar. Noch keine richtigen Schmerzen, aber ich merkte, dass da etwas nicht stimmte.
Um nicht gänzlich gefrustet und schlecht gelaunt in den nächsten Tag zu starten, gönnte ich mir 5 Stunden Schlaf. Auch wenn ich nicht einmal auf die Trackingseite geschaut hatte, mir war klar, dass die Spitze ohnehin erstmal weg war. Aber allererstes Ziel war ankommen. Ich hatte noch nicht einmal einen Wohnungsschlüssel von zu Hause mitgenommen. Nur damit ja nicht auf die Idee komme abzubrechen. Ich startete noch im Dunklen irgendwo in Thüringen. Der Wind blies wieder aus Westen und machte die Fahrt über die Bundesstraßen sehr kurzweilig. Immer näher ging es der Heimat. Am Vormittag war ich bereits in Naumburg. Schon oft bin ich bei Brevets hier durchgefahren. Danach kam dann bekanntes Gebiet. Über Altenburg, Penig, Frankenberg ging es nach Eppendorf. Hierauf freute ich mich schon den ganzen Tag ( besonders nach dem Montag ). Mein jüngster Sohn und meine Eltern wollten an die Strecke kommen. Eigentlich wollten sie ja nach Krupka fahren, aber da ich so spät dran war, verabredeten wir uns hier an einem Kaffee. Eis und Kuchen im Überfluss. Nicht gerade ein gutes Vorbild für meinen Sohn, aber ich hatte Hunger. Am Ende habe ich hier 45 Minuten gestanden. Aber Balsam für die Seele war wichtiger als Zeiten und Platzierungen. Zumindest in diesem Moment. Danach ging es mit Motivation im Überfluss zum zweiten Highlight des Tages. CP1 in Krupka stand auf dem Plan. Zum einen freute ich mich schon auf Kofola und Kuchen, zum anderen war ich gespannt darauf, wer denn so alles da oben auftaucht. Aber vorneweg musste ich noch einmal über den Erzgebirgskamm drüber und dann gleich wieder hoch.
Als ich dann in Osek oben ankam hörte ich schon von weitem laute Rasseln. Ecki und sein Mutter standen da und feuerten mich lautstark an. Kurz anhalten und eine Umarmung musste sein, eh es weiter ging. Aber auch Thomas war extra gekommen und bekleidete mich bis Krupka. Es tat gut etwas zu reden und dabei die Heimat zu genießen. Kurz vor Cinovec tauchten dann immer mehr Freunde auf. Einer nach dem anderen aus dem Petz Racing Team kamen entgegen, drehten um und fuhren mit bis Krupka. Mit ein paar Leuten hatte ich ja schon gerechnet. Aber mit 10 dann doch nicht. Dank der Verspätung meinerseits, konnten die meisten nach der Arbeit mal schnell vorbei kommen. Am CP1 gab es dann erstmal zwei Kofola mit Kuchen. Etwas ausruhen und quatschen und danach erst den Stempel holen. Diesen gab es allerdings nur drin. Mit einem gut gelaunten „Dobry Den“ kam ich herein. Drei müde Gestalten schauten mich an und verstanden kein Wort. Die Karte wurde trotzdem gestempelt. Draußen machten wir mit allen noch ein Foto zur Erinnerung und nach einer Umarmung mit jedem musste ich dann doch weiter. Ich wollte noch den Parcours zu Ende fahren und danach ein paar Kilometer nach Süden. Aber erstmal brachte mich die TCR Organisation schön durcheinander. Man hatte wohl kurzfristig noch etwas im Parcours geändert. Ohne genau zu spezifizieren was. Mir war es jedenfalls auf dem Weg nach Decin nicht möglich herauszufinden was. Ich hatte den Track erst in der Woche herunter geladen und fuhr ihm einfach stur nach. Völlig unsinnig ging es dann durch Decin und ich verpasste meine angestrebte Tankstelle. Etwas leicht darüber gefrustet fuhr ich weiter. Ich hatte noch zwei Waffeln, aber statt 1,5 volle Flaschen nur noch eine halb volle. Was ich leider erst zu spät bemerkte. Meine Laune stieg dadurch nicht unbedingt. Auf den 70km bis Litomerice gibt es nur in Vernevice eine Potraviny und ob die noch geöffnet ist, wusste ich nicht. Aber davor gab es noch eine andere tolle Überraschung. Anstatt über die ganz normale Straße zu fahren, wollte man uns über ein Feld schicken. Ganz richtig - Feld. Da war nicht mal ein Feldweg. Einfach nur Feld.
Zum Glück erreichte ich noch die Potraviny und der Abend war geredet. Naja fast, am letzten Anstieg durchzuckte mich ein stechender Schmerz an meiner linken Achillessehne. Die rechte war den ganzen Tag über in der gleichen Verfassung wie Tags zu vor. Aber warum die linke jetzt anfing ? Zum Glück war in der Ebene bis zur Schlafpause aber Ruhe.
Eingecheckt hatte ich hier im „Hotel Penny“. Zwischen den Einkaufswägen war es eigentlich ganz versteckt und ruhig. Trotzdem hatte ich etwas unruhig geschlafen. Somit stand ich erst nach fünf, statt ursprünglich geplanten vier Stunden auf. Ich freute mich auf den heutigen Tag. Quer durch Tschechien. Die ein oder andere Straße war mir auch hier schon bekannt. Erst nach Pilsen war komplettes Neuland. Mein Track führte hauptsächlich über ruhige Nebenstraßen. Bis Mittag konnte ich so den Tag genießen. Ab da machte sich dann allerdings meine linke Achillessehne wieder bemerkbar. Mehr als die rechte und mehr als mir eigentlich lieb war. Ich hielt des Öfteren an um sie zu dehnen und dies schien für eine Weile immer zu helfen. Nach dem Mittag, gerade wieder in Deutschland, holte mich Martin ein. Schön ihn zu sehen und ein paar Worte zu wechseln. Und schon ging unser Versteckspiel von neuem los. Wenig später holte ich Rob ein. Wir fuhren eine Weile gemeinsam bis wir neben dem Radweg auf Martin trafen. Er stand an den Brombeersträuchern und schlug sich den Bauch voll. Keine schlechte Idee und so machten wir eine Weile mit bis wir zu dritt wieder los fuhren. Allerdings lies ich sie beizeiten ziehen um an einer Apotheke etwas Kinesioband für meine Sehnen zu kaufen. Bandagiert fuhr ich weiter. Bis Straubing. Kurz vor der Donau machte ich hier Bekanntschaft mit einer Wespe. Irgendwie hatte sie es geschafft von oben in mein geschlossenes Trikot zu fliegen und hier zweimal in meine Brust zu stechen. Ich hielt an der Donau kurz an um ein Foto zu machen und mich zu begutachten. Jetzt mit schmerzender Brust fuhr weiter und sah gleich danach eine Tankstelle. Martin war auch schon da. Ich kaufte schnell etwas Eis zum kühlen. Von innen und von außen und fuhr weiter. Drei Ecken weiter holte ich Fiona ein. Sie war genau so „gut“ gelaunt wie ich zu dem Zeitpunkt. Auf den nächsten Kilometern schütteten wir uns gegenseitig das Herz aus. Derweil machten mir die Wespenstiche etwas Sorgen, mein ganzer Oberkörper war rot und juckte. Glücklicherweise legte sich das zum Abend hin wieder.
Gegen 20:00 Uhr erreichte ich Dorfen, östlich von München. Bis hier hin hatte ich an dem Tag trotz aller Schwierigkeiten knapp 350km geschafft. An einer Tankstelle legte ich einen kurzen Stopp vor der Nachtpause ein um nochmal alles aufzufüllen. Ich dehnte wieder meine Achillessehnen und fuhr weiter. Aber so wie ich auf dem Rad saß, schmerzte meine linke Achillessehne gewaltig. OK, erstmal etwas langsam angehen und dann wird das schon wieder. Dachte ich. Aber auch nach einer halben Stunde wurde da nichts mehr besser. Es wahr zum Verzweifeln. An einer Bushaltestelle hielt ich an. Hinsetzen, den geschwollenen linken Fuß begutachten. 1400km hatte ich hier in etwa weg. Also noch 3000km zu fahren. Und als nächstes standen die Alpen bevor. Keine gute Ausgangslage. Ich beschloss, es für diesen Tag gut sein zu lassen. Suchte mir eine Unterkunft in der Nähe. Duschen, alles waschen, ordentlich alles dehnen und am nächsten Tag ausschlafen war mein Plan. Vielleicht hilft es ja etwas und ich kann wenigstens halbwegs vernünftig weiter fahren am nächsten Tag. Leider war dem dann nicht so. Schon beim Aufstehen schmerzte der linke Fuß ordentlich und war auch geschwollen. Egal, beim Rad fahren muss er nur funktionieren. So zog ich mich an und fuhr los. 10km quälte ich mich. Aber jeder kleine Hügel machte mir das Leben schwer. Bis 140 Watt war das alles zu ertragen. Aber damit kommt man weder durch das bayrische Alpenvorland, geschweige denn über die Alpen.
Mir blieb also keine sonderlich große Wahl, außer aufzuhören. Oder wie wir sagen – zu scratchen. Ich telefonierte noch etwas hin und her, aber jeder sagte mir eigentlich dasselbe. Aufhören und Urlaub machen. Genau das, was ich nicht wollte.
So fuhr ich zurück nach Dorfen zum Bahnhof und fuhr mit dem Zug nach München. Unterwegs organisierte ich mir eine Unterstellmöglichkeit für mein Rad und einen Flug nach Podgorica ab Salzburg über Belgrad. Zum Glück hatte ich ja meine Schlafausrüstung dabei, so konnte ich wenigstens standesgemäß am Flughafen übernachten. In Podgorica wurde ich von meinem ältesten Sohn und meiner Freundin schon erwartet. Auf den Spuren des TCR ging es jetzt mit dem Auto durch Osteuropa.
Kotor, Lovcen, Durmitor. Etwas Dotwatching unterwegs inclusive Adam und Pawel im Durmitor überraschen. Weiter über mir bekannte Straßen durch den Kosovo und Mazedonien nach Burgas. Unterkunft hier war schließlich schon gebucht und bezahlt für eine Woche. In Zabljak starteten wir Montag früh um fünf. Zwei Stunden bis an die Grenze zum Kosovo. Bei einem Bäcker machten wir Frühstück. Zwischenzeitlich schrieb mir ein Freund, dass Ian To in Pluzine aufgehört hat weil er keine
Schläuche mehr hatte. Er tat mir echt leid. Von da wegzukommen ist nicht so einfach. Er wollte auch auf jeden Fall nach Burgas zu seiner Familie. Aber es war bereits zu spät um nochmal umzudrehen. Es hätte uns rund 7 Stunden gekostet nochmal zurückzufahren. Aber wir blieben in Kontakt. Die Nacht von Montag auf Dienstag blieben wir in Skopje um dann Am Dienstag weiter bis Burgas zu fahren. Ian hatte es zwischenzeitlich bis nach Belgrad geschafft. Aber von da nach Sofia zu kommen, war alles andere als einfach. Am Ende fuhr er mit dem Taxi und wenigstens ab Sofia hatte seine Odyssee ein Ende, als er zu uns ins Auto steigen konnte.