Hier wird schon weiter gekurbelt:
Und schließlich vorbei an den LKW-Kolonen über die Grenze nach Italien entschlüpft!
Schussfahrt ins geliebte Südtirol, auf Bozen zu, links liegen lassen und rauf auf den Ritten, mit seinen 1200 Metern eine Vorübung auf die „richtigen“ Pässe, nach denen es mich jetzt sehr verlangt.
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Im letzten Tageslicht Kontrollfoto am Ortsschild Klobenstein.
Hunger nach Gekochtem meldet sich, die Küchen aber zu. Vor einem geschlossenen Döner naht eine Gruppe Jugendlicher, schimpft und zückt das Telefon. So komme ich an meine Pizza plus einem Radler -was sonst- und gestärkt geht es in die Nacht.
Fernes Donnergrollen und vereinzelt Wetterleuchten verheißt nichts Gutes, jetzt nicht trödeln, vielleicht schaffe ich die nahe Abfahrt an den Fuß des Penser Jochs noch im Trocknen.
Das Lichtermeer Bozens breitet sich tief unter mir aus, märchenhaft, doch jetzt schnell weiter! Wenige Kehren vor dem Abzweig erwischt es mich. Ein kräftiger Wind zieht auf, dicke Tropfen fallen, halbnaß rette ich mich in ein Bushäuschen.
Jetzt geht es richtig los: Im Sekundentakt donnert es, Blitze zucken grell um mich herum in die Nacht, Sturzregen geht nieder wie eine Wand, die Bodenplatte meines Unterschlupfs vibriert bei den Einschlägen. Die konstante Wucht des Schauspiels nimmt mich gefangen.
Also blase ich meine Matte auf und bette mich zur Nacht. Doch das Wasser drückt schräg herein, deshalb Rettungsdecke raus, jetzt geht es. Für die nächsten drei Stunden sinke ich bei konstantem Rauschen weg.
Um kurz nach eins ist das Unwetter abgezogen. Ein feiner Regen bedeckt das Land. Ich knautsche meine Rettungsdecke zu einer larvenförmigen Wurst zusammen und rolle los bergan ins Dunkel.
Nach einer Stunde Still-vor-mich-hin-Radelns taucht links von mir hell erleuchtet ein Sägewerk auf. Hier wird im Schichtbetrieb gearbeitet, Gerbsäure steigt mir vertraut in die Nase. Hinter einer Kehre verschluckt es das Schwarz. Von nah dringt das träge Läuten frei laufender Kühe zu mir herüber.
Meine Wasservorräte gehen zur Neige, nicht schlimm, denn ich habe mir gemerkt, dass sich ungefähr hier eine Quelle befinden muss; in stiller Nacht ist das Glucksen deutlich vernehmbar.
Im Kegel der Kopflampe taucht sie bald auf. Ich klinke meine Flaschen aus und stapfe über di ewassersatte Wiese, der Testschluck schmeckt frisch. Ich trinke und fülle. Über mir das Sternenmeer.
Kurz vor Morgengrauen habe ich den Pass erreicht. Mit der Lampe leuchte ich schräg das Paßschild an und probiere ein Foto. Dann tagt es, eingepackt rolle ich los, schalte hoch, hänge mich in den Unterlenker, Schussfahrt ins Tal.
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Während sich das Penser Joch durch seine lange Anfahrt ganz schön zieht, ist der Jaufen sofort da. Im Regen trete ich stur bergan.
Erst satt bewaldet, dann baumlos karg.
Am Frühstücksbuffet eines Hotels schöpfe ich Zuversicht. Doch kaum habe ich den letzten Bissen im Mund, pladdert es los aus vollen Kübeln. Geht das noch mit rechten Dingen zu? Es nützt nichts. Ich stoße mich ab und im Nu bin ich nass. Die sündteure ultraleichte Regenjacke bestenfalls gut gegen Wind.
Ein menschliches Rühren verschafft sich energisch Gehör, mit wachsender Verzweiflung spähe ich rechts und links nach Deckung. Kurz unterhalb der Paßhöhe ist es dann soweit: Ein kiesiger Wanderweg kerbt sich etwas ein, ich folge. Um aus der Trägerhose zu kommen, muss alles runter. Die nasse Kleidung bremst. Wütend zerre ich daran. Im Hocken mache ich bereits die geduckte Passhütte aus, links unterhalb davon eine Kapelle, ein Reisebus steht davor.
Ich bin jetzt klatschnass, das verknotete Bündel Klamotten vor mir im Dreck. Jetzt auch egal, nasser als nass geht nicht! Ich wate zu einem Bach und wasche mich gründlich.
Manchmal kann ein Klecks Seife so wertvoll sein wie Luft in den
Reifen!
Anschließend kämpfe ich mich in die Klamotten zurück und nehme die letzten Meter bis zum Paßschild.
Zitternd halte ich kurz mit der Kamera drauf. Bloß weg hier! Beträte ich jetzt die geheizte Hütte, öffneten sich die Poren und beim Raustreten finge ich so stark zu schlottern an, dass ich hier nicht mehr weg käme.
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Ich stürze mich in die Abfahrt, etwa 20 Minuten halte ich es aus, dann kann ich den Lenker nicht mehr halten. In die Rettungsdecke und Hilfe rufen oder ein Wunder!
Das taucht auf in Form eines schmucken Gasthofs. Ohne zu zögern biege ich ein und bitte um ein Zimmer.
Dann geht alles ganz schnell.
Durch einen Flur an einem Spiegel vorbei, bleiches Gesicht, maskenhafter Blick, lotst man mich in ein geräumiges Appartement. Die gute Frau dreht gleich die Heizung auf, im Bad bekomme ich einen Plastikbeutel für meine nassen Sachen. Ich steige in die Dusche, heftig zitternd, lauhwarm fühlt sich heiß an, weiße Beine, dann wärmer und wärmer. Meine Sachen in die Tüte vor die Tür liege ich Augenblicke später im Bett, neben mir eine große Tasse heißen Kräutertees. Ich trinke, liege, trinke, schlafe wohl zwei Stunden.
Während dessen drehen meine Sachen eine Runde im Trockner.
Als ich wach werde, fühle ich mich schon bedeutend besser. Überrascht stelle ich fest, dass ich noch gut in der Zeit bin. Unten im Restaurant herrscht bereits Hochbetrieb, im Handtuch wage ich mich vor und erbitte meine Kleidung; für die Umstände, die ich den Leuten hier mache schäme ich mich schon ein bisschen. Ich schäle mich in die Kluft, bekomme einen großen Teller Nudeln und nach Entrichtung eines symbolischen Betrags nehme ich sofort Fahrt auf, voll von Dankbarkeit und Glück; das Leben ist schön!
Sankt Leonhard am Fuß des Timmelsjochs erreiche ich um viertel vor drei und beginne ansatzlos den Aufstieg.
Mir ist warm, es ist trocken. Jetzt erlebe ich das, wozu ich her gekommen bin: Radeln in alpiner Bergwelt, Kehre um Kehre, durch kleine dunkle Tunnel, Galerien, das Gefühl der Höhe immer greifbarer, Dörfer, Höfe ziehen sich als kleine Kleckse zurück, gemauerte Säume zur einen, silbrig glänzender Fels zur anderen Seite. Das Massive und das Weite abwechselnd rechts und links von mir.
Kaffeepause