Tja, die Schwierigkeit nun ist, überhaupt noch zu eruieren, wo das ursprüngliche Thema wieder aufzugreifen wäre, nachdem die Handlungsstränge
a) Glycogenreserven-Muskelkater
b) Rückfrage zur neuronalen Ermüdbarkeit
ungelöst blieben bzw. erschöpft waren.
Also erlaubt einfach mal einen neuen Stups in Richtung Fettstoffwechseltraining:
Sicher können viele bestätigen, dass bei zunehmender Form die Hungerast-Resistenz anwächst. Gleichzeitig hört und liest man, dass der Fettstoffwechsel selbst nicht trainiert werden könne. Dass diese scheinbar unvereinbaren Positionen gar nicht widersprüchlich sind, bereitet sowohl den Verfechtern der LSD-Trainings als auch der Laplace-Fraktion etwas Kopfzerbrechen, welches ich gerne mal auflösen würde.
1. Fettstoffwechsel trainierbar?
Nein, er ist nicht direkt trainierbar. Mutter Natur wäre auch ganz schön bescheuert gewesen, wenn sie es zuliesse. Fett ist gleichzeitig Energiespender und Überlebensgarant. Wäre der Fettabbau bei Belastung im "Fettverbrennungspuls" trainierbar, so hätten wir es in der Evolution nicht bis ins Hier und Heute geschafft. Wir wären mitten im Winter aus unseren Höhlen gekrochen und hätten lange Touren aus Spass an der Freude unternommen. Dabei wären wir rasch ausgehungert und verstorben. Phylogenetisch ist also der sparsame Umgang mit Überlebensreserven eine sinnvolle Geschichte und ein "Training des Fettverschleuderns" hätte sich gegen uns selbst gerichtet.
2. Training der Fettverwertung:
Fette können nicht zur anaeroben Energiebereitstellung genutzt werden. Ihre Nutzung ist also strikt an gute aerobe Versorgung gekoppelt. Ein wenig trainierter Muskel gerät früh an die Grenze der aeroben Energieverwertung, d.h. er stellt bei dauernder Last einen hohen Anteil an anaerober Glycolyse ein. Dabei verpulvert er nicht nur Blutzucker (dessen Absinken den Hungerast bedingt) und intramuskulär gespeichertes Glycogen (welches dann leider zu "Schleuderpreisen" geopfert wird), sondern er stellt auch die Fettsäureverstoffwechslung ein. Jeder echte Ausbau der aeroben Energieverwertung trainiert also zwangsläufig auch den sparsamen Umgang mit der Blutglucose, dem Glycogen und die vermehrte Nutzung der angebotenen freien Fettsäuren. Stoffwechseltraining ist also nicht die Vorbedingung effektiver Muskelarbeit, sondern deren Folgeerscheinung. Dass dennoch eine gewisse Rückwirkung auch auf die Fettmobilisation geschieht, dürfte an der effektiven Verstoffwechslung der freien Fettsäuren liegen. Werden sie nur unvollständig genutzt, so kommt es dazu, dass Zwischenprodukte der Fettverbrennung (der "beta-Oxidation") im Blut zirkulieren und im Fettgewebe die weitere Fetteinschmelzung
bremsen. Kein Wunder, denn der Körper denkt ja, dass die zirkulierenden Fettsäure-Bruchstücke ein Zeichen dafür sind, dass noch genügend Energieträger im Blut schwimmen, und unnötige Aufgabe von Überlebensreserven ist nicht förderlich.
3. Training der aeroben Muskelleistung:
Training funktioniert ganz generell so, dass man Leistungen abfordert, die der Körper bislang noch nicht bereitstellen kann. Würden wir aerobe Leistung stets bei aerober Leistung "trainieren", dann wäre das wie ein immer wiederkehrendes Lernen der Vokabeln, die wir ohnehin bereits kennen. Duch dieses Vorgehen können aerobe Fähigkeiten lediglich erhalten bzw. gefestigt werden ("push"). Zu Beginn (und auch später immer wieder mal) benötigt man aber auch das Erschliessen eines neuen, höheren Niveaus, also die Neuanlage bzw. den Ausbau aerober Fähigkeiten. Diese wiederum erfordert die Überforderung ("pull") der aeroben Leistung, sprich eine Belastung, die klar oberhalb der iANS liegt. Die neuen Vokabeln, die der Muskel hier bimsen muss, lauten: Verbesserung der intramuskulären Kapillarisierung, Hochregulation der Enzymsysteme, die Warnungen vor leerlaufenden intramuskulären Energiereserven sind und entsprechende Gegenmaßnahmen einläuten. Die Kunst besteht im Training darin, den Muskel so "ersticken zu lassen", dass er gerade noch die Optimierung der roten Fasern betreibt und nicht vermehrt in die glycolytisch arbeitenden weißen Fasern investiert. Der Sprinter missachtet diese Kunst natürlich tunlichst und schaut, dass er tatsächlich weisse Fasern aufbaut und nur so viel in aerobes Training investiert, dass er mit seinem Team den Zielbereich erreichen kann.
4. Lactatkontrolle:
Durch optimierte Sauersoffversorgung (und hier vielleicht auch der neuronalen Koordination!) des Muskels sinken die Zeitanteile, in denen er wegen hoher intramuskulärer Drücke nicht durchblutet wird und anaerob arbeiten muss. Die im Gegenzug gewonnenen aeroben Zeitanteile können nun nicht nur zur vollständigen Glucoseverwertung, sondern auch zur Fettsäure- und Lactat-Verstoffwechslung genutzt werden. Nun gewinnen wir aus einem Molekül Glucose nicht nur 2 ATP-Moleküle, sondern ca. 10 Mal mehr ATP. Limit für die aerobe Verstoffwechslung ist also oftmals weniger die Verfügbarkeit der Energieträger selbst, sondern das begrenzende (lokale) Angebot an Sauerstoff. Das muskuläre Training optimiert also tatsächlich sekundär (!) Lactatverwertung und Fettsäureutilisation. Der Nebeneffekt der Glucose- und Glycogen-Schonung bewirkt dass diese Reserven erst bei wesentlich höheren Lasten bzw. in entscheidenderen Rennsituationen zur Nutzung kommen können und dass wir bei gleicher Leistung keinen Hungerast mehr bekommen. Eine zweite Rolle von Lactat könnte in der viel besungenen direkten Hemmung der Fettmobilisation liegen. Hier ist noch nicht ganz klar, welche Wichtung dieser Regulation zukommt. Tierversuche legen nahe, dass die Muskellactat-vermittelte Hemmung der Lipolyse weniger Relevanz habe, aber ob dies auch im Menschen oder unter sehr hoher Last immer noch so ist? Jedenfalls würde auch in diesem Punkt das primäre Muskeltraining sekundär zur optimierten Stoffwechsellage beitragen - ein Effekt, der auch in der Therapie von Stoffwechselerkrankungen heftig ausgenutzt wird, zumindest wenn der Patient sich zum Sport hinführen lässt.
5. Kreislaufwirkung:
Erhöht unser Körper den Kapillarquerschnitt zur aeroben Versorgung großer Arbeitsmuskulatur, dann erhöht dies die Anforderungen an das Herzzeitvolumen. VO2max-Intervalle bauen so nicht nur im Muskel die Kapillarisierung aus und optimieren sekundär die Stoffwechsellage, sondern es wird ein zweiter Sekundäreffekt erzeugt, der in der Kreislaufregulation greift. Es kommt zur Erhöhung der Herzleistung, des Plasmavolumens und auch der Gesamtmenge zirkulierender roter Blutkörperchen, obgleich der Hämatokrit wegen des größeren Plasmavolumeneffektes sogar meist eher etwas absinkt. Die höhere Herzleistung bewirkt, dass in der Ruhe weniger Herzschläge ausreichen, um den Bedarf zu decken, die Pulsfrequenz in Ruhe und bei geringer Last sinken also ab. Gleichzeitig steigt durch das höhere Plasmavolumen auch die Toleranz gegenüber Flüssigkeitsverlusten, so dass der trainierte Sportler mit einer Flasche weiter fahren kann, als ein untrainierter Fahrer.
So, damit wäre ich also meine Weisheit los, was die Effekte von "pull" und deren Stabilisierung durch "push" angeht. Für mich ist das Grundlage genug, und ich würde bevorzugen, es einfach "Ausdauerleistung" zu nennen und die erfreulichen Nebeneffekte in Bezug auf den Stoffwechsel als günstige sekundäre Begleiteffekte unter der "Ausdauerleistung" zu subsummieren, anstatt daraus einen eigenen Komplex namens "Grundlage" stricken zu wollen. Da hinsichtlich des Trainings der "Ausdauerleistung" weniger Verwirrung erzeugt wird, als in den Ideen zum Training der "Grundlage", wäre auch dem Praktiker für seine Trainingsgestaltung geholfen. Die "Grundlage" in dem von mir skizzierten Sinn ist also keine eigenständige Trainingsbedürftigkeit, sondern sie wird einem beim Ausdauertraining automatisch mitlaufen. Dabei trennt bitte sehr klar zwischen "Grundlage", als einem wenig scharfen Begriff, der aus meiner Sicht entbehrlich ist und "Grundausdauer" (GA1/GA2) als Trainingsintensitätsbereichen, die als Komponenten des Ausdauertrainings weiterhin relevant sind. I.a.W.: GA1/GA2 behalten natürlich als "push"-Komponenten ihre Berechtigung im Trainingsmix.
vG, Michael