Er sagt nur aus, daß die dünnere Speiche bei einer höheren (1) Gewichtsbelastung völlig entlastet wird.
Selbstverständlich ist das so!
Findet ihr das wirklich selbstverständlich? Ich nicht.
Selbstverständlich längt sich die dünnere Speiche bei gleicher (2) Last mehr.
Und selbstverständlich brauche ich die gleiche (3) Vorspannkraft (höhere (4) Spannung, weil geringerer Querschnitt) um eine Dicke durch eine Dünne zu ersetzen.
Nehme ich die gleiche Kraft wieder runter, haben sich beide voll entspannt. Die Dünne hat sich dabei mehr zusammengezogen.
Damit wir nicht aneinander vorbeireden, muss ich zu ein paar Dingen schreiben, was ich darunter verstehe:
(1) Gewichtsbelastung = Gewichtskraft vertikal von oben in die Nabe des Laufrades eingeleitet, genauso groß wie der Druck von unten von der Straße auf die Felge, physikalische Einheit Newton N
(2) Im Zusammenhang dieses Satzes verstehe ich die Vorspannung darunter, die Zugkraft die auf die vorgespannte einzelne Speiche wirkt, auch in N
(3) Vorspannkraft und (4) Spannung haben für mich dieselbe Bedeutung, beides sind die Zugkräfte die auf die einzelne oder die Gesamtheit aller Speichen wirken, deshalb erscheint mir die Aussage auch falsch. Du baust dieselbe Spannung (Edit: Spannung ist der falsche Begriff, richtig ist Spannkraft o.ä.) mit mehr Nippelumdrehungen auf.
Diese Aussage
Nehme ich die gleiche Kraft wieder runter, haben sich beide voll entspannt. Die Dünne hat sich dabei mehr zusammengezogen.
ist natürlich richtig.
Aber das passiert beim Laufrad nicht. Du nimmt keine (Zug-)Kraft herunter. Das machst Du nur, wenn Du die Nippel löst.
Statt Kräfte vom Laufrad herunter zu nehmen, kommen zusätzliche Kräfte hinzu, im einfachsten Fall nur die Gewichtskraft von oben = Druck der Straße von unten.
Gäbe es keine Felge, würde die ganz unten stehende Speiche um gleich viele N entlastet, mit der die Gewichtskraft von oben wirkt.
Aber ein Laufrad kann man praktisch nicht ohne Felge bauen, und funktioniert auch gedanklich physikalisch glaube ich nicht. Die radiale Steifigkeit der Felge führt dazu, dass nicht nur die unterste, sondern auch benachbarte Speichen entlastet werden.
Damit die unteren Speichen überhaupt entlastet werden können / einen Teil Ihrer Vorspannung abgeben können, müssen Sie sich verkürzen können. Das geht nur, wenn die Steifigkeit der Felge überwunden wird, und die Felge am Aufstandspunkt zur Nabe hin verformt wird, Größenordnung 0,2 mm oder so.
Die radiale Steifigkeit der Felge/des Laufrades misst sich in N/mm, in Worten
Newton pro Millimeter. Welche Kraft in N muss ich aufbringen, um die Felge einen mm zur Nabe hin zu verformen? Genau wie bei einer Feder, muss ich die aufgebrachte Kraft vergrößern, wenn die Verformung größer sein soll. (Der Simulator zeigt z.B. bei einem hinteren Laufrad TB 14 / 36 Speichen / 1,8 zu 1,5 mm / 110 zu 55 kgf Vorspannung ein radiale Steifigkeit von ca. 3500 N/mm an, das entspricht einer Gewichtskraft von ca. 350 kg (!) pro mm Verformung)
Und da sind wir beim Ausgangspunkt: Um eine dünnere Speiche unter sonst gleichen Bedingungen vollständig zu entlasten, muss sie sich mehr verkürzen können, muss die Felge/das Laufrad mehr Millimeter verformt werden, muss mehr Gewichtskraft von oben/Druck von der Straße aufgebracht werden.
(Das funktioniert nicht wirklich so eindimensional, dünnere Speichen (auch auf nur einer Seite) reduzieren z.B. die radiale Steifigkeit des Laufrades als Ganzes, die notwendig größere Verformung überwiegt den Effekt aber.)
Um das klarzustellen:
Ich finde solche Überlegungen echt interessant, um das Konstrukt Laufrad einigermaßen zu verstehen. Nur weil ich neugierig bin.
Man braucht solche Überlegungen aber wirklich nicht, um ein haltbares Laufrad zu bauen. Dafür ist sorgfältiges Arbeiten, am Besten gepaart mit Erfahrung, tausendmal wichtiger.