1500 km auf dem Bambusrad gefahren: Zeit für ein erstes Fazit. Und einige Bilder.
Das Rad ist kaum leichter alsdas Croix de Fer, fährt sich aber ganz anders.
Es ist ja auch ganz anders. Wie fährt es sich und was ist anders gebaut?
Die Fragen stelle ich mir ziemlich genau, schließlich habe ich vieles bewusst genau so gemacht wie es ist, auch im Vergleich zu anderen Rädern, die ich kenne. Es ist so eine Art "privater Technologieträger" für mich, an dem ich einiges ausprobiere, was mich an Fahrradtechnik neugierig macht.
Ich beginne mit den
Reifen. Nach interessanten Erfahrungen mit leichten 32 mm Gravelkings beim Croix wollte ich wissen, was an den breiten
Reifen dran ist und habe das Rad für 42 x 650B Bereifung gebaut, klassisches Maß für Randonneure. Besorgt und verbaut habe ich die Panaracer Gravelking Slick in dieser Dimension. Das war mit etwas Verwunderung verbunden: So sind die 32/28 x 700 C Gravelking Slick im besten Sinne "engineered", also bis ins letzte Detail durchentwickelt. Sie haben z.B. Verschleißindikatoren inForm kleiner Vertiefungen in der Lauffläche, auf die sogar mit kleinen in die Flanke geprägten Pfeilen hingewiesen wird. Komplette Präzision. Nicht so beim "Dicken Bruder": Diese Detail fehlt hier, der
Reifen wirkt unpräzise, lässt sich höllisch schwer montieren. Ich schiebe das auf die "tubeless-ready"
Felgen mit ihren beinahe-Tiefbett. Nur mit Druck bis 6 bar rutscht der Wulst nach außen und noch immer sitzt der
Reifen nicht rund in der Felge. Hm...bis zu dreimal Luft ablassen war nötig, bis es saß. Dann die Testerei mit dem Luftdruck. Zwischen 1,8 und 3,5 bar hab ich einiges getestet. 3,5 ist schon recht sportlich-strammund braucht guten Belag, 2 bar federt fast alles ab und lässt dich nur so dahingleiten und über alles, einschließlich Brandenburger Dorfstraßenpflaster, mühelos "drüberbügeln". Schnelle Fahrt bis deutlich über 40 km/h geht prima, kein Nachteil gegenüber dem Rennrad zu spüren. Beim Bau hatte ich mit Dan bereits erörtert, nur 38er
Reifen aufzuziehen, falls der Hinterbau doch zu eng sein sollte. Wollte ich aber nicht. Zudem wuchsen die 42er nach 500 km bis auf satte 45 mm an.
Dann verabschiedete sich der Hinterreifen, wohl durch eine große Scherbe, mit einem Schnitt, der den
Schlauch hervorquellen ließ. Ersatz musste her, und zwar am Feitagnachmittag. kleine Recherche in Berlin: Wer hat sowas? Wer noch ans Telefon ging, war ohne Lagerbestand. Außer Jörg Haase von Sella Berolinum.
Der bot sogar an, mich abends an seinem Lager zu treffen und mir die
Reifen (Gravelkings vertreibt er wegen der Chargenschwankungen nur noch paarweise, aber günstig) persönlich zu übergeben. Gesagt, getan. nach einem sehr netten, für einen Versandhändler aber sicher komplett unwirtschaftlichen Gespräch hatte ich zwei
Reifen in der Hand. Aus "Daffke" und reiner Neugier nun in 38 mm Breite. Mal sehen, wie groß der Unterschied ist.
De
Reifen ist wiederum ein anderer. präziser gebaut als der 42er, lässt scih viel besser montieren und läuft auf Anhieb perfekt rund. Auf der Flanke prangt der Aufkleber "Gravelking" und - leicht erhaben im Gummi "PACENTI". Also ein Pari-Moto im Schlafrock? Egal, hauptsache, die anscheinend weltweit einzige Fabrik für soche
Reifen brennt nicht ab...
Nach weiteren 1000 km kann ich sagen, der ist perfekt für mich. Mit knapp 300 g schön leicht, von 2,5-3 bar sportlich, zwischen 2 und 2,5 bar super bequem. Am Hinterbau und zu den 50er Schutzblechen ist gut Platz, nicht mehr auf Kante genäht. passt. Auf mehr als 39 mm ist er nicht angewachsen... Im losen Sand ist der breitere etwas besser, aber das kommt zu selten vor, um relevant zu sein. Auch auf bösem Kopfsteinpflaster fahre ich den Kollegen auf dem Rennrad entspannt lächelnd davon.
Allerdings liegt das Tretlager nun so tief, dass ich in Kreisverkehren schon mal Bodenkontakt mit der Pedalunterseite hatte. Also vielleicht die Plattformen für Normalschuhe vor sportlichen Ausfahrten mal entfernen...
Die Gabel ist eine Maßanfertigung. Nach Montage hätte sie etwas kürzer werden können, dann wäre das Steuerrohr eben etwas länger geworden, passt schon. Sie benimmt sich prima, das Lenkverhalten ähnelt dem CAAD9, von dem ich die Geometrie abgeschaut habe. Auch mit erheblicher Last von 5-10 kg auf dem Front-GT bleibt es agil und neutral.
Auch der durch Trickserei mit 410 mm kurz gehaltene Hinterbau trägt sicher dazu bei. Das Sitzrohr wurde ca. 10 mm vor der Tretlagerachse angesetzt, so dassdie Kettenstreben kürzer werden konnten. Insgesamt ist der Rahmen seitlich flexibler als alles, was ich so kenne. Das gefällt mir sehr gut. Ich kann, wie schon geschrieben, kleinere Trittfrequenzen besser fahren als auf steiferen Rädern, sprich: "dickere" Gänge treten. ab 90 rpm fühlt sich das gut an, sonst sind das eher 100. Die Obergrenze liegt auch etwas niedriger, weil sich irgendwann eine Eigenfrequenz einstellt und der Rahmen etwas flattert. bei prallen
Reifen, passiert das ab ca. 110, bei weichen ab etwa 105. Und bei Rückenwind fällt es stärker auf als bei Gegenwind. Hm. Bin weit davon entfernt, hier etwas erklären zu wollen, aber Druck aufs Pedal scheint zu stabilisieren. Und bei dem weiter oben beschriebenen "Planing" spielen Flex des Rahmens, Breite und Druck der
Reifen und auch der Zustand des Fahrers eine Rolle. Bin ich müde und verspannt, läufts nicht gut, was Wunder... Vielleicht bringen die nächsten Jahre da ja neue Erkenntnisse von anderer Seite. Ich genieße erstmal, dass es auf diesem Rad super viel Spaß macht.
Der dritte
Flaschenhalter war auch so eine Idee, die ich unbedingt ausprobieren wollte. Bei der Hitze dieses Sommers sogar eine richtig gute. Bin nie auf dem Trockenen gelandet
und der Bidon ist gut zugänglich so und lässt sich auch problemlos wieder verstauen. An weniger heißen Tagen kann hier ein kleiner Bidon mit
Werkzeug wohnen.
Nächstes Mal 5 mm weiter oben montieren, dann berührt die Flasche das Schutzblech auch nicht.
Das geteilte hintere Schutzblech hab ich noch nicht gebraucht, morgen kann das aber passieren. inzwischen macht der als 1:1-Modell herangezogene Rest aber langsam schlapp, so dass ich über eine "richtige" Befestigung nachdenken muss. Magnetisch?! Mal sehen...
Der Ledersattel ist einfach toll. Jedes zusätzliche Gramm (und das sind immerhin fast 300) ist er wert. keine Beschwerden nach 160 km. Und vor allem: auch keine an den Tagen danach.
Die Magnic Lights waren umständlich zu montieren. Wenn ich sie anstecke, funktionieren sie aber. Inzwischen denke ich über ein drittes am rechten Gabelbein nach, weil es derzeit passieren kann, dass ein von rechts kommender Autofahrer mein Frontlicht nicht sieht, weil es vom
Reifen verdeckt wird. Das wäre blöd.
Die "Race"- Version würde ich nicht wieder nehmen, sie fängt wirklich erst bei knapp 10 km/h an zu leuchten. ob sie dann später viel heller wird? Zur Ausleuchtung der Straße taugt auch sie nicht wirklich, müsste es aber mal im ganz dunklen ausprobieren.
Das Rücklicht hingegen ist super. Es ist sofort "da" und auch von der anderen Seite des Rades aus gut zu sehen.
Auch wenn die
Bremsen in letzter Zeit hart kritisiert wurden, kann ich das nicht nachvollziehen. Benehmen sich durchgängig unauffällig und stoppen zuverlässig. 1 Mal nachgestellt in gut 1.500 km. Das war's für heute.
Hat jemand Fragen?
Gruß, svenski.