Mit dem 200er bei den Ostfalen Randonneuren habe ich mein erstes Brevet beendet. Es war zwar nur ein 200er Brevet, aber dafür war es ein Brevet mit Ecken und Kanten, als ob es einen Frischling wie mich wirklich prüfen wollte.
Morgens um Sieben war die Welt noch in Ordnung. Es war auffällig, dass die Ersttäter fast alle ziemlich früh da waren und so konnte man sich schon einmal nett austauschen. Alle waren sich sicher, dass es trocken bleiben würde, wir hatten schließlich jeder die Wetter App befragt.
Von Manfred mit den zwei linken Schuhen hat ja schon Imi berichtet. Manfred ist eine echte Frohnatur und er ging mit der Situation echt locker um. Kurzerhand wurde der Cleat an einem der linken Schuhe versetzt, damit er einigermaßen auf seinem Liegerad treten konnte. Diese Situation hätte mich wahrscheinlich schon zum Abbruch veranlasst bevor das Brevet überhaupt begonnen hatte.
Es ging dann los und es lief alles bestens für mich. Ich fühlte mich gut, fror nicht, das Tempo passte und so fuhr ich in einer Gruppe mit. Schon nach kurzer Zeit schlug dann die zehnprozentige Regenwahrscheinlichkeit zu und hörte auch so schnell nicht wieder auf. Das war die erste Lehre aus diesem Brevet, vertraue niemals, aber auch niemals irgendwelchen Wahrwcheinlichkeitsberechnungen, schon gar nicht denen aus der Meteorologie.
Dass das Tempo der Gruppe doch nicht so passend für mich war, merkte ich an der ersten etwas längeren (hust) Steigung. Alle die südlich der Norddeutschen Tiefebene wohnen, sollten das Wort Steigung überlesen oder in den geographischen Bezug einordnen. Jedenfalls machte ich etwas langsamer und fuhr dann für kurze Zeit alleine im Regen. Das hatte zumindest den Vorteil, dass ich nicht mehr das Spritzwasser vom Vordermann ins Gesicht kriegte.
Richtig lange fuhr nicht alleine, denn von hinten rauschte dann Imi ran. Es war nett von ihm, dass er mich mit den Worten: „Ich lasse mich von einer Gruppe auch immer mitreißen und bin zu schnell“ trösten wollte. In Anbetracht dessen, dass er als einer der beiden Ersten wieder bei Hartmut war, zeugt das von wahrer Größe und Einfühlungsvermögen. Danke Imi!
Ich hängte mich dann an Imi dran und mit ihm als Schrittmacher erreichten wir wieder eine Gruppe. Es regnete im Übrigen immer noch.
Zum Glück hatte mich Imi wieder an die Gruppe rangefahren, sonst wäre ich schnurstracks an der ersten Kontrolle vorbeigefahren. Meine Route bog nach rechts ab, während die Kontrollstelle einen kleinen Schlenker nach links erforderte. Das war die zweite Lehre aus dem Brevet, lade immer die einzelnen Tracks aus der Mail von Hartmut auf deinen Radcomputer. Vertraue niemals, aber auch niemals dem Gesamttrack von Gpsies.
In der Gruppe ging es dann weiter zur zweiten Kontrolle. An dieser Kontrollstelle teilte sich die Gruppe dann weiter auf, da einige sofort weiter wollten. Ich machte mich dann mit dem zweiten Teil der Gruppe wieder auf den Weg.
Bei knapp 100 Kilometer hat es mich dann erwischt, Platten. Ein Mitfahrer fragte noch ob ich Hilfe bräuchte und ob er mir sein Zettel mit dem Roadbook da lassen sollte, da wir uns über meine fehlerhafte Route auf dem Radcomputer unterhalten hatten. Ich lehnte natürlich heldenhaft ab, da ich ja alles zum Schlauchwechsel dabei hätte und mir auch das Roadbook von Hartmut mitgenommen habe. Er könne also ruhig mit der Gruppe weiter fahren.
Es hatte nun fast ganz aufgehört zu regnen und ich dachte mir, dass ich jetzt mit dieser Panne einem echten Randonneur einen Schritt näher gekommen bin. Ich machte mich also total motiviert an den Schlauchwechsel was auch recht gut klappte. Dann kam der Moment des Aufpumpens und ich machte ich meine dritte Lehre. Vertraue niemals, aber auch niemals auf die Katalogangaben der Hersteller von Minipumpen. Acht Bar sollte das Ding schaffen. Trotz exzessiven Pumpens habe ich schätzungsweise nur so um die drei Bar in den
Schlauch bekommen.
Nass, dreckig und vom Pumpen schon ganz müde, machte ich mich wieder alleine auf den Weg Hinten Starrachse von Luftfederung.
Da es jetzt mittlerweile schon ca. 12:30h war und ich noch nichts Vernünftiges gegessen hatte bekam ich zum ersten Mal eine Hungerast zu spüren. Mir war kalt, ich war nass und hatte Hunger, es ging nichts mehr. Zu allem Überfluss hatte ich nach drei bis vier Kilometern wieder Vorne einen Platten. Ich hielt also wieder an und wechselte erneut den
Schlauch und hatte meinen zweiten und gleichzeitig letzten Ersatzschlauch im Einsatz.
Komischerweise konnte ich auch diesmal nichts im Mantel feststellen, kein Splitter, kein Stein nichts. Erst als ich Außen auf den Mantel schaute sah ich durch Zufall den Übeltäter. Splitt hatte sich in den Mantel gebohrt und durchstochen, ragte aber ohne Last Innen in den Mantel nicht rein.
Vor der Weiterfahrt noch einen schnellen Blick aufs Roadbook. Also Zettel aus der Rahmentasche geholt und mit Entsetzen festgestellt, dass sich meine Wegbeschreibung durch die Nässe so ziemlich aufgelöst hatte.
Da stand ich nun, nass, frierend, hungrig, vollkommen schlapp ohne Wegbeschreibung irgendwo vor Irxleben der nächsten Kontrollstelle.
Genau da dachte ich für einen Moment ans Aufgeben. Doch so sollte mein erstes Brevet nicht enden. Also beschloss ich wieder aufzusteigen und weiter zu fahren ich hatte die Route und selbst wenn ich an allen Kontrollstellen vorbei fahre, ich will die 200 km schaffen und zurück nach Warberg.
Kurz nach diesem Entschluss kam auch die Rettung für meinen Hunger, Das Mc donald bei Irxleben, also rein und einen dicken Burger gegessen. Danach ging es mir wieder besser und die Kraft kam zurück. Zum Glück lag die Kontrollstelle bei Irxleben direkt an der Strecke.
Zu meinem noch größeren Glück, traf ich dort drei Mitfahrer wieder. Ich war satt, wieder motiviert und ich hatte jemand gefunden der wusste wo die Kontrollstellen sind. Die Drei wurden mich nicht mehr los. Unsere kleine Truppe passte auch wirklich gut zusammen, das Tempo war goldrichtig und Stimmung war bestens. Sogar die Sonne kam raus. So fuhren wir gemeinsam das Brevet zu ende. Meinen Dank an die drei Begleiter.
Manch ein erfahrener Randonneur wird es vielleicht belächeln, aber ich glaube mein erstes Brevet hat es mir nicht leicht gemacht. Ich habe nicht aufgegeben und bin dem Randonneur einen Schritt näher gekommen.
Weitere Schritte werden folgen.
Jörg