Die Wettervorhersage für den 600er war ähnlich labil wie für den 400er:Gewitter waren ab der Mittagszeit überall und jederzeit möglich.
Immerhin war die Anfahrt am Morgen windstill und die Sonne ging auf halbem Weg nach Spich auf. Im Osten war es schön klar, im Westen noch
(oder schon?) etwas diesig. Pünktlich war ich am Ziel und hätte die Zeit gerne noch genutzt, einen Kaffee zu tringen, aber so früh ist die Gaststätte noch nicht geöffnet.
Am Start waren gut 30 Teilnehmer. Wie üblich ein paar Velomobile und diesmal ein Tandem. Nach der Ansprache mit den üblichen Ratschlägen und
der expliziten Option, nach Lust und Laune entweder auf dem Träck oder auf dem jeweiligen Flussradweg (Sieg, Lahn, Mosel) zu fahren, erfolgte
der Start diesmal nicht im Block, sondern in Kleingruppen. Die kleinen Gruppen zerfielen und bildeten sich neu, sodass ich schon am Anfang
immer wieder mal Stücke alleine gefahren bin.
Noch nicht ganz wach ging es zügig an der Sieg entlang, meist auf der Straße. So entspannt in der ruhigen, bekannten Landschaft dahin gleitend verpasste ich prompt in Allner den Abzweig auf den Siegradweg und bin statt dessen der Bröl gefolgt. Im Ort Bröl fiel mir dann auf, dass irgendwas nicht stimmt
. Nach kurzem Überlegen war die schnellste Strecke zurück der kleine Hügel hinauf nach Bödingen und von dort wieder runter an die Sieg.
Damit war auch das nächste Zwischenziel klar: Wo gibt es frischen Kaffee? In Roßbach wurde ich an einer Bäckerei fündig. Hier hat Rainer auch eine Änderungder Route vorgenommen: Statt wie im Vorjahr über den Berg auf der linken Siegseite blieb er diesmal unten und sparte Höhen- und Kilometer. So lag die Bäckerei sogar direkt an der Strecke.
Ereignislos verlief die Fahrt bis zur ersten Kontrolle, außer dass es langsam heißer und die Wolken im Westen zahlreicher wurden. In Kirchen war noch alles von der Fronleichnamsprozession geflaggt und in der Ferne hörte man den Lautsprecher. Oberhalb der Kirche wartete jedoch nicht der Pfarrer mit der Monstranz, sondern das Tandem mit defektem Antrieb. Mangels
Kettenschloss bekommen sie das Rad nicht wieder in Gang. Ich hatte nur ein 9fach Schloss bzw. einen Nietstift dabei, deren Kette ist aber 10fach. Nach etwas Überlegen kommen wir zu dem Schluss, dass das Schloss die bessere Lösung sein müsste, wenn es durch den Schaltkäfig passt. Das scheint zu funktionieren und mit dem weiteren Zusammenbau kommen sie alleine klar.
Die Stadtdurchfahrt Siegen war so lästig wie das letzte Mal, nur die Sonne brannte nicht mehr so stark, denn die ersten dunklen Wolken gaben Schatten. Am Ende der Stadt leistete mit ein Mitfahrer Gesellschaft. Er war extra aus Berlin angereist und hat das Minimalziel Koblenz (gut 400 km). Kurz vor Deuz merkte ich, dass es Zeit wird, etwas zu essen, zumal der lange Aufstieg zur Sieg- und Lahnquelle ansteht. So hielt ich an, während der weiterfuhr. Ich hatte gerade das erste Brot hinter mir, da fängt es an, zu tröpfeln. Nach einem Blick nach oben war klar, dass die Weiterfahrt drängt. In Deuz wurde der Schauer etwas stärker, aber weiter oben schien noch die Sonne. Statt die Regenbekleidung raus zu suchen, fuhr ich lieber weiter, und war kurz drauf im Trocknen. Der Blick zurück Richtung Siegen zeigte dicke, schwarze Wolken und später zu Hause in der Zeitung las ich, dass in Kirchen zeitgleich die Fontänen 2 m hoch aus den Gullis gespritzt waren. Um etwas Vorsprung vor dem Gewitter zu bekommen, nahm ich in Walpersdorf den direkten Weg zur Lahnquelle: Die letzen 250 Höhenmeter werden auf 3 km untergebracht mit einem deutlichen
Schwerpunkt im letzten Drittel. Die Strecke ist bis auf den Parkplatz unmittelbar an der Eisenstraße durchgehend asphaltiert, aber wegen der über 15%, langen Steigung am Ende ist das keine Wiederholung wert. Am Lahnhof war noch genügend Hunger für ein spätes Mittagessen übrig geblieben. Die Vorsuppe kam noch vor dem ersten Weizen. Der Hauptgang, frisches Wiener Schnitzel vom Kalb, folgte zügig, zusammen
mit dem zweiten Bier. Sehr lecker, aber auch 34 €. Während des Essens konnte man schön sehen, wie die schwarzen Wolken über die Täler westlich der Wasserscheide nach Norden ziehen. Gut gestärkt ging es in die Abfahrt nach Bad Laasphe, mit das schönste Stück der gesamten Strecke. Dem tat auch ein kleiner Schauer kurz vor der zweiten Kontrolle keinen Abbruch.
An der Kontrolle waren noch zwei Mitfahrer, unter anderem auch der Berliner. Da ich kurz vorher eine ausreichende Pause hatte, mache ich mich zügig auf den Weg. Der Berliner wollte noch etwas länger bleiben, was sich als Fehler herausstellen sollte. Hinter Bad Laasphe blieb es zunächst noch sonnig, die Wolken zogen westlich des Lahntals nach Norden, kamen aber langsam näher. Hinter Caldern war es dann soweit: Die erste dunkle Wolke überquerte das Lahntal, aber es blieb trocken. Erst kurz vor Ende der Wolke war das gleiche Muster wie vor Bad Laasphe:
Nieselregen, wenige Sekunde dicke Tropfen, dann wieder Niesel und nach zwei Minuten war es wieder trocken. Beim Blick zurück zeigte sich das ganze Potential dieser Wolke: Das gesamte nördliche Lahntal versteckte sich hinter einem dicken Regenvorhang, der nur ganz langsam weiterzog - da hatte ich noch mal Glück gehabt, aber die nachfolgenden Fahrer taten mir leid.
In Marburg führt der Lahntal-Radweg mal ausnahmsweise direkt an der Lahn entlang und dort zeigte die Lahn diesmal ein anderes Bild: Schlammig-braun floß der Fluß mit sehr viel Wasser vorbei, an manchen Stellen war der Radweg noch nass. Hier musste vor nicht allzu langer Zeit auch ein dicker Schauer durchgezogen sein. Entsprechend gering war der Fuß- und Radverkehr auf dem Lahntalweg und es ließ sich vergleichsweise zügig fahren. Hinter Marburg zieht sich der Lahntalradweg wieder lang durch die Felder Richtung Gießen. Letztes Jahr hatte ich auf dem Stück eine Pause in einer Pizzeria gemacht, nach der ich anschließend vor einem platten Hinterrad stand. Da auch die Luftpumpe gestreikt hatte, hatte ich damals von Gießen den Rückweg mit der Bahn angetreten. Diesmal lief es besser, und ich traf vorher noch einen Mitfahrer auf dem Liegerad, der auch langsam Hunger bekam. Die Pizza vom Vorjahr hatte inzwischen komplett geschlossen und in den Nachbardörfern war auch nichts geöffnet. Erst kurz vor Gießen war ein Campingplatz mit geöffnetem Biergarten und wir kehrten zum Abendessen ein. Mit frischer Kraft ging es anschließend an Gießen vorbei, wobei das Liegerad im Flachen natürlich einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil hatte. Wetzlar war schnell erreicht und an der Kontrolle sahen wir uns wieder. Mit der Abenddämmerung wurde das Tal wieder etwas beschaulicher, aber bevor es richtig schön wurde, war es auch schon dunkel. In Weilburg hatte mein Roadbook einen Rechts-Links-Fehler und so umrundete ich erst die Stadt, fuhr dann die geplante Schleifenabkürzung durch den Tunnel, stellte fest, dass ich hier schon mal war, und musste dann durch den Tunnel wieder zurück ...
Der anschließende Abschnitt an der Lahn bis Runkel wäre bei Tageslicht das drittschönste Stück an der Lahn (nach dem Unterlauf unterhalb Diez und dem Oberlauf bis Bad Laasphe), wurde aber nur stroboskopisch durch Wetterleuchten aus dem Westen beleuchtet, wenn man von den Ortschaften auf der Höhe und den mit Paddlern gut besetzten Campingplätzen absah. Die Abkürzungen der offiziellen Strecke über die Hügel ließ ich aus und blieb unten auf dem Radweg. Die wassergebundene Decke fand ich aus meiner Sicht (32er Marathon Plus) sehr gut fahrbar, aber das mag mit dünneren
Reifen anders aussehen. Limburg-Diez war wohltuend wenig Verkehr, es war ja schon nach Mitternacht, da konnte man problemlos mitten durch die Stadt fahren.
Hinter Diez standen wieder die kurze Strecke über die Hügel an, aber hier wollte ich wieder den Lahndradweg nehmen. Der führt eigentlich hinter Geilnau (was für ein Name) hoch nach Holzappel auf der Westerwälder Seite, aber es gibt auch einen Leinpfad unten an der Lahn entlang, dessen
Benutzung mit dem Rad gestattet ist. Der erste Teil war die Zufahrt zur Schleuse, war breit und wurde durch Angler gut beleuchtet. Im Licht konnte ich erkennen, dass die Tropfen auf der Brille nicht vom Regen kamen, sondern im Tal eine kleine Nebelwolke stand. Hinter der Schleuse wurde der Weg schmaler, bis nur noch ein Trampelpfad übrig blieb. In der Single-Trail-Skala wird der zwar als S0 eingestuft, da aber die Kronen einiger umgestürzter Bäume umfahren bzw. umtragen werden mussten, würde ich ihn eher als S1 bezeichnen. Der Abschnitt ist definitiv nicht zum Nachfahren geeignet, zumal er auch stockdunkel ist. Durch den Wald kam auch vom inzwischen intensiven Wetterleuchten kaum etwas unten an.
Der letzte Kilometer vor Laurenburg war ein entspanntes Dahinrollen durch Wiesen, bevor in Laurenburg mit der Straße auch der offizielle Radweg wieder an die Lahn kam. In Laurenburg war der Friedhof samt Wasserhahn "geöffnet" und ich konnte die Flaschen wieder füllen. Der Treffpunkt mit der offiziellen Strecke war Obernhof, aber bevor ich die erreichte, fing es an zu regnen. Als ich die Regenjacke gerade angezogen hatte, erinnerte mich der erste Blitz mit kurz darauf folgendem Donner daran, dass es in dieser Nacht wohl besser wäre, einen geschützten Platz aufzusuchen. Auf dem Bahnsteig war auch eine gute Gelegenheit zu sehen: Das Wartehäuschen auch stabilem Metall mit einer Bank unter dem Dach. Nach fünf Minuten wurde aus dem leichten Regen ein mittlerer Platzregen und der Donner folgte unmittelbar dem Blitz. Als ich gut saß und überlegte, was ich machen sollte, machte sich die Müdigkeit bemerkbar, und ich habe mich auf die Bank gelegt. Trotz Gewitter war ich wohl sehr schnell eingeschlafen, kein Wunder, es war inzwischen drei Uhr durch.
Als ich aufwachte, sah ich zuerst einen Fuchs, der im Gleisbett stand und einen interessierten Blick in meine Richtung warf. Gut für ihn, dass um diese Zeit keine Züge fahren. Apropos Zeit: Es war kurz nach vier, also hatte ich eine Stunde geschlafen. Der große Regen war durch und es nieselte noch leicht. Die Regenjacke ließ ich an und machte mich auf den Weg. Unten auf der Hauptstraße waren zwei Mitfahrer, unter der anderem wieder der Berliner. Ihn hatte das Gewitter ungeschützt auf der Höhe überrascht und er war froh, heil durchgekommen zu sein. Er konnte mir vom Tandem berichten, dass ihn noch vor dem Gewitter überholt hatte: Das
Kettenschloss hatte wohl gehalten. Je weiter es das Lahntal hinunter auf Koblenz zu ging, desto weniger Tropfen fielen und hinter Bad Ems machte sich das erste Licht des neuen Tages bemerkbar.
Koblenz war noch vor dem Berufsverkehr erreicht, da konnte ich zügig durch die Stadt an meiner alten Kaserne vorbei fahren. An der Kontrolle waren noch einige Mitfahrer, so gab es etwas Unterhaltung beim Frühstück. Die Untermosel bei einsetzendem Verkehr war dann anschließend etwas nervig, aber auf dem Radweg war wenig los. In Moselkern mündet der Elzbach in die Mosel. Normalerweise ein beschauliches Bächlein, das sich aber dieses Mal als rauschende, brauner Strom präsentierte. Irgendwann war die Ruhe auf dem Radweg vorbei: Passend zur Start- und Fahrzeit nach dem Frühstück kamen Trupps von Tourenradlern entgegen, meist auf einheitlichen Leihrädern, die im Rudel nicht unbedingt auf den Gegenverkehr achten. So oft, wie auf dem Stück, habe ich die
Klingel nicht benutzten müssen. In Klotten war dann Schluss mit dem Moselradweg: Ein Hinweisschild vermeldet eine mit dem Rad nicht befahrbare Baustelle und empfiehlt mehrere Umleitungen. Zur dritten Variante, über die andere Moselseite, kam die Fähre passgenau an und wenn sich so eine Gelegenheit bietet, nimmt man sie auch. Auf der Überfahrt erfuhr ich, dass aber auch diese Umleitungsvariante bald eingestellt wird: In ca. 2 Stunden wird der Wasserspiegel der Mosel um ca. 1 m steigen und damit muss der
Fährverkehr eingestellt werden. In der Nacht hat es wohl mehr als ausreichend geregnet.
Hinter Cochem beginnt die Mosel mit ihrer größten Schleife (über 20 km) rund um den
Krampen. Der offizielle Träck kürzt ihn über den Hunsrück ab. Da ich da aber schon mal vor 47 Jahren gefahren war, nahm ich lieber die Eifelseite, wie ihn auch die Eisenbahn fährt. Aber statt eines teuren
Tunnels muss der Radler hier in anderer Münze bezahlen: Der Preis sind 300
Höhenmeter auf knapp 3 km, also im Schnitt sogar über 10%.
Oben ging es ein kurzes Stück durch ein Feriendorf und dahinter bietet sich über die Hochfläche ein breites Panorama über Hunsrück, Moseltal und Eifel. Die Kreisstraße nach Eller hat eine Überraschung parat: Sie hat eine Zufahrtsschranke, die von Feriendorfbewohnern geöffnet werden kann und ist offiziell entwidmet und für Fahrräder gesperrt. Es sind wohl zu viele Holländer mit ihren berguntauglichen Rädern hinunter an die Mosel gerollt. Da ich bessere
Bremsen habe, wagte ich mich an die Abfahrt und kam sicher in Eller an. Die letzten Kilometer bis zur Kontrolle in Zell hatten noch etwas Nieselregen und Gegenwind im Gepäck, waren aber schnell zurück gelegt.
In Zell traff ich alte Bekannte: Das Tandem war da und beschäftigte sich mit einer Fahrradreparatur. Die Kette bzw. das Schloss hatte gehalten, aber ein Plattfuss wollte versorgt werden. Nach einer kleinen Stärkung folgte dann die Schlussetappe. Zunächst ein flaches Stück mit Rückenwind die
Mosel entlang, auf dem das Tandem dann überholte. In Alf war dann Schluss mit lustig: Am gleichnamigen Bach (ebenfalls mit Hochwasser) beginnt die Eifel. Passend dazu kam die Sonne raus. Noch vor Bad Bertrich standen zwei alte Bekannte: Das Tandem wieder mit Reifenpanne. Ersatz hatten sie noch, daher fuhr ich beruhigt weiter, sie würden mich sowieso bald überholen.
Hinter Bad Bertrich begann die 4 km lange Rampe nach Kennfuss. Verglichen mit den Hämmern an der Lahnquelle oder am Cochemer Krampen war sie vergleichsweise leicht, lag aber in der prallen Sonne. Das kostete mehr Körner, zumal nach 500 km Strecke so viele nicht mehr vorhanden waren. Damit war aber noch nicht der höchste Punkt (Laubach) erreicht, aber vor dem musste erst noch das Tal der Wilden Endert gequert werden. Da bin ich schon mal mit dem MTB durch, aber beim aktuellen Wasserstand wären einige Passagen überschwemmt. Ab Laubach wurde es dann entspannend: Es folgte eine lange Abfahrt ins Elztal bis Monreal. Auch hier führt ein MTB-Sahnestückchen Richtung Mosel und von diesen Fahrten ist mir die kleine, altmodische Bäckerei in Erinnerung. Da es beste Kaffeezeit war, kam die gerade recht für ein Pause. Gut gestärkt geht es über den Hügel nach Mayen in den Berufsverkehr. Gerade die Ausfahrt aus der Stadt Richtung Koblenz und Andernach war eine Katastrophe. Erst in Thür wurde es deutlich ruhiger, als es auf kleineren Straßen wieder hoch zum Laacher See ging. Da wäre die Variante über Ettringen und Bell vermutlich die bessere, weil ruhigere Alternative.
Auf der lezten Anhöhe vor dem See käme normalerweise das Siebengebirge in Sicht und damit wäre das Ziel zumindest optisch greifbar Nahe, aber diesmal war es noch von Wolken umhüllt. Eine kleine Kalkulation für die Reststrecke ergab: 90 km bis 22 Uhr, das wäre auch mit einem 15er Schnitt noch gerade so zu schaffen, es sollte aber schneller gehen. Die ersten 10 km gingen auch richtig flott von der Hand: Die 10 km lange Abfahrt an den Rhein hat 4 km dabei, auf denen der Tacho nicht unter 40 km/h zeigte. So ließ sich eine Menge Zeit gut machen. Auch am Rhein entlang wäre das gut möglich. Auf gut vertrauten Strecken ist es immer einfacher, zu kalkulieren. Ich schaffte immer noch über 20 km/h, ohne mich anzustrengen, aber da im Norden die Wolken nur langsam abzogen, und die Zeit ausreichend war, ließ ich es lockerer angehen. In Bonn habe ich doch noch etwas Regen abgekommen, aber der war es nicht wert, das Regenzeug wieder anzuziehen. Andere Mitfahrer hatten da anderes erlebt. Entspannt kam ich kurz nach 21 Uhr am Ziel an.