Wäre da also als nächstes die Frage nach den Teilen.
Neudeutsch, modern und hip spricht man ja gerne von "parts" und meint damit Lenker, Vorbau,
Sattel, Gruppe.
Implizit sind "parts" jedoch nicht nur Teile, sondern selten, individuell und vor allem teuer.
Aber heute, 21.2.14 ist "internationaler Tag der Muttersprache", also fragen wir nach Teilen.
Die muttersprachlichen Teile sehen einfacher aus als sie aussehen
und die Beschäftigung damit ist total überflüssig
der Sache überhaupt nicht dienlich
, aber am Tag der Muttersprache muss man sich auch mit unliebsamen Aufgaben auseinandersetzen
Verbuchen wir auch dies unter gauklerischem Zeitverteib
"Teil" an sich ist ja ein Kollektivum, ein Holonym, ein Ober- und Sammelbegriff und damit per se unspezifiziert.
[
meine große Tochter "steht" auf Klugmacherwörter, und manchmal weiß sie bei Gleichbedeutung gar nicht, ob sie sich für Latein oder Griechisch entscheiden soll. Kollektivum ist unschwer zu erkennen von den Römern, das Holo-dings von Griechen.
In wenigen Fällen vermengen sich beide sprachlichen Linien zu Fremdwort-Zwittern. Selten, aber es kommt vor.
Das gute alte Automobil im Sinne von "selbst bewegend" ist so ein Fall: die bereinigten Formen wären "Ipsemobil" (lat.) oder "Autokiteon" (gr.) - mich verleiten beide zum Grinsen und ich kann nur schwer bestimmen, welches mir besser gefällt.
Im Moment gebe ich der latinisierten Version den Vorrang: Die Verwendung von "Ipsemobil" z.B. in verkehrpolitischen Diskussion würde durch verniedlichenden Klang die phallokratische Vormachtstellung des motorosierten Individualverkehrs relativieren und es auch klanglich als überbewertetes Spielzeug entlarven ]
Der Gebrauch eines Kollektivums ist in vielen Bereichen ausnehmend praktisch, dient es doch der einfachen Verständigung auch mit unpräziser Sprache. "Gib mir mal das Teil da!" ist universell verwendbar und wird erst im aktuellen Kontext speziell und mit etwas Glück auch eindeutig.
"Geiles Teil" kann in gleicher Weise unkonkret verwendet werden, ist aber gleichzeitig im Rennrad-Kontext vorbelegt durch die Produktbezeichnung eines Vorbaus von tune
Umso erstaunlicher, dass die Komposita und Ableitungen des "Teils an sich" nahezu alles an der ursprünglichen generalen Bedeutung einbüßen, dem Alltagsverständnis geradezu entgegenlaufen und einen ganz eigenen Bedeutungshorizont eröffnen. Man könnte sagen: Kontraintuitive Teilbarkeit.
So überraschend es auch klingt:
ein abmontiertes Teil kein
Abteil, ebenso wie ein anmontiertes Teil nicht
Anteil genannt wird. Folgerichtig und konsequent ist dann auch das Ergreifen eines anmontierten Teils keine
Anteilnahme, ja nicht einmal eine
Teilnahme und das handelnde Subjekt ist schon gar kein
Teilnehmer.
Vorteile werden entgegen landläufiger Meinung nicht vorne verschraubt und
Nachteile schon gar nicht hinten.
Auch beschreibt ein
Vorteil nicht den ersten Abschnitt eines Teils.
Vor- und Nachteile sind auch nicht die Vorgänger und Nachfolger der
Haupteile. Und wo überhaupt müsste man einen
Hauptteil anflaschen?
Ein
Hinterteil allerdings ist von Natur aus dort, wo es hingehört, hinten nämlich. Und ein bisschen unten. Und muss dort weder verschraubt, montiert, angeflanscht, geklebt oder gedengelt werden
Urteile sind nicht die historischen oder wissenschaftlichen Prototypen der Teile, wie es die Vorsilbe
Ur- sonst vorgibt; ein
Gegenteil ist nicht die gedachte Antimaterie eines Teils
Über
Vorteilsnahme decken wir den Mantel des Schweigens und eine
Nachteilsnahme gibt es aus gutem Grund überhaupt nicht.
Erbteile kenne ich nur vom Hörensagen, aber nicht aus praktischer Erfahrung.
Mitteile gibt es seltsamerweise nur als Tätigkeitswort und in der Beugung
Mitteilung.
Seltsamerweise ist einer, der bereits über einen erklecklichen Vorrat an
Teilen verfügt, noch lange kein
Teilhaber. Auch kein
Teiler.
Der Lagerort von
Teilen ist kein
Teilbereich, die dort versammelten
Teile sind keine
Teilmenge und auch die Aufzucht, Pflege und Domestizierung von
Teilen findet überrschenderweise nicht in einem
Teilgebiet statt
Unterteile wie
Oberteile finden sich vorwiegend im textilen Bereich und markieren darüber hinaus keine Hierarchie, obwohl es sprachlich naheliegt. Wie bei Obergeschoss und Untergeschoss, Oberschicht und Unterschicht. Sie zeigen höchstens eine eine Reihenfolge im Bekleidungsvorgang, dann aber müssten sie
Erst- und
Zweitteile heißen.
Die wiederum gibt es nicht, das wären dann
A-, B- und C-Teile. Deren Verwendung ist jedoch für die Qualitätskategorisierung in Produktionsprozessen reserviert. Ein
E-Teil hingegen ist kein Produktionsteil fünfter Kategorie, sondern ein
Ersatzteil und ein
D-Teil ist lediglich falsch geschrieben: es ist eigentlich ein
Detail und hat mit dem Sachverhalt hier nichts zu tun.
So weit, so verwirrend
Der Deminutiv "
Teilchen" führt wiederum in gänzlich andere Bereiche.
Vorwiegend ist es im Bäckereihandwerk beheimatet.
Aber:
Teilchen, was ist das überhaupt für ein Wort!
Wenn ich zum Bäcker gehe, dann will ich ein Brot. Am besten ein dunkles, ein ordentliches, ein graues, mit Kruste, ein knackiges!
Eines, auf das man ordentlich Butter und ein dickes Stück Wurst, Schinken oder Käse legen kann. Mehr braucht's da nicht!
Bei
Teilchen wird mir schon beim Hören schlecht. Diese "
Teilchen" sind ja weder Brot noch Kuchen noch Torte. Die sind überhaupt kein ordentliches Gebäck, sondern eine recht willkürliche und beliebig geformte Ansammlung aus Blätterteig und Pudding, vielleicht sogar noch mit Früchten.
Entweder ich möchte Kuchen, dann kaufe ich Kuchen, oder ich möchte Pudding, dann kaufe ich Pudding. So einfach ist das! Aber keine "Teilchen".
Es gibt die Teilchen sogar als Plunderteilchen, und damit alleine ist ja schon alles gesagt:
Derlei Backwerk ist exakt so physikalisch befindlich, wie es sprachlich daherkommt: unspezifisch, unnötig verkleinert und zusätzlich versehen mit einem Präfix, mit dem wir gemeinhein überflüssiges altes Zeugs benennen.
(Auf Besserwisserei allerorten kann ich verzichten, dass Plunder bei den Teilchen eben nicht von "Plunder" stammt, sondern altsprachlich "pluder" = aufgehen, lockern. Entscheidend ist ja schließlich, was heute unter Plunder verstanden wird und gebräuchlich ist!)
Man sollte die Deminutive für Backwerke gänzlich aus der Sprache entfernen.
Größer ist besser, ist schöner, hält länger, macht satter!
Keiner weiß besser als wir Männer:
Size matters!
Also Brot statt Brötchen. Teil statt Teilchen! Wobei ich für meinen
Teil dann (zur Ausgangsfrage zurück) wieder gespannt bin, was für ein
Teil ich beim Bäcker bekomme, wenn ich ein
Teil verlange ...
Aber außer
Mäd und
Kanin fällt mir im Moment kein sinnvoller Einsatzbereich für Verkleinerungsformen ein.
Die anderen
Teilchen sind in der heimischen Fahrradwerkstatt zwar vorhanden, aber lediglich gedanklich präsent als subatomare Bausteine in Bereichen der Quantenphysik. Experimentell nachgewiesen können werden sie nur in sogenannten
Teilchenbeschleunigern, in denen pro Sekunde mehrere Millionen Protonen mit Antiprotonen kollidieren.
Teilchenbeschleuniger sehen aus weiter Entfernung aus wie ein Stück aufgewickelte Schalt- oder Bremzughülle. Sind aber ein bisschen größer.
Zwar mag das Gedankenspiel erheiternd anmuten, sich einen hart antretenden Rennradfahrer als "
Teilchenbeschleuniger" vorzustellen, aber es führt doch an der Realität vorbei. Wenn ich die Kurbel trete, möchte ich nicht noch zufällig zugestiegene Protonen anschubsen. Ich hab mit mir selbst genug zu tun.
Die Vermengung der beiden Bedeutungen von "
Teilchen" (Bäcker und Quantenphysik) sachlich nicht korrekt, unter humoristischen Aspekten jedoch nicht unerwünscht. Tatächlich konnte man einmal einen Teilchenbeschleuniger bei
ebay kaufen, der beide Bedeutungsebenen verschränkte, das war aber meines Wissen auch singulär:
Statt von
Teilchen spricht der geübte Monteur gerne von
Kleinteilen.
Kleinteile im Rennradbereich können sehr unterschiedliche Gestalt und Funktion aufweisen: winzige Schrauben oder Muttern, Federn, Kugeln von Innenlagern oder Steuersätzen, Zug-Gegenhalter, Zugendkappen, Zughüllenhülsen, winzige Abdeckklappen von Schalt- und Bremshebeln, um nur einige zu nennen.
Trotz aller Verschiedenheit ist ihnen allen gemein, dass sie klein sind.
Klar, sonst hießen sie ja auch nicht Kleinteile.
Kleinteile sind zwar nicht subatomar, aber leider auch nur unwesentlich größer und nur noch gerade mit bloßem Auge erkennbar. Den subatomaren Bausteinen gleich verfügen sie jedoch auch über die Fähigkeit, mit der Umwelt Informationen auszutauschen. Unabhängig von unseren gewohnten Kategorien von Raum und Zeit "wissen" die Teile vom anderen.
Sie verlieren sich und ihresgleichen nicht nur gerne, sondern immer beim versehentlichen Herunterfallen an den dunkelsten, am wenigsten zugänglichen und beleuchteten Ecken der Werkstatt.
Bei außerhäusiger Montage rollen sie unweigerlich in Vertiefungen, die ausreichend groß für das
Kleinteil, jedoch viel zu klein für alle zur Verfügung stehenden Greif- und Klemmwerkzeuge sind.
Ausnahme dieser ehernen Regel ist: Wenn ein Kleinteil schnell und problemlos wiederaufgefunden werden kann, dann war es vorher zum Einbau frisch eingefettet und findet sich am staubigsten Ort des Montageplatzes wieder
Damit bekommt dann auch das macchiavellistische Prinzip "
teile und herrsche" eine erfrischend neue Subjekt-Objekt-Beziehung.
Im übertragenen Sinne entbehrt die Bezeichnung der zeitaufwändige Suche nach Kleinteilen als "
Teilchenforschung" nicht eines gewissen Humors
Kleinteile wohnen - wenn sie nicht gerade verloren gehen - gerne in
Magazinen, womit hier ausdrücklich keine Hochglanzillustrierten oder Fernseh-Features gemeint sind.
Aber ich brauche Rennradteile, also keine Klein- oder Großteile, An- oder Abteile.
Schöne Teile. Funktionale Teile.
Leichte Teile? Bunte Teile?
Preiswerte Teile. Bewährte Teile.
Gute Rennradteile.
Die gereichen mir zum
Vorteil