Sonntag, 10 Uhr vor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt. Verdiente Kombattanten der Lokomotive Rotes Ritzel treffen sich zum VIII. Jahrestag des Solidarritzelns. Der Himmel ist nahezu wolkenlos, eine Temperatur von drei Grad Celsius wird gemessen. Abfahrt. Sechs Beine stampfen einen nachhaltigen Takt, verlassen die Metropole gen Norden und mit großem Hallo wird auf dem schneefreien Lohrberg das wie immer makellos gewandete Beinpaar der Frau Hentschel begrüßt. Ohne Halt geht es weiter, die angekündigte historisch-materialistische Streckenführung wird zugunsten einer dialektischen Variante verworfen. In, wie es ob der recht ordentlichen Tempi erscheinen könnte, konsequentem Gefälle erreichen wir der Hohen Straße folgend Butterstadt. Vier Lokomotiven unterqueren bald drauf die Eisenbahntrasse bei Roßdorf, Schloß Wilhelmsbad wird pannenfrei erreicht und kurz denken wir an die Rosen der Revolution, als wir bemerken, dass dort im Schloß das Andenken der wunderbaren Hildegard Knef unter dem Titel Für mich soll's rote Rosen regnen als (sic!) musikalisch-seelisches Portrait verhohnepipelt werden soll. Da wird das Comoedienhaus zum Tragödienhaus, merken wir kritisch an. Die Empörung treibt uns voran, Schloß Philippsruhe wird passiert und bald darauf die Mainkur, wo seinerzeit schon Napoleon Bonaparte sein Nachtlager nahm. Für uns ist es dazu aber noch zu früh, kurz drauf sind wir am Bornheimer Uhrtürmchen – alles wie gehabt, Marthaler lädt ins Café Wacker, doch mit einer dialektischen Volte sondergleichen übernimmt Frau Hentschel die Rechnung. Eingedenk Marie Antoinettes Satz vom Volk, das doch Kuchen essen solle, wenn es kein Brot habe, nahmen wir zwei Käsekuchen mit Rosinen, einen mit Mohn und Apfel sowie eine Florentiner Apfeltorte. Die treuen Maschinen stehen derweil draußen in der Sonne und ziehen die Blicke nicht agitierter Passanten auf sich.
