@Vito Leone, wenn du heute in Aachen mit diskutieren möchtest ,zeig dort mal was unsere Niederländischen Nachbarn so alles für die Radfahrer bauen ;-)
Ja,
@"Grenzgänger", ich hatte tatsächlich überlegt, das Stadtgespräch des WDR5 (Podcast:
Download) zu besuchen. Dann habe ich mich aber angesichts des Bombenwetters für eine längere Heimfahrt und das Radio bzw den Podcast am Abend entschieden. Lieber mit dem Rad einen frühlingshaften Bogen durch die Niederlanden und Belgien schlagen.
Man braucht kein Grenzschild, um zu merken, dass man im "gelobten Fahrradland" ist. Auf einmal sind durchgehend Radstreifen auf der Straße markiert, die dazu auch noch mit roter Farbe hervorgehoben werden. Nicht nur in den kleinen Ortschaften, sondern auch auf kleinen Landstraßen, auf denen es keinen getrennten Radweg gibt. Ich finde es jedes Mal faszinierend, welche Wirkung es auf mich hat.
In Deutschland wären das kleine Kreisstraßen mit einer Breite, so dass zwei PKWs gerade aneinander vorbeifahren können. Es gäbe vermutlich noch eine gestrichelte Mittellinie, um die Fahrspuren zu trennen. Und in den Niederlanden?
Da gibt es keine Mittellinie. Wie geil ist das denn, denke ich mir jedesmal, und fühle mich als Radfahrer willkommen und frei, denn statt zweier Fahrspuren gibt es drei! Ganz links: Ein markierter und farblich hervorgehobener Streifen für die entgegenkommenden Radfahrer. Ganz rechts: Das gleiche für Radfahrer in meiner Richtung. Und in der Mitte: Eine Fahrspur für den Autoverkehr, die gerade so breit, dass nur ein Auto darauf Platz findet. Diese Spur teilt sich der Autoverkehr mit dem entgegenkommenden Autoverkehr, wenn Radfahrer auf der Straße sind.
Ich mag nicht alles, was sich die Niederländer ausdenken. Manchmal wünsche ich mich dann in das rückständige Deutschland. Zum Beispiel dort, wo neben so einer kleinen verkehrsarmen Landstraße beidseitig abgetrennte Radwegstreifen entstanden sind. Die haben dann bei Einmündungen nicht immer ganz saubere Verschwenkungen, bei denen man als schneller Radfahrer das Tempo etwas drosseln muss. Dort würde ich dann doch lieber auf der Straße fahren, um ohne Schlenker gerade und flott durchzurollen. Aber wenn das Tempo nicht die oberste Priorität hat, dann lässt es sich auch auf diesen Strecken entspannt fahren. Alleine schon deshalb, weil nicht die unterschwellige Angst mitfährt, dass das nächste von hinten kommende Auto so knapp überholen wird, dass man die Luft anhält.
Später noch über die neue Fahrradbrücke:
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Diese neue Fahrradbrücke steht auch auf meiner Liste von Dingen, die ich mir anschauen möchte. Im Autofahrerdeutschland wäre das Geschrei groß: Wieviel Geld man für Radfahrer ausgibt, während man als armer Autofahrer durch Schlaglochpisten fahren muss. Dabei zahlen doch die Autofahrer - so sind sie oft überzeugt - mit ihrer KFZ-Steuer das ganze Vergnügen und die Radfahrer - diese Schmarotzer! - zahlen keinen Pfennig dazu und - undankbar, wie sie dann auch noch sind - halten sie sich auch nicht an die Verkehrsregeln. Dieses Statement gab es auch im Stadtgespräch zu hören.
Und dann kommt ein Verkehrsplaner aus Nijmwegen zu Wort und erzählt, welche kreativen Lösungsansätze zum Teil versucht werden und sich als Erfolg herausstellen. Sein Beispiel: Beim lokalen Krankenhaus ist nicht mehr genug Parkraum für PKWs verfügbar. Der Beschluss: Alle Mitarbeiter, die weniger als 7 Kilometer Anfahrtsstrecke haben, müssen demnächst für das Parken ihres Fahrzeugs 10 Euro pro Tag bezahlen. Darüber hinaus werden sie aber auch bei der Anschaffung eines Fahrrads finanziell unterstützt und erhalten zwei Gutscheine pro Jahr für die Fahrradwerkstatt direkt am Krankenhaus. In der Folge steigen 600 Mitarbeiter auf das Fahrrad um. Das Projekt kostet 600.000 Euro und spart im Gegenzug 10 Mio Euro für den nicht mehr benötigten Bau einer Tiefgarage. Ganz nebenbei profitiert auch der Autoverkehr: 600 PKWs weniger auf den Straßen während des Berufsverkehrs - respektive 6 bis 7 Kilometer weniger Stau.
Kenne mich in Aachen überhaupt nicht aus, habe aber diesen Artikel mit Interesse gelesen:
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https://www.taz.de/!5578639/
@Wernersberger Über diesen TAZ-Artikel bin ich dieser Tage auch schon einmal anderweitig gestolpert. Sehr pathetisch, ja. Aber auch genau so nachvollziehbar. Wenn man bei der aktuellen Lage und dem immerfort währenden Stillstand in der Verkehrspolitik als Radfahrer nicht das Kotzen bekommt, dann weiß ich auch nicht.
@koutenmann Ich weiß nicht, ob sich die Aachener Situation auch auf andere Städte übertragen lässt. Um einfach mal bei Aachen zu bleiben: Ich glaube, dass der Mut zur Veränderung fehlt. Auf der einen Seite ist der Ruf nach der benötigten Verkehrswende. Es gibt nur 11 Prozent Radverkehrsanteil. Bis zu 20 Prozent wären aktuellen Umfragen nach möglich, wenn die Bedingungen für das Radfahren besser wären. Aber aus Angst verzichten 9 Prozent auf das Radfahren. Ich kann es diesen nicht verübeln.
Das geplante Radvorrangroutennetz besteht aus 10 Teilstücken. Jedes Teilstück kostet etwa 1 Mio Euro. Wenn Personal und Gelder zur Verfügung stehen, dann wäre es möglich, jedes Jahr eine der Routen umzusetzen, sagt
Armin Langweg (Verkehrsentwicklungsplaner der Stadt Aachen) kürzlich in einem Interview. Also 2030 wäre es möglicherweise fertiggestellt.
Es gibt viele Stimmen, die kritisieren, dass die Streckenverläufe der Radvorrangrouten abseits der Hauptverkehrsstrecken durch ruhigere Nebenstraßen und Wohnviertel verlaufen sollen. Man würde den Radverkehr verstecken und ihn dort entlang leiten, wo er den Autoverkehr nicht stört. Ich selbst sehe das nicht so. Schon heute fahre ich große Teile dieser ersten Radvorrangroute sehr oft auf dem Weg zur Arbeit. Das hat sich bei mir im Laufe der Jahre als angenehme Strecke herausgestellt. Angenehm, weil abseits des mehrspurigen Autoverkehrs, dazu weniger stressig und viel hübscher.
Auf diesem Streckenverlauf liegt dann auch diese Lothringer Straße, die die erste Fahrradstraße Aachens werden soll. Und hier beginnt die Peinlichkeit. Zwei Schilder. Ein bisschen Farbe. Fertig ist die Fahrradstraße. Alles solle so bleiben, wie es ist, stellte die Stadt ihren Erstenwurf vor. Also: Alle beidseitigen Parkplätze sollten erhalten bleiben. Der Schleichverkehr, der jetzt schon zur Rushhour die komplette Straße zustellt und dafür sorgt, dass die Radfahrer auf den viel zu schmalen Fußweg ausweichen, soll weiterhin rollen bzw stehen. Zusätzlich ist aber das Nebeneinanderfahren von Radfahrern ab sofort erlaubt. Die Frage ist, wo das möglich sein soll, wo doch die Fahrspurbreite noch nicht einmal die Mindestbreite für eine Fahrradstraße erfüllt, die die Stadt Aachen auf der eigenen Webseite bei den Ansprüchen an eine Fahrradstraße angibt. Das gesamte Publikum soll bei der Vorstellung laut gelacht haben! Die anwesenden Politiker waren sich zum Glück einig, dass hier doch noch etwas nachgebessert werden müsse. Aktuell hat der Mobilitätsausschuss abgestimmt und sich für einen Entwurf entschieden, bei dem 21 Parkplätze ersatzlos wegfallen.
Warum schaue man nicht über die Grenze und baue Kreuzungen nach bewährtem niederländischen Design, wurde Armin Langweg gefragt. Die Antwort raubt jedwede Illusion: Das ginge nicht. Für den Bau von Radwegen und Vorrangrouten würden/seien Landesgelder eingeworben worden, damit sie nicht die Haushaltskosten belasten. Bei der Realisierung müsse man sich damit aber an die Planungsrichtlinien der Geldgeber halten.
Armin Langweg strahlte übrigens bei dem Interview in die Kamera: Es seien mittlerweile "vier oder fünf" (so genau weiß er das wohl nicht!) seiner Kollegen, die mit dem Rad zur Arbeit fahren würden. Und auch er selbst würde bei schönem Wetter angstfrei durch die Stadt fahren, weil er die Gefahrenstellen kennen würde!
Mit dieser Aussage wundert es mich nicht, dass man für die Radverkehrsförderung kein Geld ausgeben muss. Man kann sogar sparen. Auf dem vom ADFC als Premiumradweg ausgezeichneten Vennbahnweg, auf den die Stadt Aachen so stolz ist, liegt seit Anfang Februar der Split. Der fährt sich im Laufe des Jahres bestimmt selber Weg. Peinlich!
Auf ebendiesem Premiumradweg hat man vergangenes Jahr Wurzelhub beseitigt. Schön! Eine Teilstück mit besonders häßlich aufgeworfenen Asphalt hat man sich dabei gespart. Es liegt direkt hinter einem schlecht einsehbaren Schlenker und soll vermutlich zu einer natürlichen Verkehrsberuhigung führen. Peinlich!
Im Winter habe ich dort weitere Peinlichkeiten beobachtet. Ohne ausgewiesene Umleitungen stand man plötzlich im Nichts an einer Absperrung über die gesamte Breite dieser Radhauptverkehrsstrecke. Eine Eisfläche ließ sich anscheinend nicht beseitigen. Als diese endlich von selbst abgetaut war, stand die Barrikade noch mindestens eine Woche. Die links und rechts angrenzenden Grünstreifen waren nur noch Schlammflächen mit tiefen Radrillen. Peinlich!
Und dann ist da noch die Geschichte mit einem 700 Meter langen Teilstück dieses Premiumradwegs, das im Winter nicht geräumt wird und erfolgreich Kinder lehrt, dass man im Winter nicht mit dem Rad zur Schule fahren kann. Ich hab's mal mit einer Mail an die Stadt versucht und habe schnell verstanden, dass mir meine Zeit dafür zu schade ist.
Anfang April startet die Unterschriftensammlung des
Radentscheid Aachens. Ich warte nur darauf, meine Unterschrift abgeben zu können und werde ihn auch definitiv mit einer Spende unterstützen!