wenn man dem Bazillus verfallen ist, spricht man immer von Anspruch oder Hörpräferenz ... obwohl man doch eigentlich von Zugang und Vorliebe sprechen sollte.
Im Freundeskreis organisieren wir seit vielen Jahren Veranstaltungen, damit Jeder an den Erkenntnissen und Aufbauten der Anderen teilhaben kann. Das fußt einerseits im European Triode Festival mit internationaler und teilweise auch sehr prominenter Besetzung/ Teilnehmerschar, hat aber auch kleinere Veranstaltungen mit fast schon familiärem Charakter.
Vor einigen Jahren trafen wir uns Allesamt in Berlin und wanderten in kleineren Grüppchen von Wohnzimmer zu Wohnzimmer. Unsere Gruppe besuchte dann einen sehr liebenswürdigen Vertreter der schreibenden Zunft, verheiratet mit einer Cellistin und selbst ausgebildeter Musiker sowie studierter Musikhistoriker.
Mit von der Partie war ein Freund, den man auch als ziemlich verkopft beschreiben kann und welcher zum damaligen Zeitpunkt sehr zufrieden mit Bertin Breitbändern in 1 x 1 m Pappwänden in einem kleinen 10 qm Kemenate hörte. Das war für uns bei einem Besuch immer ziemlich gewöhnungsbedürftig, obwohl er bereits tief in die Musik versunken mit allen Gliedmaßen zuckte.
Der "Schreibende" und er hatten sich bereits auf dem Weg in die Berliner Wohnung sehr intensiv in eine Diskussion über die angeblich beste und anhörenswerteste sowie originalgetreuste Einspielung der Bach Kantaten verstrickt und wollten dann Ihr freundschaftliches "Battle" im Wohnzimmer mit Musikbeispielen austragen ...
... nein, das war nicht nervig und es war auch nicht so komisch, wie es sich in der Beschreibung vielleicht anhören mag ... es war vielmehr sehr lehrreich.
Die komische Komponente war, daß die angeblich originalgetreuste und beste Einspielung der Kantaten für den Einen eine vollmundig und plastisch tönende Einspielung aus Ende der 50er Jahre, für den Musikhistoriker aber dagegen eine ziemlich flach, nur zweidimensional und krächzig klingende, somit schlecht und billig produzierte, moderende und ziemlich junge Einspielung war. Die Begründung, weshalb diese krächzige Einspielung seiner Meinung nach die Beste sei, folgte auf dem Fuße, als uns die wiederentdeckte und veröffentlichte Originalpartitur der Kantate präsentiert wurde und der Musikhistoriker und Musiker erklärten, daß alle von bach persönlich gemachten Anmerkungen zur Spielweise, Lautstärke und Tempi zu
100% umgesetzt worden wären und die Musiker auch noch dazu Originalinstrumente aus der damaligen Zeit nutzten ...
... das war dann die sehr lehrreiche Erfahrung, daß es eben nicht um Anspruch und Hörpräferenz sondern um den Zugang und die Vorliebe geht.
Wenn man das mal erkannt hat, dann wir auch nachvollziehbar, daß man sehr wohl mit einem Küchenradio zufrieden Musik hören kann ...
... auf der anderen Seite darf man aber auch genießen wollen und sich mehr als eben nur eine Küchenradio für die Musikwiedergabe gönnen.