AW: Team PEST
Lange hat es gedauert, gestern hatte ich Lust dazu und habe die Erlebnisse und Ereignisse von RaR TEAM PEST Eifel aus meiner Sicht niedergeschrieben:
Mir liegen die Worte von einem meiner Teamkollegen nach dem Rennen 2007 noch in den Ohren: "Es hat mir schon Spaß gemacht, aber ich werde es bestimmt kein zweites mal mehr machen. Denn wir hatten ja heuer ein super Wetter. Wenn ich mir das Ganze jetzt bei Regen vorstelle, nein Danke. Und das weiß man ja vorher nicht..."
Nun, damals hatte ich ähnliches gedacht. Aber wie das nun mal so ist bei Radverrückten und auch Nordschleifen-Junkies, ging es für mich auch 2008 nicht ohne Rad am Ring und diesmal sollten wir das Eifelwetter mit seiner ganzen Vielfalt zu spüren bekommen. Viel Regen, gelegentlich aber auch sonnige Abschnitte und die Temperaturen zwischen 20 Grad am Tage bei Sonne und 4 Grad in der Nacht.
Aber was soll ich sagen: Radtraining bei Wind und Wetter zahlt sich wohl doch irgendwo aus und wir zwei (Onkel Hotte und ich) hatten trotz allem sehr viel Spaß.
Unser gestecktes Ziel war 24 Runden zu erreichen. Wir legten also eine Durchschnittsrundenzeit von einer Stunde fest. Das ist nicht sooo schnell, aber es geht ja schließlich darum, das Ganze 24 Stunden lang durchzuziehen. Jeder sollte stets 2 Runden am Stück fahren, in der Nacht dann (wegen längerer Ruhezeit für den anderen) jeder einen 3-Runden Block.
Unser ganzes Vorhaben schien jedoch bereits nach knapp 4 Stunden vorzeitig beendet zu sein, aber dazu später mehr. Mal alles der Reihe nach:
Um 13.00 Uhr ist Christian den Start gefahren. Bereits nach 1 Stunde 40 Minuten kam er von seinen 2 Runden zurück. Also rund 50 Minuten pro Runde und er war dabei noch weit weg vom Anschlag. Also schon 20 Minuten gut gemacht. Das er richtig fit ist, wusste ich. Er fährt schließlich noch mehr Kilometer im Jahr als ich, und ich fahre mit rund 10000 km auch nicht gerade wenig.
In seiner zweiten Runde fing es heftig an zu regnen. Ich durfte also meine erste und somit unsere dritte Runde im Regen beginnen. Genau das war meine Horrorvorstellung. Denn aufgrund eines technischen Defektes an meinen
Reifen einen Tag vor Beginn des Rennens war ich gezwungen, nagelneue Rennrad-Slicks für das Rennen zu montieren. Das so was kurz vor nem Rennen ungünstig ist, brauch ich euch ja nicht zu erzählen. Zum Einfahren war keine Zeit mehr. Im Trockenen merkt man den Effekt ja auch nicht ganz so stark wie im Regen. Naja, was sollte ich machen?
Den Regen kann ich nicht abstellen. Muss ich halt einfach etwas vorsichtiger fahren und mich an das neue Limit mit Gefühl rantasten. Die erste Runde absolvierte ich ebenso wie Christian in 50 Minuten. Ich war also auch noch lange nicht am Anschlag. Die Bergabpassagen mit der an den Regen und die neuen
Reifen angepassten Vorsicht gefahren und bergauf die Zeit gutgemacht. Ich fühlte mich so fit, wie lange nicht mehr. Wahnsinn dachte ich, wenn das so weitergeht schaffen wir wohl noch locker mehr als 24 Runden. Zu Beginn meiner zweiten (also unserer vierten) Runde hatte es aufgehört zu regnen und die Strecke wurde stellenweise schon etwas trocken. Ich denke mir "Marko, mach trotzdem noch langsam, lass dem
Reifen noch ein paar Runden Zeit", also fahre ich die Kurven in den Abfahrten im Schnitt ca. 20 bis 30 km/h langsamer, als bei Trockenheit. Mit Tempo zwischen 60 und 80 km/h geht es bergab Richtung Breitscheid, zum tiefsten Punkt der Strecke. Auf Höhe Wehrseifen, kurz vor einer Rechtskurve, sehe ich ca. 100 Meter vor mir einen langsameren Fahrer genau auf meiner Linie. Um später ggf. eine Kollision zu Vermeiden korrigiere ich meine Linie in der noch nassen Kurve nur minimalst. Was dann geschah, sehe ich noch heute wie damals in Zeitlupe vor meinen Augen ablaufen. Bei ungefähr Tempo 70 bis 80 rutschen völlig unerwartet beide Rennrad-Slicks weg. Noch kurz bevor ich den Boden berühre denke ich noch "Scheiße, hättest doch nicht mit den neuen
Reifen fahren sollen. Ich kanns nicht glauben, ich rutsche tatsächlich weg. Ich bin gestürzt. Und das bei dem Tempo. Oh je, das Fahrrad kannste jetzt wohl wegschmeißen. Kann doch alles nicht wahr sein. Seltsam, ich hab mir gedacht, dass es beim Rutschen über den Asphalt heißer werden würde usw.....mal gespannt, wie ich gleich aussehe, wahrscheinlich blutüberströmt....schxxxx fxxxxxx......!"
Nach ca. 50 Meter Rutschpartie, hauptsächlich auf dem Hintern, komme ich genau an der Leitplanke zum Stillstand.
Erster Blick geht zu meinem Rennrad, welches neben mir liegt und zumindest noch an einem Stück ist. Zweiter Blick zu mir. Hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Linke Wade blutet und ist ziemlich zerkratzt....zum Glück hab ich mich bekehren lassen und rasiere mir ja seit einem Jahr auch die Beine, wie es sich für Rennradler "gehört"... ;-) Bin mal gespannt, ob es was nützt...
Ansonsten eigentlich nur jede Menge kleine Kratzer und Blutergüsse am Arm und Hintern. Puh, echt Schwein gehabt: Mir geht es gut! Genauerer Blick ans Fahrrad zeigt eigentlich nichts schlimmes, echt seltsam....Wahrscheinlich hab ich das auch dem Regen zu verdanken. Sowohl Rad als auch ich sind auf einem Wasserfilm gerutscht. Auf trockenem Asphalt hätte das sicherlich nicht so schön ausgesehen.
Vom Sturz bis hierhin sind gerade mal ca. 30 Sekunden vergangen. "Ich muss weiterfahren, bloß keine wertvolle Zeit liegen lassen". Jetzt erst stelle ich fest, das mein Ultegra-Schaltwerk hinten etwas verbogen ist und nicht mehr schaltet. Verdammt....in der Boxengasse gibts zwar nen Technik-Service, der das reparieren kann, aber dummerweise steckt das Getriebe auf 50-15 fest. Vorne kann ich ja noch aufs kleine Blatt schalten, aber auch mit 34-15 wird der noch folgende Mammut-Anstieg zur Hohen Acht sicherlich ne Höllenqual, falls es überhaupt geht.
Naja...als ich dann weiter nach Breitscheid runterrolle werden alle Überlegungen sowieso rein hypothetisch, denn just als ich vorn aufs kleine Blatt schalte bricht hinten am Schaltwerk das
Schaltauge. Zum Glück kommt es mir nicht noch in die Speichen. Unten in Breitscheid rolle ich aus. OK, das war` s dann wohl. Unser Rennen bereits nach 3 Stunden und dreieinhalb Runden beendet. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Komischerweise kommt genau in diesem Moment die Sonne raus und die Eifel zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Irgendwie sehr makaber und mir war auch ehrlich gesagt nicht zum Lachen zumute, eher zum kotzen oder weinen. Da freut man sich fast ein ganzes Jahr genau auf diesen einen Tag, dieses einmalige Event, den Fahrradhöhepunkt des Jahres und dann soll alles vorbei sein wegen eines noch nicht angefahrenen Reifens. Verdammt, ich kann doch nicht mit Tempo 40 um den Kurs fahren, ich kanns nicht fassen.
Überlegung meinerseits: Ich rufe mit dem Handy Christian an. Der soll losfahren und hier unten den Transponder übernehmen und einfach mal weiterfahren. Ich warte derweil auf eines der zahlreichen Service-Autos und lasse mich samt Fahrrad zurück zur Box fahren. Dort hoffe ich dann, dass die ein passendes
Schaltauge für mein FOCUS V07 haben und das Schaltwerk wieder montieren können. So könnte es gehen, weitergehen....
Gedacht, getan. Christian ist ne Bank. Nachdem er den Schock verdaut hat, schwingt er sich auf „Keule“ und fährt umgehend los.
Während ich vorm Tor unten bei Breitscheid stehe und mein Blut an der Wade mit nem Rest Wasser aus der Trinkflasche abspüle, kommen die ersten schaulustigen Zuschauer. Naja, so hatte ich noch ein wenig Gesellschaft und Gespräch dort unten, denn ich sollte noch lange dort stehen bleiben müssen. Christian war bereits nach ca. knapp 20 Minuten unten bei mir. Während dieser Zeit habe ich mindestens 3 oder 4 Service-Autos, die mich mitgenommen hätten, vorbeigewunken. Ich musste ja wegen des Transponders noch auf Christian warten.
Wir schwatzen noch ein paar Minuten und begutachten gemeinsam die Schäden am Rennrad: Beide STI´s leicht angekratzt,
Sattel angekratzt, Pedal angekratzt,
Lenkerband zerkratzt und halt eben das
Schaltauge abgebrochen. Nichts wirklich dramatisches, nen neuen
Sattel wollt ich eh demnächst dranmachen, jetzt hab ich nen Grund dafür.
Christian übernimmt den Transponder und fährt weiter.
Die Wolken ziehen sich wieder zu und ich warte auf den nächsten Service-Wagen. Es ist wie verhext. Eben noch kamen sie im Minutentakt vorbei und ich musste sie alle durchwinken und jetzt dauert es ganze 15 Minuten (gefühlte Stunden), bis der Nächste endlich kam.
Also Fahrrad und Fahrer rein und ab die Hohe Acht hinauf mit Ziel Boxengasse und Technik-Service. Das war vielleicht ein seltsames, ungutes Gefühl. Ich im VW-Bus sitzend muss zusehen, wie sich draußen die anderen Fahrer die Hohe Acht hinaufquälen dürfen. Was würde ich dafür geben, wieder weiterfahren zu können. Ich hab mich so extrem fit gefühlt. Hoffentlich, hoffentlich haben die ein passendes
Schaltauge für meinen Rahmen!
Ich denke mir gerade „Christian müsste jetzt eigentlich bereits über Start/Ziel sein und beginnt wahrscheinlich ne weitere Runde. Wenn ich vielleicht in ca. 10 Minuten an der Box ankomme, ein passendes
Schaltauge zur Verfügung stünde und die Mechaniker ein kleines „Wunderwerk“ vollbringen, könnte ich ziemlich genau passend die nächste Runde wieder übernehmen“. Hoffnung keimt auf und lässt zumindest in meinem Kopf für einen Moment die Sonne scheinen. In diesem Moment kommt die Sonne auch wieder in der Eifel zum Vorschein. Diesmal passt es....vielleicht ist doch noch nicht alles vorbei...notfalls kauf ich mir ein neues Rad...na ja, jetzt bleib mal realistisch...
Und in der Tat. Die Mechaniker vom Team Radsport Breuer haben tatsächlich ein kleines Wunderwerk vollbracht. Wie schon zu erwarten gab es natürlich kein original passendes
Schaltauge für mein FOCUS V07, aber mit etwas feilen und richten wurde es passend gemacht. Schaltung läuft technisch perfekt, Schaltvorgänge fast noch sauberer als vorher. Ich komme langsam wieder in Hochstimmung. Und das Ganze für nur 10 Euro. Vielen Dank, Jungs! Respekt!
Ich eile schnellstmöglich zurück zu unserem Lagerplatz. Setze mich mit meiner schönen, leider auch etwas angerissenen Specialized-Radbekleidung ins Auto und möchte Christian anrufen, um ihm zu sagen, dass sowohl ich und Rad wieder einsatzbereit sind. Ob man es jetzt glaubt oder nicht: Genau in diesem Moment kommt er von seiner 2. Runde zurück. Passt!
Es ist jetzt ziemlich genau 18 Uhr. Christian hat jetzt 4 Runden auf seinem Konto und ich erst eine. Die halbe, angefangene Sturzrunde zählt für mich ja nicht. Also 5 Runden in 5 Stunden. Wir liegen also trotz des Unfalls noch in unserem am Anfang erstellten Plan. Eigentlich unglaublich. Jetzt kann Christian sich endlich mal ausruhen und ich werde zwei Runden am Stück abspulen. Mein Dank an Christian erfolgt in Form von zwei weiteren 50 Minuten Rundenzeiten. Schon wieder 20 Minuten Puffer rausgefahren. Wir sind echt ein Klasse Team!
Ich muss aber gestehen, dass ich während der ersten Durchfahrt meiner Unfall-Kurve ganz schön Gänsehaut bekommen habe und Gott dafür gedankt habe, dass nichts schlimmeres passiert ist und ich wieder weiterfahren darf...Das Rennfieber ist wieder entflammt!
Wir beschließen aufgrund der veränderten Umstände, dass jeder von uns jetzt jeweils zweimal drei Runden am Stück fährt. Christian fährt mit seinem ersten 3-Runden-Turn in die Dunkelheit rein. Die Rundenzeiten fallen aufgrund der Dunkelheit und immer noch teils feuchter Fahrbahn etwas herab, bleiben aber immer noch knapp unter einer Stunde.
Mit seinen 2 am Lenker befestigten IXONS macht Christian eh die Nacht zum Tage. Ich darf gar nicht daran denken, wenn ich gleich gegen 22.45 Uhr übernehme und dann mit meiner billigen
Sigma-Cubelight-Funzel 3 Runden durch die kalte Nacht fahren darf. Da ich weiß, dass ich jemand bin, der eigentlich kein Risiko scheut, schwöre ich mir in der Nacht mit meiner Funzel absolut auf Nummer sicher zu fahren. Ankommen heißt das Ziel. Zur Sicherheit packe ich mir neben Energie-Gel noch 10 Ersatzbatterien in die Trikottasche. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht ahnen, dass ich diese während meiner 3 Runden auch brauchen würde.
Meine Rundenzeiten in der Nacht pendeln sich so um gut eine Stunde pro Runde ein. Mit meiner beschissenen Funzel am Rad kann ich noch nicht einmal erkennen, ob der Asphalt jetzt trocken oder feucht ist. Die Nacht ist klar aber kalt. Christian erzählt immer was von abgetrockneter Fahrbahn, für mich sieht die Fahrbahn immer feucht aus. Bloß kein unnötiges Risiko eingehen. Ich beschließe, die Bergabpassagen in der Nacht absolut auf Nummer sicher zu fahren. Lieber hier 5 Minuten verlieren und die Zeit dann berauf wieder gutmachen.
Auf der Hohen Acht, dem höchsten Punkt der Strecke, halte ich wie in jeder vergangenen Runde an der Verpflegungsstation kurz an, trinke ein bis zwei Pepsi-Cola, stopfe schnell noch nen Kuchen, Banane oder Kekse in mich rein und fahre weiter. Auf diese Minute kommt es sicherlich nicht an. Denn nichts wäre dramatischer als ein Hungerast wie in 2007.
In den Nachtstunden wird mein Aufenthalt an der Verpflegungsstation jeweils um ca. 2 Minuten verlängert, weil ich die Batterien meiner „tollen“ Cubelight auswechseln muss.
Naja, bin es ja auch selbst schuld, hätte doch besser die Alkali statt den billigen Zink-Kohle-Batterien gekauft. Oder besser gleich ne anständige Leuchte...Aber sei es drum.
Mehrmals hörte und sah ich während meiner Nachtrunden Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene über die Strecke fahren. Jedesmal lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Hoffentlich ist dem Fahrer nichts böses passiert...Oh mein Gott...
Während Christian seine drei Runden abspult, versuche ich im Lager in der Nacht etwas Ruhe zu finden. Zuerst trockne ich mal noch meine Radschuhe mit dem Fön, trockne Trikot und Hose und wärme mir mit dem Heizlüfter Füße und Zelt auf. Richtig Schlaf finde ich natürlich nicht, aber es reicht aus, um zumindest knapp 2 Stunden etwas zu ruhen und die Augen zu schließen.