AW: Team PEST
Team PEST Eifel in der Grünen Hölle 2008
Winterpokal? „Nein danke. Das ist nix für mich, ich fahre einfach. Dafür brauche ich keine Online-Highscore!“ Das war vor einem Jahr meine Antwort auf die Frage ob wir aus dem Tourentreff Raum Kassel nicht ein WP Team gründen sollten. Nach einigem Hin und Her entstand dennoch Team PEST (Pauker, Exzentriker, Studenten und Triathleten) und die zwei, die eigentlich anfangs dagegen waren, fanden den meisten Gefallen daran und erfuhren mit 595 (Gelber Triathlet) bzw. 1232 (Onkel Hotte) den Löwenanteil der Punkte.
Mitten in der beginnenden Saison platzte der Gelbe in den Teamthread mit Rad am Ring 2008. Er war 2007 im 4er gestartet, einer zusammen gewürfelten Truppe, die nicht mehr Zustande kam. Man könnte doch… Ich war sofort dabei. Die Nordschleife hatte ich 2007 und 2008 zum 24h Tourenwagenrennen besucht und mir mit zahlreichen Wanderungen rund um die Strecke unter zu Hilfenahme meines Treibstoffs Nörten verbleit einen guten Eindruck verschaffen können. Darauf zu fahren und dann noch mit dem Rad. Da musste ich hin. Im 4er sollte das mit 6 Stunden fahren auch zu schaffen sein. Slawo vom Tourentreff Raum Kassel wäre im 4er auch dabei gewesen. Wir waren also drei Leute, die sicher dabei waren, nur mit dem vierten gestaltete es sich äußerst schwer: „Ja, ich überlegs mir. Im Juli… ne das ist mir zu teuer, ach frag mich dann noch mal…“
Der Gelbe und ich hatten als Entscheidungsfrist Mitte Juli gesetzt. Wie befürchtet, tat sich nichts in Sachen vierter Mann. Es folgte unser Mailwechsel des 10.7.2008:
Der Gelbe:
„Nun, es sind jetzt nur noch 6 Wochen bis RaR und noch immer kein 4. Mann....
Oder wir sind ganz verrückt und machen das Ding im 2er Team...Bock hätt ich ja schon...obwohl ich zugleich immer denke "Marko, du hast nen Schaden...24 Stunden macht pro Fahrer 12 Stunden Grüne Hölle.
Was meinst du?“
Meine Antwort lautete:
„Ich bin dafür, dass wir zwei es wagen. Es wird hart, aber Kaffee trinken können wir den Rest des Jahres. Kein Aufruf für den 4. Mann, nichts. Wir melden uns da jetzt an und rocken die Bude! Ob ich gut genug bin, muss sich zeigen, bekloppt und süchtig genug bin ich!“
Der Gelbe:
„Ja...ich glaube, genau das wollte ich von dir hören!!
Dann machen wir doch Nägel mit Köpfen
…
Dazu brauchen wir noch einen Teamnamen. Team PEST passt ja jetzt nicht mehr so richtig, deswegen 2 Vorschläge von mir: "Team Eifel Blitz 24" (in Anlehnung an die Truppe vom Scheid, du weißt schon) oder wir nehmen den Namen meines "alten" Teams "Team Biking 24"...vielleicht nicht sehr originell, …“
Onkel:
„Als Teamname würde ich gern "Team PEST Eifel" verwenden. Wir beide haben mit Abstand die meisten Punkte im WP für´s Team erfahren und der Zusatz "Eifel" zeigt ja schon an, dass es eine spezielle Auswahl für die 24h ist.“
Jetzt fing die Arbeit erst an: Was brauchen wir, wer begleitet uns usw.? Da unser Umfeld entweder terminbelastet bzw. nicht radsportbegeistert war, ergab sich die puristische Lösung. Wir kommen ohne Begleitpersonal, der Gelbe pennt im Zelt, ich in unserem Kombi mit umgeklappter Rückbank.
Die Anreise am Freitagnachmittag gestaltete sich katastrophal. Bereits ab Limburg schlug mir bestes Eifelwetter entgegen und es ergoss sich eine Sinnflut vom Himmel, so dass teilweise Tempo 80 auf der Autobahn das Maximum war.
Über das Verkehrschaos bei Abholung der Startunterlagen und die Zufahrt zum Fahrerlager braucht man keine weiteren Worte zu verlieren. Außer: Natürlich wurde ich in meiner abgerockten Lucky-Strike Jacke gleich wieder erkannt, von Kätchen… Es goss bei 10-15 Grad und einbrechender Dunkelheit unaufhaltsam, während wir unser bescheidenes Heim für die nächsten 1,5 Tage errichteten. Außerhalb des Autos bzw. Zelts gab es nur hinter dem Hotte Mobil eine am Zaun abgespannte 3x2 m große Plane, die das Gröbste fernhielt.
An die 24h dachten wir lieber nicht und begaben uns erst einmal ins Event-Center, um ein paar Vorbereitungsbierchen zu zischen und eine Kleinigkeit zu essen. Wir finden uns überraschenderweise am „Forumstisch“ mit Kätchen, Bergabkönig und geosch wieder. Ich höre etwas von Wohnmobilen und einem ab Samstagnachmittag reservierten Hotelzimmer…, denke an unsere bescheidene Reichsheimstätte und kippe schnell noch ein verbleites Erdinger runter. Am Platz geht es nach einer gemütlichen Sitzung unter der Plane in Gesellschaft von Fön und Heizlüfter gegen 23h in mein 4 Ringe (und nicht Sterne) Appartement.
Samstag 8:00, Renntag. Die Beleuchtung des Fahrerlagers und die vom Wind gepeitschte Plane haben meinen Schlaf nicht unbedingt verbessert. Frühstück, Rennvorbereitungen, um 11 die Teambesprechung, auf dem Rückweg zum Platz noch das letzte gemeinsame Erdinger zischen. Die Zeit bis zum Start verrinnt.
Ich bin im Plan als Startfahrer vorgesehen, bevor nach zwei Runden gegen 15h der Gelbe für weitere zwei Runden übernehmen soll. Der Regen ist vorbei, die Strecke abgetrocknet. So entschließe ich mich für den Start auch Miss B (das Rennrad), anstatt Keule (das Speedbike) mit 30 mm
Reifen und Schutzblechen zu fahren. Ganz hinten reihe ich mich in die Startaufstellung ein. Die Heißsporne, 1. Runde Harakiris und die die es werden wollen, sollen sich schön ohne mich da vorn die Rübe abfahren. Wir haben 24 Stunden Zeit…
Los geht’s um 13:08. Gleich am Start sehe ich die Mannschaft auf dem Tridem, dem 3er MTB. Kurzanbindung GP-Strecke, raus auf die Nordschleife. Schon am ersten Stich hoch zur Nordschleifenanbindung krachen rechts neben mir wieder die Ketten vom unter Last herunter schalten. Wie erwartet fühlt sich die erste Runde nach Sprintrennen an, gerade auf den Kilometern bis Breitscheid, wo ein Schnitt jenseits der 40 durch das Gefälle kein Problem darstellt. Das Feld ist dicht zusammen, folglich gibt es ab Flugplatz über Schwedenkreuz hinab bis zur Aremberg schon reichlich Windschatten. In der Fuchsröhre drehe ich die 53-13 bis auf TF 140 voll aus und knacke mit 86,77 km/h wie erwartet meinen pers. Topspeed von 84,35 km/h. Mit Jacke, meinen auf 1,83m eher schmächtigen 70 Kg sowie 53-13 als längstem Gang das Maximum.
Es ist meine erste Runde auf der Nordschleife mit einem Fahrzeug überhaupt. Den Streckenverlauf kenne ich durch Videos und meine Wanderungen während des 24h Tourenwagenrennens. Ich bin eher damit beschäftigt mir meinen Freiraum in Kurven zu erhalten, da ich mir bei vielen Leuten nicht sicher bin, ob Fahrkönnen und gewählte Geschwindigkeit hier im Einklang stehen. Ab Breitscheid geht es „zum Glück“ bergan und die Hektik legt sich. Überholmanöver bei 15-20 km/h sind schlichtweg sicherer als bei 50+. Das Kesselchen erkläre ich sofort zu meinem Hassabschnitt. Optisch fast unmerklich, wird es immer steiler, zieht sich. Ich zwinge mich gerade am Anfang hier schon 39-26, statt 23, zu treten, damit die Beine bei TF 90-95 locker bleiben, denn Hinterkopf schwant es mir: 12-13x hier hoch, Ziel: 24 Runden im Team, vielleicht 25. Die Hohe Acht empfinde ich überraschenderweise als nicht so dramatisch wie befürchtet. Meine Entscheidung unter Beibehaltung der 53-39 Kurbel statt der 12-25 Kassette für die Nordschleife eine 13-29 zu montieren, erwies sich als goldrichtig. Die 39-29 blieben immer für die Quiddelbacher Höhe und die Hohe Acht reserviert. Selbst in der Nacht im Kesselchen mussten 39-26 reichen, damit noch ein Gang Reserve für den Schlussanstieg blieb. An der Hohen Acht befand ich mich durch Überholungen in der Steigung mitten Feld, wo ich auch erstmals die Döttinger Höhe mit dem herrlichen Süd-West Gegenwind erlebe.
Runde 2. Ich passiere unseren Fahrerlagerplatz, wo der Gelbe am Gatter steht. Ich rufe ihm nur: „Das ist so geil!“, zu und weiter geht es. Das Feld hat sich nun verteilt, aber es fängt an zu tropfen. Verpokert mit Miss B und den nicht als Nässespezialisten bekannten Pro2Race
Reifen. So lege ich extra noch mal ein Brikett auf, um möglicht schnell vor dem großen Regen die Runde zu beenden oder zumindest noch die Abfahrt bis Breitscheid trocken hin zu bekommen. Wie bestellt, beginnt der Regen kurz vor Bergwerk richtig, was mir aber in Anbetracht der hier niedrigen Geschwindigkeit erstmal egal ist. Eklig wird es nach der Hohen Acht. Es hat sich eingeregnet und die Geschwindigkeiten liegen wieder deutlich über 25 km/h. Beim Wechsel um 14:45 sind Schuhe und Socken nass, die Hose ein wenig. Mit dem zur Verfügung stehenden Equipment wird das ganze getrocknet, während ich das Rennrad auf den Autoträger schnalle und das Speedbike mit Lenkernummer ausrüste.
Ich zweifele, ob ich bei diesen Bedingungen das Rennrad überhaupt noch einmal einsetzen werde. Immerhin: Selbst mit langsamen Einrollen und sortieren am Start benötigte ich für die beiden Runden 1:38, was einem Schnitt von 30,3 km/h entspricht. Erstmal aufwärmen und ein Erdinger am Stand in der Boxengasse abholen.
Kurz vor 16h trabe ich mit meinem Erdinger wieder in Richtung unserer Parzelle. Ab 16:30 erwarte ich den Gelben zum zweiten Wechsel. Mein Handy klingelt:
„Ich stehe hier kurz vor Breitscheid. Bin bei 80 gestürzt, einer ist mir in die Spur gezogen, wollte in Nassen korrigieren… Bin aber OK, beim Rad ist das Schaltwerk mit
Schaltauge abgerissen. Komm her und hol den Transponder, ich sehe dann wie ich hier wegkomme!“
Joa. Das hab ich gar nicht so richtig realisiert. Bier runterkippen, Keule schnappen,
Helm auf, Auto abschließen, los. Erst im Hatzenbach hatte sich das so weit sortiert, dass ich wusste, wir haben ein Problem: Zwar ist der Gelbe ok, das ist das Wichtigste, aber das Rad. Meine kann er nicht fahren, weil er keine SPD-R Pedale fährt und sie mit RH 58 zu groß für ihn sind. Onkel Hotte als Einzelfahrer, das kann ja heiter werden und dann war noch so tolles Wetter. Motivation ohne Ende.
Er war mit dem Rad noch bis zur Ausfahrt an der Breitscheidbrücke herunter gerollt und wartete dort. Ich übernahm den Transponder und begutachtete den Schaden. Schaltwerk zerkratzt, aber ok,
Schaltauge mittig gebrochen, STI und
Lenkerband zerkratzt, seine Specialized Hose von 100 m Asphaltritt durchlöchert. Außer ein paar Schürfwunden fehlte ihm nichts. Ein Wunder bei der Geschwindigkeit. Da uns die Zeit momentan sowieso egal war, redeten wir noch 5 min, teilweise über die gleiche Sache mehrfach, was sicher auf die Mischung aus Schreck, Verwirrung, Ratlosigkeit und Motivationstief zurück zu führen war. Ich fuhr einfach erst mal weiter, er wartete auf ein Auto um ins Fahrerlager zu kommen und dort zu sehen, was mit dem Rad noch geht. Es waren noch knapp 21 Stunden zu fahren und das Team in Runde vier…
Die ganze Aktion hat uns schätzungsweise 35 min gekostet. Dennoch waren wir im Fahrplan, der im Schnitt pro Stunde eine Runde vorsah, da die ersten drei Runden zwischen 45 und 50 min lagen. Es ergab sich nur die Verschiebung, dass ich nun eine Runde vor Plan wieder auf dem Rad saß. Der Plan interessierte mich zu diesem Zeitpunkt eh nicht mehr, da ich mit meinen Gedanken irgendwo bei „16 Stunden musst du fahren, um in die Wertung zu kommen“ war. Mit Keule erreiche ich, bei immer noch nasser Piste, in der gesamt fünften Runde 52 min. Gespannte Blicke auf unseren Platz. Da war er, der Gelbe! „Ich fahre, Rad läuft wieder! Bin grade seit 5 min wieder hier!“
Was war passiert? Erst mal musste er 20 min auf ein Auto warten nachdem ich den Transponder übernommen hatte, wo er zuvor alle durch gewunken hatte, um mir noch den Transponder zu übergeben und die angebrochene Runde nicht zu verschenken. Eine Entscheidung von enormer Wichtigkeit für das Endergebnis, wie sich noch zeigen sollte.
In der Werkstatt war tatsächlich ein
Schaltauge vorhanden. Es passte nicht 100 %, wurde aber befeilt. Schnellschraubaktion des Mechanikers in gut 15 min („Wann kommt der Teamkollege von der Runde zurück?“) für gerade mal 10 €. Team PEST Eifel also wieder in voller Truppenstärke einsatzfähig. Schweiß abwischen…
Bei uns kocht der Chef noch selbst, so war nach diesem Wechsel gegen 18h Zeit für eine lauwarme, aber mit Liebe zubereitete Mahlzeit fällig.
Es kehrt „Routine“ ein, Der Regen hat aufgehört, dennoch trocknet die Strecke extrem langsam bis gar nicht ab. Nach zwei 55 min Runden vom Gelben übernehme ich gegen 19:45 wieder mit Keule. Die Dämmerung setzt ein und da nun ein 3er Stint folgt, ist die Beleuchtung schon montiert. Sie besteht aus zwei IXON und einem kleinen 3er LED Rücklicht. Normalerweise läuft nur eine IXON auf 10 Lux. Für die Stücke mit Geschwindigkeiten über 50 km/h Hatzenbach, Schwedenkreuz-Fuchsröhre, Metzgesfeld-Breitscheid, Hohe Acht-Brünnchen und Pflanzgarten leuchten beide auf 17 Lux.
In der zweiten Runde nehme ich die Links nach Kallenhart auf der inneren Linie, wo die Strecke eine Senke mit welligem Asphalt aufweist. Das schüttelt uns bei gut 60 ordentlich durch. Ein ständiges Ärgernis ist der
Sigma 1606 Tacho. Signalübertragung lückenhaft und sein Sensor lässt sich schlecht bzw. instabil an der Gabel befestigen. Diese Schläge lassen ihn hier wieder in die Linie des Speichenmagneten rutschen, von dem er in voller Fahrt ordentlich behämmert wird und den Geist aufgibt. So habe ich zuvor schon zwei Speichenmagneten verloren, allerdings hat der massive
Mavic Anschraubmagnet dem Sensor jetzt endgültig gezeigt, wo hier im wahrsten Sinne des Wortes „der Hammer hängt.“ Nicht nordschleifentauglich, ich weine dem Mist keine Träne nach. Den Tacho wollte ich eigentlich eh abkleben und nach Gefühl fahren, Eine Runde ist 23,5 km lang und somit auch der Kilometerzähler überflüssig.