vor allem aber ist ein Rad, das man heute kauft, auch ein völlig anderes Produkt. Mein ersten RR von 1984 hat 700DM gekostet. Die verbaute Gruppe war die erste Generation 105, 6fach Rahmenfriktionsschaltung und bescheidene Bremsleistung. Schmale weiche Laufräder und das ganze wog 10kg.
Ein Mittelklasserad mit 105er-Ausstattung ist heute mehrere Ligen drüber.
Genau in der Mitte zwischen damals und heute, nämlich 2004 habe ich meinen ersten Crosser (und mein erstes RR mit STI) gekauft. Hat ziemlich genau 700€ gekostet und hatte einen 105er/Ultegra Mix. Die Cantis und zugehörigen
Bremsbeläge waren schlecht und die Laufräder schlecht eingespeicht. Ich hab dann die vordere Bremse gegen Mini-V getauscht und irgendwann andere Laufräder von einem anderen RR genommen, hätten neu 200€ gekostet. Also für weniger als 1.000€ gabs ein recht ordentliches "Gravel" Rad. Gut, das war damals schon günstig und schwer, aber ich fahre es heute noch, weil es einen echt großen Vorteil hat: es hat keine Sloping Geometrie, sodass man es einfacher schultern kann und beim "Bikepacking" hat man mehr Platz. Und es hat Bohrungen für Schutzbleche und Taschenträger.
Ansonsten fehlt mir da exakt gar nichts - klar, heute würde ich ein Rad mit Scheibe nehmen, ich hab sogar so eins. Aber es bremst auch nicht besser und die Hydraulik hat mit bisher deutlich mehr Verdruss bereitet als die Seilzugbremsen.
Ich hab in meiner Zeit eine Reihe von echten Verbesserungen erlebt. Das waren Alufelgen (
bremsen besser), Dual Pivot
Bremsen (noch besser), STI (nicht die Hand wegnehmen müssen beim Schalten), steifere Rahmen seit der Alu-Ära (kein Flattern mehr ab 60), das zweite Kettenblatt vorne (mehr Übersetzungsbandbreite, runterfallende Kette im Zweifel ohne dreckige Hände wieder drauf bekommen) und vielleicht noch die Kassetten statt Schraubkranz.
Alles weitere hat nur überschaubare Verbesserungen gebracht (Ahead: mehr Überhöhung bei kleinen Größen, Hochprofilfelgen: steifer bei weniger Speichen/mehr Aero) oder fast gar keine (Hohlachsen/aussenliegende Lager, Steckachse, Scheibenbremsen, Elektroschaltung). Das meiste diente mehr dem Absatz als dass es einen echten Vorteil brächte.
Dass man jetzt so irrsinnig viel Geld für ein RR bezahlt, finde ich unverständlich. Rennräder waren auch damals schon viel zu teuer im Vergleich zum Gebotenen oder auch zu MTBs (ein Satz STI hat schon vor 20 Jahren fast so viel gekostet wie ein ganzes MTB), das wurde nur immer noch schlimmer.
Achja, damals war mein Einkommen negativ (Student), heute sechsstellig. Also von dem her gesehen könnte ich mir heute mehr leisten als damals, aber ehrlich gesagt: ich will es nicht. Ich sehe keinen Gegenwert.