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Wunder(bare) Brevetberichte

Liebe Kollegen,

ich habe über meine Erfahrungen von meiner Teilnahme an der diesjährigen Mittelgebirge Classique in einem anderen thread berichtet.
Die Mittelgebirge Classique ist zwar kein Brevet, sondern ein unsupported Ultradistanzrennen, aber die Organisatoren haben das so super und liebevoll organisiert und geplant dass es trotz der großen Herausforderung aufgrund des Streckenprofils von 1070km/22.000HM es ein einziger Traum war diese Strecke zu fahren.
Ich habe die MC mental als Brevet gefahren und nicht im strengen kompetitiven Sinne gegen andere Fahrer. Ich war mir selber schon Gegner genug :).

Grüße
 
Letzte Woche sind Olaf (@redfalo), Peter Z. (@BiBaBalu), Peter S. (@forensisch) und ich (Gerhard = @_Gerd_ ) von der Brevet Selbsthilfgruppe Frankfurt das Midnight Sun Randonnée 1200 Brevet in Schweden/Norwegen zum Polarkreis gefahren.
Anbei mein Versuch die Erlebnisse in Worte zu fassen.


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Die Midnight Sun Randonnée - Ein unvergessliches Abenteuer auf dem Rad

Idee

Mein Plan, zum zweiten Mal am Paris Brest Paris Brevet teilzunehmen, wurde von einem Vorschlag meines Randonneur-Kumpels Olaf von der Brevet Selbsthilfegruppe Frankfurt im Frühjahr 2023 kurzentschlossen über Bord geworfen. Er schlug vor, stattdessen an der Midnight Sun Randonnée 1200 in Skandinavien teilzunehmen. Lass uns zum Polarkreis fahren, meinte er. Ein kurzer Blick auf die Website mit den epischen Bildern überzeugte mich sofort. Bald darauf schlossen sich auch Peter Z. und Peter S. von der Brevet Selbsthilfegruppe Frankfurt unserem Vorhaben an.

Mein eigentlicher Saisonhöhepunkt 2023 war die Mittelgebirge Classique, auf die ich 99% meiner Vorbereitung konzentriert hatte. Angesichts der vermeintlich "einfachen" Bedingungen der Midnight Sun Randonnée mit 1.200 km und weniger als 10.000 Höhenmetern erwartete ich keine große Herausforderung. Ich war eher besorgt, dass nur drei Wochen zwischen der Mittelgebirge Classique und der Midnight Sun Randonnée liegen würden, und ich möglicherweise nicht genügend Zeit zur Regeneration haben würde.

Das Wetter am Polarkreis könnte ein Problem darstellen, aber günstige Wettervorhersagen ließen hoffen. Wir hatten zwei Übernachtungen in Hattfjelldal nach etwa 450 km und in Jäkkvik nach etwa 780 km geplant, an letzter jedoch ohne Verpflegungsmöglichkeiten. Falls notwendig wollte ich an der letzten Kontrolle ca. 120km vor Ziel noch einmal etwas schlafen.



Was ist die Midnight Sun Randonnée?

Der Veranstalter Florian schreibt folgendes:

Das Ultra-Brevet Midnight Sun Randonnée ist eine 1.200 Kilometer lange Rundfahrt über die skandinavische Halbinsel zwischen den Städten Umeå in Schweden an der Ostsee und Mo-I-Rana in Norwegen an der Nordsee. Die Strecke führt entlang von Flusstälern, Seeufern und Fjorden. Sie durchquert ausgedehnte Nadelwälder und schneebedeckte Berge. Sie überquert auch den Polarkreis. Da die Veranstaltung zur Sommersonnenwende stattfindet, werden die Teilnehmer 24 Stunden Tageslicht erleben. Die Veranstaltung findet in den Provinzen Västerbotten und Lappland in Schweden und Helgeland in Norwegen statt.

Kontrolle 1 bis 3 folgen dem Seensystem des Ume-Flusses. Kontrolle 4 bis 5 überquert die skandinavische Gebirgskette. Kontrolle 6 bis 7 folgt dem Ranfjorden und bringt Sie dann zum Polarkreis. Kontrolle 8 bis 9: Aufstieg durch das Junkerdal-Tal zum höchsten Punkt der Strecke. Kontrolle 10 bis 11 folgen der Vindel flussabwärts bis zum Ziel in Umeå an der Ostsee.



Anreise

Die Anreise und deren Planung gestaltete sich turbulent. Ursprünglich war eine Anreise per Bahn geplant, aber aufgrund von Gleisbauarbeiten in Schweden konnten keine Tickets frühzeitig gebucht werden. Wir wollten deshalb ca. 2 Monate vor dem Brevet auf einen Flug umschwenken. Als allerdings der Codeshare-Flug von Lufthansa mit SAS ohne Angabe von Gründen storniert wurde, war Olaf plötzlich ohne Flug, denn für seinen Radkoffer gab es angeblich keinen Platz mehr. Olaf entschied sich schließlich für die Anreise mit dem Auto zusammen mit den Kollegen Peter und Peter. Zwei volle Tage würden sie brauchen für die Fahrt von Mainz bis Umeå.

In der Nacht, ca. 5 Stunden bevor ich zum Flughafen aufbrechen wollte, wurde es dann auf einmal aufregend. SAS stornierte den Flug Stockholm-Umeå per SMS komplett, und buchte mich nach einer Stunde automatisch auf einen Flug um, der mich erst einen Tag später, am Renntag selber, ankommen lassen würde. Leider war SAS am Wochenende telefonisch überhaupt nicht erreichbar.
Letztendlich hat mich Lufthansa dann auf eine andere Verbindung umbuchen können, die kurz vor Mitternacht am ursprünglichen Reisetag ankommen soll. Erst am Flughafen in Frankfurt erfuhr ich dann endlich, dass auch mein Radkoffer tatsächlich bis Umeå mitgenommen werden kann. Endlich glaubte ich daran dass ich starten werde können. Und am Montagmorgen traf ich dann endlich auf meine Mitfahrer im Hotel zum Frühstück.



Der Start

Der Start des Brevets war für Montag um 23:07 Uhr festgesetzt, die offizielle Sonnenuntergangsuhrzeit. Auch wenn die Sonne so nah am Polarkreis- kurz vor der Sommersonnenwende - nicht wirklich untergeht.

Kurz nach dem late check-out am frühen Nachmittag, noch im Hotel, machte sich Aufregung breit, da aufgrund von Bauarbeiten die ersten beiden Etappen geändert wurden. Plötzlich stand ich vor der Herausforderung, gezippte GPX-Tracks auf meinen Wahoo per Handy zu laden. Ich bereute es, dass ich dies vorher nicht geübt hatte. Doch letztendlich habe ich es geschafft. Durch die Änderungen wurde die Strecke länger, und betrug nun insgesamt 1226 Kilometer.

Da der Start erst am späten Abend stattfand, mussten wir den ganzen Tag über die Zeit totschlagen. Wir genossen einen kurzen Nachmittagssnack auf einem Gehöft, etwa 3 Kilometer vom Start entfernt, und am Abend gab es dann noch ein gemeinsames Essen. Der Start lag etwa 10 Kilometer westlich von Umeå. Es war eine gute Gelegenheit, sich noch einmal zu stärken und die letzten Vorbereitungen zu treffen.

Während des Montages war es sehr warm, aber gegen Abend wurde es überraschenderweise doch relativ kühl. Wir wurden etwas unsicher ob wir nicht doch noch eine warme Schicht zusätzlich hätten einpacken sollen.

Punkt 23:07 Uhr war es dann so weit - der gemeinsame Start gen Westen erfolgte. Mit einer Mischung aus Aufregung und Vorfreude begannen w ir unsere Reise auf den endlosen Straßen Skandinaviens.

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Tag 1: Umeå – Hattfjelldal – ca.465km

Das Brevet startete bei strahlendem Sonnenschein und klarem Himmel kurz vor Mitternacht.
Es war sehr ungewohnt, dass es nie dunkel wird. Die Landschaft war genauso wie man sich Schweden vorstellt. Dichte Wälder und viele malerische Flüsse, Wasserfälle und Seen, mit gelegentlichen Gehöften dazwischen. Je weiter wir gen Westen kamen, desto seltener wurden die Versorgungsmöglichkeiten.

In einer schnellen Gruppe erreichten wir eine für mich ungewohnt hohe Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 30 km/h, und wir absolvierten die 200 Kilometer in einer Bruttozeit von nicht einmal 7:45 Stunden. Mein absoluter Rekord für eine 200km Brevet Strecke.

Bei Kilometer 320 begann der angekündigte Schotterabschnitt. Unerwarteterweise war der Schotter jedoch tiefer als erwartet, was die „Trennscheiben“-fahrer zu einigen Flüchen veranlasste.
Meine 42-mm-Reifen kamen gut auf den etwas fester gefahrenen Autospuren zurecht, aber wenn man aufgrund überholender Autos auf den Randstreifen ausweichen musste, wurde es ziemlich wackelig und der Puls schoss in die Höhe.

Wir lernten auch eine Eigenheit der schwedischen Autofahrer kennen. In den städtischen Gebieten und auf den größeren Überlandstraßen zeigen die Schweden eine rücksichtsvolle Fahrweise und überholten uns mit großem Abstand. Wenn uns jemand knapp überholte, war es ohne Ausnahme ein deutsches Wohnmobil. Auf den langen und monotonen Verbindungsstrassen, insbesondere auf den Schotterstraßen, drücken die Schweden jedoch gerne aufs Gas, um voranzukommen. Das führte immer wieder mal zu ansteigenden Puls.

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Gleichzeitig mit dem Schotterabschnitt begannen auch die Höhenmeter. Die Anstiege wurde steiler, und der Höhenmeterfaktor 5, änderte sich nun teilweise auf 20 (=Höhenmeter pro 100km / 1000).

Nach der Kontrolle in Kittfjelldal bei etwa Kilometer 365 begann es dann stärker zu regnen und unsere Hoffnungen trocken durchzukommen wurden zu nicht gemacht. Wie üblich, zögerten wir das Anziehen unserer Regenkleidung immer weiter hinaus. Und auf einmal waren wir pitschnass und mussten mit nassen Schuhen und Hosen weiterfahren.

Inzwischen hatten wir auch gelernt, welche Fahrer im Prinzip das gleiche Bruttotempo wie wir fuhren. Man traf diese Kollegen immer wieder an den Kontrollen oder am Straßenrand, selbst wenn die Fahrgeschwindigkeit selber unterschiedlich war.

Unser ursprüngliches Vierer-Team wurde gleich zu Beginn des Tages in zwei Zweier-Teams zerrissen, aufgrund leicht unterschiedlicher Bruttogeschwindigkeiten.

Ärgerlicherweise habe ich feststellen dürfen, dass mein Wahoo Navigationsgerät sich nicht mehr laden lässt. Das war bereits das zweite Mal trotz IPX7-Zertifizierung. Zuerst der Bolt V1, und jetzt der V2. Zum Glück hatte ich meinen alten Bolt V1 als Backup-Gerät dabei. Allerdings war das Laden nur noch bei sehr diffiziler Steckerpositionierung in völliger Ruhe möglich. Das bedeutete, dass ich jetzt navigationsmäßig nur von Kontrolle zu Kontrolle fuhr und das Navi an jeder Kontrolle wieder aufgeladen werden musste. So hat es bis zum Ziel funktioniert, war aber ärgerlich.

Dann erreichten wir die norwegische Grenze und plötzlich wurden die Straßen etwas holpriger und schmaler, und alles wirkte irgendwie wildromantisch. Ein Mitfahrer erklärte mir, dass die Schilder beim Grenzübergang sinngemäß bedeuteten: "Hier beginnt die Märchenstraße".

Nach etwa 23 Stunden erreichten wir die Kontrolle in Hattfjelldal, unsere geplante erste Übernachtung. Das Zimmer war sehr einfach und leider komplett überheizt, da der Vormieter den Heizstrahler im Bad angelassen hatte. Ich hatte keine Nerven mehr, um das Zimmer zu wechseln, da ich die wenige Zeit zum Ausruhen nutzen musste.



Tag 2: Hattfjelldal – Jäkkvik – ca. 330km

Gleich zu Beginn des zweiten Tages starteten wir mit einer anständigen Steigung, die uns in eine Art Hochland führte und mich an die Alpen erinnerte, jedoch begleitet von Nieselregen. Es war die passende Atmosphäre für diesen Abschnitt.

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Schon bald darauf stießen wir auf die E6 - die berühmte Traumstraße zum Nordkap. Doch wie es bei solch beliebten Straßen oft der Fall ist, jeder will sie befahren. Die E6 war für norwegische Verhältnisse deshalb stark befahren, wenn es auch im Vergleich zu Deutschland immer noch überschaubar war. Und die E6 sollte uns von nun an rund 150 km begleiten. Bis kurz nach dem Polarkreis.
Endlich erreichten wir auch die Nordsee, in Form des langen Ranfjords. Die salzige Meeresluft lag in unseren Nasen und verlieh der Umgebung eine besondere Atmosphäre.

Nach der Kontrollstelle bei Mo-I-Rana bogen wir wieder ins Landesinnere ab und begannen den langsam ansteigenden Weg zum Polarkreis, der stetig steiler wurde. Gleichzeitig stiegen die Temperaturen kontinuierlich an und erreichten unerwartete 30 Grad Celsius. Es gab weit und breit keinen Schatten, aber wir lagen zum Glück gut in der Zeit, und konnten uns langsam nach oben kurbeln.

Leider musste ich inzwischen feststellen, dass ich bei einer der vorherigen Kontrollen meine Sitzcreme vergessen hatte. Nun musste ich gute 600 km ohne auskommen, und durfte nun testen, wie gut ich ohne die gewohnte Sitzcreme zurechtkommen würde. Und wieder kurz darauf, als ich meine Wasserflaschen auffüllte, bemerkte ich, dass ich den Messlöffel für die Dosierung meines Maltodextrin/Isomaltulose-Pulvers auch verloren hatte. Es schien, als hätten sich einige unglückliche Umstände gegen mich verschworen.

Das Ladeproblem meines Wahoos, das Fehlen der Sitzcreme und des Messlöffels bedeuteten eine zusätzliche mentale Belastung auf der restlichen Strecke. Es war zwar ärgerlich, aber sollte mich nicht davon abbringen das Ziel in time zu erreichen.

Unterwegs entdeckten wir eine Art Café-Gasthaus, in dem wir uns mit einer Cola, einem Stück Kuchen und einem Eis stärken konnten. Die E6 war offensichtlich ein stark frequentiertes Touristengebiet, was sich auch in der besseren Versorgungslage zeigte.

Nachdem wir die Kontrolle am Polarkreis passiert hatten, durften wir die hart erkämpften Höhenmeter durch eine rasante Abfahrt genießen. Leider überfiel mich auf dieser Abfahrt urplötzlich eine große Müdigkeit, und ich hatte Probleme meine Augen offen zu halten. Das war äußerst gefährlich, denn obwohl wir teilweise mit 60-70 km/h bergab fuhren, überholten uns immer noch Lastwagen.

Dann bogen wir endlich von der E6 ab, und es erwartete uns die nächste Herausforderung in Form einer steilen Rampe bei drückender Sonne ohne Schatten. Diese Anstrengung munterte mich zwar etwas auf, aber während der darauffolgenden 600 Höhenmeter war ich immer noch so müde, dass mein Mitfahrer Peter Z. alleine weiter zur nächsten Kontrollstelle fuhr, während ich mich langsam den Berg hinaufquälte.

Die anschließende Hochebene erinnerte mich sehr an Schottland. Einfach wunderschön, und die tiefstehende Sonne tauchte die Landschaft in ein zauberhaftes Licht.

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An der Kontrollstelle am Campingplatz in Vuoggatjålme traf ich wieder auf Peter Z., aber wir trennten uns erneut, da ich meine Unterkunft erst weitere 40 km entfernt in Jäkkvik gebucht hatte, während er an der Kontrollstelle etwas schlafen wollte.
Mitten in der Nacht stieß dann Olaf, der uns immer mit etwas Abstand folgte, zu mir in die Unterkunft und wir beschlossen, gemeinsam am Morgen weiterzufahren. Dies gab mir etwas mehr Zeit, mich auszuruhen und neue Energie zu tanken.



Tag 3: Jäkkvik – Åmsele – ca. 309km

Wir hatten uns alle vier verabredet, uns in der Nähe unserer Cabin zu treffen, um gemeinsam weiterzufahren. Doch irgendwie hatte Peter Z. unseren vereinbarten Treffpunkt verpasst und war zu weit gefahren. Trotzdem konnte ich Peter Z. nach einigen km einholen, und ab da fuhren wir wieder gemeinsam weiter, während Olaf und Peter S. einzeln weiter fuhren.

Es ging das Gerücht um, dass wir, wenn wir es noch am Vormittag zur Kontrollstelle in Arjeplog schaffen würden, wir mit einem reichhaltigen Frühstücksbuffet belohnt würden. Während diejenigen, die später ankämen, nur einen Wrap erhalten würden. Deshalb fuhren wir zügig bis zur Kontrolle und konnten unsere Bäuche a`la all you can eat vollschlagen.

Leider hatte Peter S. es nicht rechtzeitig zum Buffet geschafft. Ob das der ausschlaggebende Grund war, wissen wir nicht, aber er beschloss, an dieser Kontrollstelle aufzuhören und den Bus nach Umeå zu nehmen.

Schon auf dem Weg nach Arjeplog, und erst recht danach fing es an fast ununterbrochen zu regnen. Zwischendurch gab es sturmähnliche Böen mit starkem Niederschlag die uns fast vom Rad wehten. Bis auf die letzten 100 km sollte uns der Regen fortan begleiten, wenn auch meistens eher gemäßigt.

Früher wollte ich unbedingt am Length of Sweden Brevet teilnehmen. Das LoS Brevet führt 2.200 km von ganz im Norden bis in den Süden von Schweden. Jetzt weiß ich, dass ich dieses Brevet nicht fahren werde. Schweden ist landschaftlich sehr schön, aber den ganzen Tag relativ eben durch Wälder und an Seen entlangzufahren, und die einzige Abwechslung besteht darin ob es regnet oder nicht – da kann ich mir attraktivere Möglichkeiten zum Radfahren vorstellen.

Und dann kam endlich die lang erwartete Geheim-Kontrolle. Und was für eine Überraschung! Es gab eine Feuerstelle, an der Hot Dogs, selbstgebackene Zimtschnecken und eine Banane gereicht wurden. Und der Regen hatte gerade etwas nachgelassen. Die Stimmung war im Aufwärtstrend.

Inzwischen haben wir mehrfach erfahren dürfen, dass wir mit einer gar nicht so kleinen Gruppe gleichschneller Randonneure unterwegs waren, und es daher bei den Kontrollen immer wieder eng wird, was Schlafplätze betrifft. Vielleicht war das der Grund, warum ich mich mit einer 3er-Gruppe spanischer Rennradfahrer auf ein kleines Rennen eingelassen habe und ich erfreut feststellen durfte, dass ich auf den letzten Kilometern noch etwas mehr Substanz aufweisen konnte, um sie etwas abzuhängen. Allerdings erwiesen sich die spanischen Kollegen als sehr smart, und hielten sich nicht zuerst mit dem Essen auf, sondern kümmerten sich zuerst um einen Schlafplatz – die letzten.

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Zuerst waren wir etwas enttäuscht, aber dann erfuhren wir, dass es noch zwei weitere Räume gab. Zwar waren die Betten nicht bezogen, aber wir hatten den Raum für uns ganz allein, inklusive unserer Fahrräder. Das war in Ordnung.


Tag 4: Åmsele – Umeå – ca. 120km

Am nächsten Morgen gab es eine Überraschung. Frederik, ein Belgier der schon viele Jahre in Schweden lebt, und den wir gleich am ersten Tag kennengelernt hatten, trat plötzlich aus einer Hütte und gesellte sich zu uns zum Morgenkaffee.

Frederik ist ein sehr guter und etwas schnellerer Fahrer als wir, so dass wir ihn immer wieder aus den Augen verloren haben. Er hatte an der zweiten Kontrolle schon für 4h geschlafen, als wir weiterfuhren. Zusätzlich hatte er kurz vor dem Polarkreis sein Handy unterwegs liegenlassen und wartete über 2,5 Stunden darauf. Trotzdem konnte er wieder zu uns aufschließen.

Spontan beschlossen wir, die restlichen 120 km gemeinsam zu fahren. Und wir wollten zur Öffnungszeit um 8 Uhr am ca. 50km entfernten Supermarkt ankommen. Dafür gab es dann frisch gebackene Zimtschnecken zum zweiten Frühstück.

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Wie üblich zogen sich die letzten Kilometer etwas hin, aber als wir das Meer schon riechen konnten, wussten wir, dass es nur noch wenige Kilometer sein werden. Und dann endlich durften wir den Fluss Umeälven das letzte Mal überqueren, um das Zentrum von Umeå und das Scandic Plaza Hotel, unser Ziel, zu erreichen. Eine unerwartete Baustelle bescherte uns noch einen kleinen Umweg, aber dann konnten wir glücklich unseren letzten Kontrollstempel abholen.


Resumee

Die MSR 1200 war für mich persönlich härter als ich es erwartet hatte, aber das lag mehr an meinem Fokus in der mentalen Vorbereitung als am Brevet selbst.

Was das Wetter betrifft, kann man sagen, dass wir für eine Fahrt zum Polarkreis unterm Strich einiges Glück hatten. Im Vorjahr gab es teilweise Schnee, aber wir blieben davon verschont und hatten stattdessen mehr mit der Hitze zu kämpfen.

Landschaftlich war es ein einziger Traum, auch wenn sich Schweden manchmal etwas in die Länge zog. Der Aufwand für die An- und Abreise sollte nicht unterschätzt werden.
Mal sehen, vielleicht komme ich noch mal wieder …
 
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Sehr schöner Bericht über MSR. Mit dem Wetter hatte ich mehr Glück, hatte nur ein wenig Regen vom Polarkreis bis zur nächsten Kontrolle.
 
Gestern war ich mal wieder DIY unterwegs. Letztes Jahr hatte ich, auf dem Weg zur Arbeit einen niederländischen Randonneur unterwegs von Boekelo ins Sauerland getroffen (und ihm auf den Track zurück geholfen). Da ich mal wieder nach einer Strecke suchte (wollte zwar nicht 600 sondern nur 200km fahren)schaute ich mir den Track einfach mal an, stellte fest, dass dieser fast an meiner Haustür vorbei geht, und kürzte ihn, wohlwissend nicht ganz fit zu sein, Richtung Niederlande zurecht. Heraus kam diese Strecke.

Also fuhr ich morgens gegen 9 Uhr los und kam soweit auch gut vom Fleck, auf den ersten 50km hatte ich einen 23er Schnitt.
Danach wurde es immer wärmer (über den Tag sollte das Thermometer auf 29° ansteigen)und bei etwa 100km schrie mein Körper nach der ersten Pause. Sowohl Füße als auch hintern wollten nicht so recht.

Kurze Zeit später dann noch ein Stopp beim Edeka, Flaschen auffüllen. Danach lief es erstmal wieder, über die niederländische Grenze (ich genieße es jedes mal bei den Nachbarn zu fahren, läuft, wohl auch durch höhere Strafen, wesentlich entspannter ab). Daher einfach entspannt weiter gerollt bis kurz hinter der Grenze nach Deutschland.

Hier spürte ich wieder Füße und Gesäß (an ersteren waren die Socken zu warm, der Ledersattel ist es für mich auf langen Distanzen nicht so, entweder schmerzt der Hintern oder die Weichteile schlafen ein, wandert ans geplante Lastenrad, da sitze ich dann aufrechter)und vertrat mir etwas die Beine. Durchaus schöner Fleck.

Die letzten 50km wurden dann zäh, zum einen Landstraße, also nicht besonders attraktiv, zu anderen meldete sich mein Körper. Zum Glück war der Unterschied zwischen abkürzen und durchziehen nicht groß, sonst hätte ich wohl darüber nachgedacht. Also ging es weiter bis Reken und dann, ich wollte die bekannte "Rennstrecke" hier in der Gegend nicht nutzen, auf eine geplante Änderung des Tracks durch den Wald. Hätte ich aber auch gemusst, da die Straße derzeit auch noch saniert wird (natürlich weiterhin ohne Radweg und Blitzer, mehrere Unfälle mit Radfahrern reichen anscheinend nicht, aber das ist ein anderes Thema).

Im Wald dann nochmal eine kleine Pause.

Und dann rollte ich überwiegend bergab in der Dämmerung nach Hause, der Supernova Scheinwerfer, übrigens Grund für Rahmentasche und Top Tube Bag statt Lenkertasche, ist super und sorgt für erhöhte Sichtbarkeit im Vergleich zum IQ-X, der auch schon nicht schlecht ist. Das Fernflicht brauchte ich an dem Tag nicht, leistet aber beim Pendeln (durch den Schichtdienst fahre ich mehrmals die Woche nachts)gute Dienste.

Nach etwas über 11 Stunden war ich dann, vollkommen erschöpft aber glücklich, wieder zu Hause. Sattel habe ich heute getauscht und schaue dann morgen mal ob sich mein Pro Sattel mit kurzer Nase besser macht.
 
Ein Doppelpost: Etwa einen Monat nach dem 200er brach ich mir zwei Rippen, im Anschluss den Oberschenkel. Ein Seuchenjahr oder, passend zur kommenden EM:
"Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß."
Mein Ziel ist es etwa ein Jahr nach dem letzten 200er wieder 200km fahren zu können, regelmäßige lange Distanzen 100+km sind das Training. Von zweiten Mal dreistellig möchte ich erzählen.

Ursprünglich war geplant dienstags zum Niederrhein zu fahren. Nachdem mir aber auffiel, dass mir Tubeless-Felgenband fehlte um mein endgültiges Hinterrad für das Langstreckenrad in Betrieb zu nehmen plante ich kurz entschlossen um und fuhr nach Bocholt. Unterwegs zu Erwin holte ich noch Kaffee.
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Ja, es gibt auch günstigen Kaffee, aber langsam und nicht zu dunkel gerösteter Kaffee ist definitiv eine andere Hausnummer. Der Hinweg war ansonsten ziemlich feucht, weshalb ich schaute, dass ich schnell durchkomme.

Bei Rose Felgenband, Ventil und eine neue Windjacke (meine alte Vaude hat nach locker 20 Jahren die besten Zeiten definitiv hinter sich) gekauft versah ich meine frisch aufgefüllten Trinkflaschen noch mit Maltodextrin (habe mich von Thomas aka Fernradler influencen lassen), Gespräch mit einem anderen Langstreckenfahrer inklusive. Alte Schule, 100km ohne Kalorienzufuhr, war seine Art zu fahren. Für jemanden wie mich, der schaut das er irgendwie regelmäßig nachtankt, eher befremdlich.
Ob Maltodextrin heute sinnvoll war oder ob ich einfach langsam fitter werde, sei aber mal dahingestellt.
Auf dem Rückweg kam jedenfalls die Sonne raus, deswegen und wegen des zwickenden Oberschenkels, der linke ist die Belastung noch nicht wieder gewohnt, gab es einige Pausen und Fotos.
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Insgesamt, für's Münsterland, erstaunlich abwechslungsreiche Strecke. Hatte Komoot einfach mal machen lassen.
Nächste Woche habe ich dann noch Urlaub und werde die Niederrheinrunde fahren. Dann mit dem geplanten Hinterrad. Direkt abends noch umgebaut.
 
Tourbericht Vogesen Brevet 400km ARA Breisgau
25. / 26. Mai 2024

Das sagt Strava
422km bei 4540hm
Gesamt 23:00 Stunden bei 18,4 km/h
In Bewegung 20:18 mit 20,8 km/h

Das sagt Komoot (mit freundlicher Genehmigung von ARA Breisgau)
https://www.komoot.com/de-de/tour/1596967439

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Warum das Ganze
Eigentlich bin ich gerade dabei, meinen Rheingold-Bericht zu tippen. Aber irgendwie kommt mir die ganze Zeit das Vogesen-Brevet gedanklich dazwischen. Also möchte es wohl auch seinen Bericht haben. Na gut, dann soll es ihn bekommen... :)

Die Anreise
Freitag Nachmittag (24.05.) bin ich schon nach Freiburg gefahren. Zum ersten mal wollte ich im-Auto-schlafen ausprobieren. Das hatte vor allem den Grund, daß ich, wenn ich Nachts zurückkomme, jederzeit ins Bett gehen kann. Ohne irgendwelche Checkin, oder morgens halt Checkoutzeiten, bei anderen Unterkünften beachten zu müssen. Ich hatte sogar bis Montag gebucht, damit ich Sonntag so lange schlafen und vielleicht noch bisschen in Freiburg bleiben kann, wie ich möchte. Die Idee kam mir, als ich eine tapeziertischartige Tischlerplatte ins Auto geladen habe, dafür den Beifahrersitz vormachen musste und die Platte den Fußraum-Spalt bis zur Lehne überbrückt hat. Da dachte ich sofort, okay Klapptmatratze drauf (hab ich) und fertig. Hat super funktioniert, aber viel größer als meine 173cm darf man im Golfplus nicht sein, die Lehne geht nicht weiter vor.

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Campingplatz Hirzberg ist total klasse, liegt unweit von Start und Ziel und die sind superfreundlich an der Rezeption. Insgesamt aber wohl ziemlich auf Wohnmobile ausgelegt, eine Zeltwiese muss es aber irgendwo auch geben, zumindest habe ich Fotos davon gesehen.
https://www.freiburg-camping.de

Dann mit dem Rad zur Gaststätte Augustiner, Brevetstammtisch und Abendessen. Leider saß ich irgendwie als spät dazu gekommener ein bisschen abseits am Tisch, kannte auch niemanden und kam nicht so richtig in die Runde rein. Naja, machte aber nix, so kam ich früh ins Bett, Wecker auf 3:45.

Wie es organisiert war
Alles absolut vorbildlich. Infos kamen rechtzeitig mit Downloadlink, gpx Track und einer wirklich absolut ausführlichen Routenbeschreibung mit jeder Menge Infos rund um die Tour. Auch ist man fortschrittlich im Breisgau, nicht nur gpx Tracks, die digitale Brevetkarte und auch die Tracking-Version davon können genutzt werden. Start und Ziel sind wohl immer(?) in der Gaststätte Augustiner. Startort, Campingplatz, Bahnhof – alles liegt nah beieinander. Absolut ideal.
Am Campingplatz Hirzberg kennen sie ARA und wissen bescheid, man darf da auch als Brevtteilnehmer duschen, wenn man nichts gebucht hat.

Das Brevet
Ein schönes Ding finde ich. Alles sehr gut zu fahren. Keine wirklich blöden Abschnitte dabei, mit Ausnahme der Abfahrt vom Ballon de Servance, aber das war ja mit Ansage. Überhaupt das Streckeninfos-pdf: Wirklich extrem hilfreich aber auch sehr umfangreich, am besten 2x lesen ;) Schotteranteil geht gegen Null, ein echtes Road-Adventure. Anstiege gut zu fahren, der härteste direkt am Anfang. Versorgung muß aber bisschen geplant werden.

Meine Fahrt
Frühstück im Augustiner ab 4:00 Uhr (!), Räder können in den Biergarten (mit Tor). Das ist tatsächlich wirklich gut organisiert. Richtig toll. Supernettes Personal, Frühstück im Startgeld mit drin. Großes Buffet, Kaffee satt, quatschen mit anderen Teilnehmerm. Echt sensationell. Fast so gemütlich, daß man aufpassen muß, den Start nicht zu verpassen.

Start pünktlich um 5:00 Uhr mit digitaler Photo-Brevetkarte. Die papierne wurde nicht benötigt und gab es nur auf Nachfrage. Komisch, bei anderen ARA-Startorten ist sie verpflichtend abzugeben und alle Zeiten sind einzutragen, auch wenn digital gefahren wird. Besser so, hab mich eh immer gefragt was das soll.

Los gehts, aus Freiburg raus und direkt den, wie ich im Nachhinein fand, härtesten Anstieg der Tour. Lang, steil, mit vielen Rampen geht es hoch zum „Geiersnest“ und das direkt nach dem Frühstück. Gottseidank habe ich es bei zwei Brötchen und einem Mincroissant belassen...okay und 5 Kaffee.

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Sonneaufgang – tolle Stimmung

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Rheinüberquerung nach Frankreich

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Tempo machen im Flachen

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Überhaupt habe ich immer sofort Urlaubsgefühl, sobald ich nach Frankreich reinfahre (wir machen da jedes Jahr den großen Sommerurlaub am Atlantik). Allein die anderen Straßenschilder, die Architektur der Häuschen, die Kreisverkehre machen das schon aus.

Dann zwei Anstiege, der Col Amic und der Col du Hundsruck, die ich mir schlimmer vorgestellt hatte. Energiesparend gefahren, hatte ich dort keine größeren Probleme.

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Danach wieder ein etwas welliges Flachstück auf dem ich etwas Schnittkorrektur betreiben konnte. So langsam sah man am Himmel auch das angekündigte, aber keineswegs sichere, Gewitter aufziehen. Aber noch keinerlei Regen und jede Menge Hoffnung...

Was ist aus dem Land der Haute Cuisine geworden? Pizzaautomaten? Ich sah sie mehrfach in der ganzen Region. Echt jetzt?!

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Die Tour lässt grüßen. Alte Bemalungen auf der Straße feuern noch Jan Ullrich an. Da das Gewitter nun doch deutlicher sichtbar wurde und ich (dummerweise) versuchen wollte, ihm davonzufahren (bergauf!), bin ich da sogar einige hundert Meter hoch, bis ich gemerkt habe, daß dies der falsche Anstieg ist, weil ich zum Ballon de Servance hoch muss, nicht zur Planche des belles Filles...also zurück und die richtige Abzweigung genommen.

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Natürlich ist mein bescheuerte Plan so gar nicht aufgegangen und ich kam in einen richtigen Wolkenbruch. Bergauf. Und nirgendwo eine Stelle, wo ich hätte gut halten können. Um die Regensachen anzuziehen. Nirgends! Rechts und Links Graben und matsch und direkt steile Böschung. Kein Baum um das Rad anzulehnen. Also egal und durch. Den Anstieg an sich fand ich nicht schlimm. Recht lang aber keine Rampen. Asphalt war als schlecht angekündigt, was ich beim Anstieg nicht nachvollziehen konnte. Bisschen rau aber doch völlig ok?!
Ganz anders auf der Abfahrt! Das hat mir mir keinerlei Spaß gemacht: Steil, kurvig, schlechter Aspahlt, welliger Boden, Schlaglöcher und alles im noch stärkeren Regen. Dann abseits ein leerstehendes Haus mit Schuppen und wohl absichtlich und freundlicherweise geöffneter Schuppentür mit drei Gartenstühlen drin. Da habe ich dann doch die Regensachen angezogen. Und siehe da, Laune direkt besser. Obwohl ich schon komplett nass war, haben mir die Regensachen es doch deutlich angenehmer gemacht.

Süße Häuschen...

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...und jede Menge ganz tolle, halbverfallene Anwesen. So „lost places“ mäßig. Wo man sich denkt, was man da draus machen könnte. Aber halt echt in der Pampa.

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Regenbögen. Sie verfolgen mich. Jetzt sogar im Doppelpack... :D

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Zwischenzeitlich hat es aufgehört zu regnen und die Sonne kam raus. Wieder so ein Moment, noch vor wenigen Minuten diesen bekackten Scheißsport verflucht und kaum kommt die Sonne raus: Was könnte es schöneres geben, als Brevet zu fahren? Wurde sogar ziemlich warm, die nassen Sachen trocknen komplett am Körper. Klasse, gut für die Nacht! Bei einem Bäcker einen Mitfahrer getroffen, der Socken in der Sonne getrocknet hat und sich darüber gefreut hat, nicht nass in die Nacht fahren zu müssen. Auf die Frage, was ich denn in all den Taschen am Rad alles dabei hätte, sagte ich sinngemäß, halt Regensachen und warme Kleidung für die Nacht. Fand er meine Taschen erst übertrieben, guckte er dann doch etwas neidisch, seine warmen Sachen hätte er jetzt schon im Regen verschossen. An ihn musst ich später nach Sonnenuntergang noch denken, als es wieder zu schütten anfing...

Abenddämmerung. Wunderschön.

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Abendessen in St. Dis. Noch ca. 120km. Gut bedient aber gerade noch okay. Letztes Foto, weil es danach zu dunkel war für mein altes Handy. Aber auch, weil ich echt ziemlich platt war. Einerseits tatsächlich erschöpft (genug Kalorien hatte ich auf jeden Fall) aber vor allem Sitzbeschwerden. Wenn ich (zu) müde werde kippt mein Becken nach vorne, zu viel Druck an falschen Stellen. Wird aktuell besser, kommt vom Rücken, bin dran und betreut.

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Eigentlich wollte ich es genau so machen, wie es in der Streckenbeschreibung empfohlen war: Auf den ersten 200km Energie sparen und in der zweiten Hälfte in den Flachstücken in Tempo umsetzen. Ich dachte eigentlich, ich hätte das so gemacht?! Naja vielleicht auch nicht, für die ersten, schweren 200km habe ich 10:30h (all in) gebraucht – für mich ist das dann doch ziemlich flott gewesen.
Danach wars etwas zäh. Die letzten 50km Kilometer oder so habe ich mich dann eher mit wundem Hintern ins Ziel gequält. Klingt jetzt schlimm, allerdings tut sich da gerade was. Aktuell schiebt sich die Schwelle, bis zu welcher ich noch beschwerdefrei fahren kann, immer weiter raus.

Zusammenfassung: 200km großer Spaß, 100km hmm..okay?, 75km sehr anstrengend, 50km irgendwie ankommen.
Um genau 4:00 Uhr war ich im Ziel, Gaststätte hatte noch auf. Vielleicht hätte ich noch ein Bier bekommen, um 4 ist letzte Runde, aber ich war ziemlich fertig, müde und auch ein bisschen genervt und wollte ins Bett. Zum Campingplatz musste ich ja auch noch radeln, duschen und ab ins Autobett. Nie so schnell eingeschlafen...

Das Casino Fiasko
Kontrolle 5 in Saint-Loup-sur-Semouse. Es ist ein Casino Supermarkt als Kontrolle zu fotografieren. Direkt an der Kreuzung mit der D964. Nach über 200km stimmen die Kilometer ja meist nicht mehr 100%ig, vor allem wenn man wie ich erstmal den falschen Anstieg hoch ist. Also gewisse Unsicherheit hier. Eben die Augen auf machen. Ich fahre und fahre, durch den Ort mit Ampeln. Kein Casino. Und bin irgendwann am Ortsende. Auch hier nix. Mist. Okay dann eben schnell auf Googlemaps geguckt, Casino-Supermarkt wird ja wohl nen Eintrag haben? Nix gefunden. Naja vielleicht noch ein Stück weiter. Auch nix. Ah die Bundesstraße D964, die muss es ja auf Maps geben. Nein, auch nix, die gibts nicht*. Also die Brevet-App geöffnet. Wenn man dort auf „Position hochladen geht“, zeigt sie einem an, daß man noch nicht da ist und die ungefähre die Entfernung zum Kontrollpunkt. Okay also weiter. Entfernung wird kleiner. Super. Noch weiter, Entfernung wird wieder größer. Mist. Also zurück, Entfernung wird kleiner. Gut also doch hier zurück. Entfernung wird wieder größer. WTF? Einen Fußgänger gefragt. Der mir sagt, es gäbe keinen Casino im Ort. Oder ob ich ein Spielcasino suche? Oder was einkaufen will? Nein, alles nicht, es geht um...ach zu kompliziert, dankeschön! Wieder zurück in den Ort. Endlich kommt mir ein Mitfahrer entgegen. Den gefragt (der mit den Socken, hat das Brevet schon 5x oder so gefahren): „Ach so, ja der Casino den gabs mal, ist jetzt ein Intermaché.“ Scheiße, der war ganz am Ortseingang. Also alles wieder zurück, durch den Ort, Ampeln etc. Da kommt mir ein weiterer Fahrer engegen, der lächelt bisschen mitleidig, ich fahre ja entgegen dem Track, muß also wohl die Kontrolle verpasst haben. Der hats wohl gecheckt, ich halt nicht. Pustekuchen, nach meinem Kontrollfoto, wieder in der richtigen Richtung unterwegs, kam er mir auch entgegen. Die ganze Aktion hat mich, habs auf Strava nachgeguckt, 45 Minuten gekostet. Aber was solls, auch das gehört zum Brevetfahren, irgendwas ist eigentlich immer, deshalb immer etwas Puffer haben. Dafür keinerlei technische Probleme, keine Versorgungsengpässe oder ähnliches...

*später gecheckt, daß die wohl auf Maps als D64 angezeigt wird, das ist mir in dem Moment leider nicht aufgefallen

Der nächste Morgen
Leider hatte ich den einzigen Platz in der ganzen Reihe, wo um 9:30 die Sonne draufknallt. Für die recht kalte Nacht hatte ich alles an was ich hatte, Jogginganzug, Jacke, Socken, dicke Bettwäsche, für die Nacht wunderbar. So schnell, wie als ich im Backofen wach wurde, war ich noch nie aufgestanden und umgezogen. Dann direkt zum Frühstück beim Bäcker, wenn ich schon wach sein muss dann mit Kaffee!

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Reicht wohl noch nicht

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Um kurz vor 11 war ich an der Rezeption zum Bezahlen und habe ungefragt, aus purer Freundlichkeit, den umsonst gebuchten Tag erlassen bekommen. Sehr nett, so wars eine echt günstige Sache mit der Übernachtung. Normalweise machen die sowas aber nicht, hat man mir mehrmals gesagt (ich hatte aber auch gar nicht danach gefragt), eigentlich ist das nicht stornierbar.

Was lief gut?
  • Der Auflieger hat sich total gelohnt. Trotz der vielen Höhenmeter eben auch einige Flachetappen, in denen ich gut entspannen und bisschen Tempo machen konnte
  • Warme Klamotten für die Nacht waren ein Segen. Zumindest habe ich nicht gefroren, wenn es auch sonst nur so mittel lief nach Sonnenuntergang
  • Regenklamotten machen mir einfach bessere Laune wenns schüttet. Zwingend nötig finde ich die im Sommer allerdings nicht umbedingt (Jacke ausgenommen), zumindest tagsüber wird man ja wieder trocken
  • Untersetzung ist schon sehr hilfreich, wenn man energiesparend die Anstiege fahren will

Was lief nicht so gut?
  • doch zu schnell in der ersten, schwereren Hälfte?
  • zu wenig Pausen gemacht!
  • zu viel Krempel dabei!
  • nächstes mal keine Unmengen Isopulver mitschleppen, Wasser und Essen unterwegs

Eine Entscheidung
Das hat Spaß gemacht, also trotz der letzten Kilometer. Trotzdem habe ich nach dieser Tour entschieden, beim Münchner Madonna-di-Ghisallo Superbrevet mit 1200km / 15.000hm und einem Zeitlimit von 96h nicht zu starten. Ich weiß es ja eigentlich, niemals Intensität und Volumen gleichzeitig erhöhen, nicht versuchen zu rennen, bevor man gehen kann. Strava sagte hinterher, dies sei meine zweitlängste Tour am Stück, also ohne Übernachtung, gewesen. Und es war klar, ich kann da keinesfalls nach einem Powernap nochmal 200km dranhängen, wie es für das Superbrevet nötig wäre. Also lieber erstmal ein Paar Zwischenstufen nehmen, mal PBP fahren, mal LEL probieren, die mehr Organisationsgrad bei Verpflegung und Schlafen bieten was enorm Zeit spart. Und eben Rheingold, was zwar vom km/hm Verhältnis härter ist, aber aufgrund des großzügigen Zeitlimits als Radreise gefahren werden kann. Vielleicht fahre ich den Münchner auch so, quasi in der Touristikversion, mit 200-250 oder so am Tag, mal gucken...
 
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Sehr schön! Ich habe den 400er auch als Anlass für ein langes Wochenende in Freiburg genommen: Anreise aus dem Pott am Freitag mit dem ICE, zurück dann erst am Montag.
Offenbar hatte ich aber deutlich mehr Glück mit dem Wetter: für mich gab es nur einen Mini-Schauer, da hat es sich nicht mal gelohnt, die Regenjacke anzuziehen.
Nach der total verkorksten Teilnahme vor 2 Jahren war das für mich die Premiere in den Vogesen - und es hat mir sehr gut gefallen. Die Anstiege waren alle gut zu fahren, auch wenn ich es lieber kurz und unrhythmisch mag (ist wohl die Prägung aus dem Bergischen Land), als diese ewig langen Rollerberge.
Start um 5 Uhr morgens fand ich super, habe allerdings auch direkt gegenüber im Hotel genächtigt. Viel Schlaf habe ich nach dem Stammtisch am Vortag dann aber nicht bekommen. Meine "Strategie": einigermaßen zügig fahren, Pausen möglichst kurz, um bald wieder zurück in Freiburg zu sein und im Ziel noch ein paar Bier genießen zu können. Hat dann auch ganz gut geklappt, um halb 12 war ich zurück im Augustiner, wurde von Urban und Michael in Empfang genommen, und bin dann trotzdem bis 4 Uhr geblieben, um mit den anderen Fahrern zu quatschen und die Stimmung zu genießen.
Fazit: hat sich auf jeden Fall gelohnt!

PS: Auf deinen Bericht zu Rheingold bin ich natürlich schon gespannt!
 
Danach wieder ein etwas welliges Flachstück auf dem ich etwas Schnittkorrektur betreiben konnte. So langsam sah man am Himmel auch das angekündigte, aber keineswegs sichere, Gewitter aufziehen. Aber noch keinerlei Regen und jede Menge Hoffnung...

Was ist aus dem Land der Haute Cuisine geworden? Pizzaautomaten? Ich sah sie mehrfach in der ganzen Region. Echt jetzt?!

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Die Tour lässt grüßen. Alte Bemalungen auf der Straße feuern noch Jan Ullrich an. Da das Gewitter nun doch deutlicher sichtbar wurde und ich (dummerweise) versuchen wollte, ihm davonzufahren (bergauf!), bin ich da sogar einige hundert Meter hoch, bis ich gemerkt habe, daß dies der falsche Anstieg ist, weil ich zum Ballon de Servance hoch muss, nicht zur Planche des belles Filles...also zurück und die richtige Abzweigung genommen.

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Natürlich ist mein bescheuerte Plan so gar nicht aufgegangen und ich kam in einen richtigen Wolkenbruch. Bergauf. Und nirgendwo eine Stelle, wo ich hätte gut halten können. Um die Regensachen anzuziehen. Nirgends! Rechts und Links Graben und matsch und direkt steile Böschung. Kein Baum um das Rad anzulehnen. Also egal und durch. Den Anstieg an sich fand ich nicht schlimm. Recht lang aber keine Rampen. Asphalt war als schlecht angekündigt, was ich beim Anstieg nicht nachvollziehen konnte. Bisschen rau aber doch völlig ok?!
Ganz anders auf der Abfahrt! Das hat mir mir keinerlei Spaß gemacht: Steil, kurvig, schlechter Aspahlt, welliger Boden, Schlaglöcher und alles im noch stärkeren Regen. Dann abseits ein leerstehendes Haus mit Schuppen und wohl absichtlich und freundlicherweise geöffneter Schuppentür mit drei Gartenstühlen drin. Da habe ich dann doch die Regensachen angezogen. Und siehe da, Laune direkt besser. Obwohl ich schon komplett nass war, haben mir die Regensachen es doch deutlich angenehmer gemacht.

Süße Häuschen...

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...und jede Menge ganz tolle, halbverfallene Anwesen. So „lost places“ mäßig. Wo man sich denkt, was man da draus machen könnte. Aber halt echt in der Pampa.

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Regenbögen. Sie verfolgen mich. Jetzt sogar im Doppelpack... :D

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Zwischenzeitlich hat es aufgehört zu regnen und die Sonne kam raus. Wieder so ein Moment, noch vor wenigen Minuten diesen bekackten Scheißsport verflucht und kaum kommt die Sonne raus: Was könnte es schöneres geben, als Brevet zu fahren? Wurde sogar ziemlich warm, die nassen Sachen trocknen komplett am Körper. Klasse, gut für die Nacht! Bei einem Bäcker einen Mitfahrer getroffen, der Socken in der Sonne getrocknet hat und sich darüber gefreut hat, nicht nass in die Nacht fahren zu müssen. Auf die Frage, was ich denn in all den Taschen am Rad alles dabei hätte, sagte ich sinngemäß, halt Regensachen und warme Kleidung für die Nacht. Fand er meine Taschen erst übertrieben, guckte er dann doch etwas neidisch, seine warmen Sachen hätte er jetzt schon im Regen verschossen. An ihn musst ich später nach Sonnenuntergang noch denken, als es wieder zu schütten anfing...

Abenddämmerung. Wunderschön.

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Abendessen in St. Dis. Noch ca. 120km. Gut bedient aber gerade noch okay. Letztes Foto, weil es danach zu dunkel war für mein altes Handy. Aber auch, weil ich echt ziemlich platt war. Einerseits tatsächlich erschöpft (genug Kalorien hatte ich auf jeden Fall) aber vor allem Sitzbeschwerden. Wenn ich (zu) müde werde kippt mein Becken nach vorne, zu viel Druck an falschen Stellen. Wird aktuell besser, kommt vom Rücken, bin dran und betreut.

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Eigentlich wollte ich es genau so machen, wie es in der Streckenbeschreibung empfohlen war: Auf den ersten 200km Energie sparen und in der zweiten Hälfte in den Flachstücken in Tempo umsetzen. Ich dachte eigentlich, ich hätte das so gemacht?! Naja vielleicht auch nicht, für die ersten, schweren 200km habe ich 10:30h (all in) gebraucht – für mich ist das dann doch ziemlich flott gewesen.
Danach wars etwas zäh. Die letzten 50km Kilometer oder so habe ich mich dann eher mit wundem Hintern ins Ziel gequält. Klingt jetzt schlimm, allerdings tut sich da gerade was. Aktuell schiebt sich die Schwelle, bis zu welcher ich noch beschwerdefrei fahren kann, immer weiter raus.

Zusammenfassung: 200km großer Spaß, 100km hmm..okay?, 75km sehr anstrengend, 50km irgendwie ankommen.
Um genau 4:00 Uhr war ich im Ziel, Gaststätte hatte noch auf. Vielleicht hätte ich noch ein Bier bekommen, um 4 ist letzte Runde, aber ich war ziemlich fertig, müde und auch ein bisschen genervt und wollte ins Bett. Zum Campingplatz musste ich ja auch noch radeln, duschen und ab ins Autobett. Nie so schnell eingeschlafen...

Das Casino Fiasko
Kontrolle 5 in Saint-Loup-sur-Semouse. Es ist ein Casino Supermarkt als Kontrolle zu fotografieren. Direkt an der Kreuzung mit der D964. Nach über 200km stimmen die Kilometer ja meist nicht mehr 100%ig, vor allem wenn man wie ich erstmal den falschen Anstieg hoch ist. Also gewisse Unsicherheit hier. Eben die Augen auf machen. Ich fahre und fahre, durch den Ort mit Ampeln. Kein Casino. Und bin irgendwann am Ortsende. Auch hier nix. Mist. Okay dann eben schnell auf Googlemaps geguckt, Casino-Supermarkt wird ja wohl nen Eintrag haben? Nix gefunden. Naja vielleicht noch ein Stück weiter. Auch nix. Ah die Bundesstraße D964, die muss es ja auf Maps geben. Nein, auch nix, die gibts nicht*. Also die Brevet-App geöffnet. Wenn man dort auf „Position hochladen geht“, zeigt sie einem an, daß man noch nicht da ist und die ungefähre die Entfernung zum Kontrollpunkt. Okay also weiter. Entfernung wird kleiner. Super. Noch weiter, Entfernung wird wieder größer. Mist. Also zurück, Entfernung wird kleiner. Gut also doch hier zurück. Entfernung wird wieder größer. WTF? Einen Fußgänger gefragt. Der mir sagt, es gäbe keinen Casino im Ort. Oder ob ich ein Spielcasino suche? Oder was einkaufen will? Nein, alles nicht, es geht um...ach zu kompliziert, dankeschön! Wieder zurück in den Ort. Endlich kommt mir ein Mitfahrer entgegen. Den gefragt (der mit den Socken, hat das Brevet schon 5x oder so gefahren): „Ach so, ja der Casino den gabs mal, ist jetzt ein Intermaché.“ Scheiße, der war ganz am Ortseingang. Also alles wieder zurück, durch den Ort, Ampeln etc. Da kommt mir ein weiterer Fahrer engegen, der lächelt bisschen mitleidig, ich fahre ja entgegen dem Track, muß also wohl die Kontrolle verpasst haben. Der hats wohl gecheckt, ich halt nicht. Pustekuchen, nach meinem Kontrollfoto, wieder in der richtigen Richtung unterwegs, kam er mir auch entgegen. Die ganze Aktion hat mich, habs auf Strava nachgeguckt, 45 Minuten gekostet. Aber was solls, auch das gehört zum Brevetfahren, irgendwas ist eigentlich immer, deshalb immer etwas Puffer haben. Dafür keinerlei technische Probleme, keine Versorgungsengpässe oder ähnliches...

*später gecheckt, daß die wohl auf Maps als D64 angezeigt wird, das ist mir in dem Moment leider nicht aufgefallen

Der nächste Morgen
Leider hatte ich den einzigen Platz in der ganzen Reihe, wo um 9:30 die Sonne draufknallt. Für die recht kalte Nacht hatte ich alles an was ich hatte, Jogginganzug, Jacke, Socken, dicke Bettwäsche, für die Nacht wunderbar. So schnell, wie als ich im Backofen wach wurde, war ich noch nie aufgestanden und umgezogen. Dann direkt zum Frühstück beim Bäcker, wenn ich schon wach sein muss dann mit Kaffee!

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Reicht wohl noch nicht

Anhang anzeigen 1452716

Um kurz vor 11 war ich an der Rezeption zum Bezahlen und habe ungefragt, aus purer Freundlichkeit, den umsonst gebuchten Tag erlassen bekommen. Sehr nett, so wars eine echt günstige Sache mit der Übernachtung. Normalweise machen die sowas aber nicht, hat man mir mehrmals gesagt (ich hatte aber auch gar nicht danach gefragt), eigentlich ist das nicht stornierbar.

Was lief gut?
  • Der Auflieger hat sich total gelohnt. Trotz der vielen Höhenmeter eben auch einige Flachetappen, in denen ich gut entspannen und bisschen Tempo machen konnte
  • Warme Klamotten für die Nacht waren ein Segen. Zumindest habe ich nicht gefroren, wenn es auch sonst nur so mittel lief nach Sonnenuntergang
  • Regenklamotten machen mir einfach bessere Laune wenns schüttet. Zwingend nötig finde ich die im Sommer allerdings nicht umbedingt (Jacke ausgenommen), zumindest tagsüber wird man ja wieder trocken
  • Untersetzung ist schon sehr hilfreich, wenn man energiesparend die Anstiege fahren will

Was lief nicht so gut?
  • doch zu schnell in der ersten, schwereren Hälfte?
  • zu wenig Pausen gemacht!
  • zu viel Krempel dabei!
  • nächstes mal keine Unmengen Isopulver mitschleppen, Wasser und Essen unterwegs

Eine Entscheidung
Das hat Spaß gemacht, also trotz der letzten Kilometer. Trotzdem habe ich nach dieser Tour entschieden, beim Münchner Madonna-di-Ghisallo Superbrevet mit 1200km / 15.000hm und einem Zeitlimit von 96h nicht zu starten. Ich weiß es ja eigentlich, niemals Intensität und Volumen gleichzeitig erhöhen, nicht versuchen zu rennen, bevor man gehen kann. Strava sagte hinterher, dies sei meine zweitlängste Tour am Stück, also ohne Übernachtung, gewesen. Und es war klar, ich kann da keinesfalls nach einem Powernap nochmal 200km dranhängen, wie es für das Superbrevet nötig wäre. Also lieber erstmal ein Paar Zwischenstufen nehmen, mal PBP fahren, mal LEL probieren, die mehr Organisationsgrad bei Verpflegung und Schlafen bieten was enorm Zeit spart. Und eben Rheingold, was zwar vom km/hm Verhältnis härter ist, aber aufgrund des großzügigen Zeitlimits als Radreise gefahren werden kann. Vielleicht fahre ich den Münchner auch so, quasi in der Touristikversion, mit 200-250 oder so am Tag, mal gucken...
Doppelter Regenbogen: zweimaliger Spiegelung des Lichtstrahls im Wassertropfen. Austrittswinkel 42 Grad, beim zweiten 51 Grad Spektralfarben umgedreht \end Klugscheissermodus ;-) und irgendwann starte ich auch in Freiburg.
 
Schöner Bericht. Danke.
Ich bin auch gefühlt ab dem Servance bis St.Die im Regen unterwegs gewesen.
Das war aber wohl stark vom Zeitpunkt abhängig. Einfach Pech, hätte auch anders laufen können.

Der frühere Start ist für mich angenehmer als die alte Variante. Ich muss zwar einen Tag vorher anreisen dafür komme ich aber noch zu akzeptabler Zeit in Freiburg an und kann noch Heim fahren.
 
Toller Bericht, bravo! Beim Abschnitt zur Casino-Kontrolle musste ich sehr schmunzeln - ging mir und meinem Mitfahrer genau so. Gott sei Dank hat das mit der GPS-Peilung des Kontrollpunktes bei ebrevet schon beim ersten Zurückfahren funktioniert.
Ansonsten fand ich den frühen Start auch sehr gut, schlafe in der Nacht vor Brevets eh immer schlechter als sonst. Der Aufstieg zum Geiersnest in den beginnenden Tag hinein hatte schon was...
 
Rheingold 1von6
Tourbericht Rheingold Super Randonée
7. bis 9. Juni 2024

Die Super Randonée
Die Super Randonée ist eine besondere Kategorie von Brevets. Mit minimal 600km Distanz und mindestens 10.000 Höhenmetern gehört sie schon eher zu den anspruchsvolleren Fahrten. Gefahren werden kann in zwei Kategorien: Randonneur in max. 60 Stunden oder als Touriste mit mindestens 75km pro Tag. Veranstaltet und „homologiert“, also geprüft und gewertet, wird das ganze von den Provence Randonneurs und ihrer Vorsitzenden Sophie Matter, der französischen Grande Dame des Brevetfahrens. Idee, Konzeption, Route, Abwicklung und Durchführung obliegt aber jeweils einem lokalen Veranstalter. Im Falle von Rheingold ist das ARA Ruhrgebiet.
Gefahren werden kann eine SR jederzeit, der Fahrer bestimmt den Startzeitpunkt selbst. Es handelt sich um eine sog. Permanente, eine feste Route, die nach bestimmten Regeln eigenverantwortlich gefahren wird. Allerdings muß man sich vorher anmelden und da Rahmenschild und Brevetkarte benötigt werden und diese per Post kommen, wird ein Vorlauf von 4 Wochen empfohlen.

Insgesamt gibt es aktuell 186 solcher Fahrten weltweit und 4 in Deutschland.
https://www.superrandonnees.org

Ausführliches Reglement
https://www.ara-breisgau.de/superrandonnee/reglement-superrandonnee

Anmeldung für Rheingold
https://www.audax-randonneure.de/form/anmeldung-rheingold

Rheingold Thread hier im Forum
https://www.rennrad-news.de/forum/threads/superrandonnée-rheingold.172934/

Das sagen Komoot und Openrunner
https://www.komoot.com/de-de/tour/1630673301
https://www.openrunner.com/en/route-details/12473138

Rheingold_Openrunner.jpg


Das sagen die Zahlen
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Wie es organisiert ist
Zuerst meldet man sich mit einem geplanten Startzeitpunkt an und bekommt dann einen Downloadlink für Routeninfos und gpx-Tracks. Starterumlage von sehr günstigen 8€ wird überwiesen. Der genaue Starttermin kann, falls nötig, später noch verschoben werden. Das war bei mir so, ich wollte eigentlich Ende März starten, aber ein krasser Kälteeinbruch hätte mich mit Schnee und Eisglätte mitten in der Eifel erwischt, es war also die richtige Entscheidung, zu verschieben.
In den Unterlagen sind ein Gesamt-Track und 3 Einzel-Tracks für jeweils ca 200km dabei. Ein pdf mit Beispiel-Kontrollfotos und GPS Koordinaten mit Links ist sehr hilfreich. Aber vor allem der Track ist der Knaller, enthält er doch eigentlich alle relevanten Infos wie Kontrollstellen, Verpflegungsmöglichkeiten und ein paar Hotels direkt als POIs. Das habe ich intensiv genutzt und das war auch unterwegs wirklich äußerst hilfreich. Näheres dazu habe ich hier im Rheingold-Thread geschrieben. Abgesehen davon muß man wie immer selbst klarkommen.

Das Radl
Mit dem Rad, Setup, Taschen, Reifenwahl etc war ich absolut zufrieden. Würde ich wieder so fahren. Es sind genügend Flachstücke und gut einsehbare Abfahrten dabei, um das Mitschleppen des Aufliegers zu rechtfertigen. Challenge Strada Bianca in 30mm mit 3,8 Bar haben einen völlig unauffälligen Job gemacht, keine Reifenpanne, gut gefedert. Taschenvolumen war absolut ausreichend, bzw so gewählt, daß ich auch mal 2 Bäckertüten noch reinbekommen habe. Der SON Nabendynamo hat genügend Strom geliefert, um das Licht (falls nötig), den Wahoo und das iPhone zu versorgen. Powerbank oder Ladeadapter wären nicht nötig gewesen (das sähe allerdings bei längeren Nachtfahrten anders aus...). Montiert hatte ich 50/34 und 11-40 – also schon eine krasse Untersetzung. War jetzt nicht schlimm, 34-40 dabei zu haben, allerdings hatte ich das Gefühl, wenn ich das auflegen muß, kann ich auch schieben und bin gleich schnell. Oder brauch einfach mal ne Pause.
Das schäbig gewickelte Lenkerband bitte ich zu entschuldigen. Beim Bikefitting wurden die Griffe verstellt und ich muß da eh nochmal hin und hatte keinen Bock andauernd neu zu wickeln...

Fairlight_Rheingold - 1.jpeg


Die Anreise
Ich habe ewig hin- und her überlegt, Fahrpläne gecheckt, Unterkünfte für eine Anreise am Tag vorher gesucht, überlegt, ob ich mit dem Rad anreisen soll... am Ende ist es, wie so oft, doch wieder das Auto geworden, aus verschiedenen Gründen.
Da Koblenz ebenfalls vom Hochwasser betroffen war, bestand durchaus die Gefahr, daß der Start am Deutschen Eck nicht zugänglich sein könnte. Und da ich keine Erfahrung mit Hochwasser habe, betraf mich einfach nie, wollte ich das Auto nicht einfach irgendwo stehen lassen und mir Sorgen machen müssen. Ich habe dann tatsächlich eine topografische Karte herangezogen und mich für einen Parkplatz am Friedhof entschieden, locker 100m über dem Rhein. Das sollte reichen ;-)

Koblenz_Höhenprofil.jpg
 
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Rheingold 2von6
Etappe 1 / Freitag 7.6.24 / Koblenz-Kempten
212,48 km / 3735 hm / 17,6 Hm:km
Gesamt 12:36 h / 16,9 km/h
Bewegt 10:52 h / 19,8 km/h

Nach einem etwas nervigen rumgekurve um Baustellen und gesperrte Straßen herum, konnte ich um 7:20 mein erstes Kontrollfoto machen und zur Tour starten.

Rheingold - 1.jpeg


Rheingold - 2.jpeg


Gleich nach dem Start wieder Umleitungen des Radverkehrs wegen Brückensperrung (darüber wurde ich aber fürsorglicherweise vorher informiert) aber irgendwie hat mich der Streckenplan eher verwirrt und ich bin 2x falsch gefahren...

Umleitung_Radverkehr.jpg


...aber irgendwann war ich dann doch endlich aus Koblenz draußen. Und direkt nachdem man über die Brücke gefahren ist, möchte die Tour kurz mal was klarstellen: Bei allem Lob über die Schönheit der Strecke, den kurzen Etappen von nur 200km am Tag und dem großzügigen Zeitlimit zum Trotz möchte Rheingold nicht als Kaffeefahrt verstanden werden. Das ist schon ernst gemeint hier, macht sie einem am ersten Anstieg klar. „Ja mein Junge, schaffen kannst du das schon, aber über 3600 Höhenmeter wollen auch erstmal hochgestrampelt werden.“ Aber die Beine sind frisch, das Wetter ist toll, es läuft gut! Vielleicht sogar etwas zu gut...?

Hügelig windet sich die Tour nach dem ersten größeren Anstieg durch ein kleines Stück des Westerwaldes

Rheingold - 1 (1).jpeg


um bei Oberhof die Lahn zu überqueren und Zack! bin ich schon im Taunus, also fast schon wieder Zuhause.

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Ich lerne auf solchen Touren auch immer was aus dem Themenbereich Erdkunde, das war nämlich das einzige Schulfach, in dem ich es jemals auf eine 6 geschafft habe. Es gibt also etwas Nachholbedarf, was Flussverläufe, Regionen, Gebirge usw betrifft ;-)
Gelernt: Der Westerwald ist nördlich der Lahn, die als Grenze fungiert, südlich davon ist bereits Taunus, der viel weitläufiger ist, als ich immer dachte.

Karte_Naturräume_Westerwald.png


Irgendwo bei Esch im Taunus

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Immer mit dem Großen Feldberg als Ziel, schon von weitem gut zu erkennen an den Doppeltürmen, der ziemlich genau zur Mitte der Tagesetappe auf mich wartet.

Dann die erste Überraschung: Der Feldberg ist quasi mein Hausberg, ich kenne eigentlich alle Anstiege. Deshalb hatte ich auch gar nicht richtig auf die Route geguckt, die mich über den fiesest-möglichen Anstieg (auf Asphalt) zum Gipfel führt. Von Nieder- nach Oberreifenberg über Friedhof und Burgweg geht es mit teilweise deutlich über 12% nach oben. Puh...

Am Gipfel die erste kurze Pause.

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Im Café nix los, musste nicht anstehen, Kaffee und Kuchen waren verdient! Nach 20 Minuten musste ich aber schon weiter, hibbelig, keine Ruhe irgendwie.

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Vom folgenden Stück erinnere ich nicht mehr viel. Sehr lange Abfahrt vom Feldberg bis Ehlhalten, danach hügelig aber gut mit Tempo fahrbar bis zum Preßberg. Was ich noch weiß ist, daß ich extrem drauf geachtet habe, das Feuerwehrmuseum in Fischbach nicht zu verpassen, was vielen meiner Vorangefahrenen Randonneruskollegen wohl passiert ist. Das hat geklappt, da hab ich ja auch extra drauf geachtet, den Track mit Kontroll-POI auf OSMand angezeigt war da wieder sehr hilfreich, dafür gings dann woanders schief...

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Rheingold 3von6
Den Anstieg nach Preßberg hoch hatte ich mir schlimmer vorgestellt, daß lies sich eigentlich ganz gut fahren.

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In den Weinbergen bei Aulhausen. Man fährt und fährt und denkt irgendwann, ach ganz nett, aber so richtig knallt da jetzt keine Aussicht...

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Und dann auf einmal... BÄM!, fahre ich um eine Kurve und es haut mich vom Rad! Also im übertragenen Sinne. Der Blick auf den Rhein bei Assmannshausen „Zwei Burgen Blick“. Ein echter Hammer und wirklich völlig plötzlich nach einer Kurve und im richtigen Moment. Meine Fotos bringen das nicht mal Ansatzweise rüber, wirklich wunderschön!

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Dann gehts die angekündigte, gefährliche Serpentinenstrecke runter nach Assmannshausen. Steil, eingelassene Gitter im Boden, fast 180°-Kehren, hier muß man langsam machen. Fast ganz unten fällt mir dann ein, Mooooooment, wo war denn der Kontrollpunkt? Na klar, wie sollte es anders sein, ganz oben. Also alles wieder zurückgestrampelt. Aber war nicht so schlimm wie erwartet, ließ sich bergauf fast besser fahren als runter. Kontrollfoto „Zweiburgenblick“ und weiter gings nach Assmannshausen und dann mit Tempo auf der Zielgeraden am Rhein entlang, nur noch geradeaus, bis zur Fähre nach Bingen. Hab auch direkt eine kurz vor der Abfahrt, quasi ohne Wartezeit, bekommen.

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Dann noch ein Stück aus Bingen raus bis zu meinem Hotel im Kempten. Eingangstür war offen, also bin ich rein, mit Rad natürlich. Habe mein Fahrrad im Flur geparkt und geschaut ob ich wen antreffe. Niemand da. Hab an ein Paar Türen geklopft, aber niemand zu finden. Dann kommt ein Herr aus der anderen Richtung auf mich zu. Ja wie ich denn reingekommen sei? Na durch die Tür natürlich. Und dann gings schon los. Er hätte es doch den Gästen schon tausendmal gesagt...bla...sie sollen die Türe ins Schloß drücken...bla...man müsse klingeln...blabla. Ob ich denn Gast sei? Yep, bin ich. Und ob ich gebucht hätte? Ja, hab ich! Dann ein Aufschrei...AAArgh...DAS RAD! Und ich so: Ja, was ist damit? Und er: Es ist im Haus! Und ich: Stimmt. Und er WARUUUM?
Und dann hat er losgelegt. Gott und die Welt und die Gäste und der Job des Hoteliers und die Gegend: „EINE PERLE!“ und die Deutschen: „Wissen das hier alles nicht zu schätzen“ und so weiter und so fort. Ich habe zugehört. Genickt. Ihm zugestimmt, daß der Beruf der Hoteliers (Gastro im weitesten Sinne) echt krass ist (finde ich wirklich, in seinem Falle fast 24/7 – für mich wär das nix), die Schwierigkeit, Personal zu finden (kann ich mir vorstellen) die Unsinnigkeit, so viel Geld wie den Mindestlohn zahlen zu müssen (tja, daran könnte es liegen mit der Personalknappheit, ich finde 12,50€ schon unterirdisch) und so weiter und so weiter. 15 Minuten freundlich-empathisches Zuhören später hatte ich ein Upgrade auf ein Doppelzimmer und das Rad stand neben dem Bett. So kann es gehen ;-)

Die Unterkunft war ein Hotel Garni (Küchenpersonal? Viel zu teuer!), das hatte ich nicht bedacht. Garni steht für Es-gibt-[Gar-Ni]x. Bingen selbst wäre über 3km zu Fuß one-way, auf nochmal radeln hatte ich keine Lust. Also habe ich Pizza bestellt. Was ne super Idee war, auch für zukünftige Fahrten. Ich konnte, während das Essen unterwegs war, schon jede Menge Dinge erledigen, duschen, Klamotten auswaschen, bisschen vorbereiten für den nächsten Tag. Spart enorm Zeit im Vergleich zu Essen gehen, bestellen, warten etc...

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Nach der Pizza auf der Bank im Hof gings früh ins Bett, Wecker auf großzügige 4:45 Uhr.

Bei der Analyse im Nachhinein kam ich zu dem Schluß, daß ich wie immer die erste Etappe zu schnell angegangen bin. Laune gut, Beine gut, frisch und Wetter super, habe ich da vermutlich zu viel Gas gegeben. Ich hatte auch irgendwie so einen nagenden Gedanken im Hinterkopf, mehr als 12 Stunden für nen 200er sei ja wohl lächerlich. Aber das war halt kein normales 200km Brevet sonder eher vergleichbar mit meinem Feldbergkönig 200km/3777hm (ab Frankfurt), und da hatte ich 15km weniger und habe trotzdem 1h15m länger gebraucht. Das würde ich nächstes mal langsamer angehen oder eine zweite, längere Pause einlegen. Zeit genug wäre gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Rheingold 4von6
Etappe 2 / Samstag 8.6.24 / Kempten-Bauwagen
190,24 km / 3658 hm / 19,2 Hm:km
Gesamt 13:36 h / 14,0 km/h
Bewegt 10:27 h / 18,2 km/h

Ausgeschlafen ging es am Samstag um 5:32 wieder aufs Rad. Schöne Stimmung, noch alles ruhig, kein Verkehr, schon hell, bereits gerade so warm genug für kurz/kurz.

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Geöffnet hatte noch nix außer einer Tankstelle in Bingen, die aber ihr Frühstücksangebot auf eine andere Zielgruppe ausgerichtet hatte. Die Wahl lag zwischen Mettbrötchen, Leberkäsbrötchen und Schnitzelbrötchen. Mit einer blanken Laugenstange im Trikot, hat der Vegetarier sich dann auf den Weg zur Lauschhütte gemacht.

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Der folgende Anstieg war eigentlich ein Genuß. Wäre er nicht gleich am Anfang so steil. Das musste ich mir ein wenig erkämpfen, ohne Frühstück. Ist aber nur am Anfang so, dann wirds etwas flacher. Die Strecke selbst ist wunderbar, durch den Wald auf nagelneuem Asphalt (Baustellenschilder ignoriert, wie immer, war auch keinerlei Baustelle mehr da...). Ruhe, Vogelgezwitscher, ganz alleine, nur ich und mein Atem, herrlich.
Es folgt eine sensationelle Abfahrt auf neuem Asphalt. Gut einsehbare, sanfte Kurzen, nicht zu steil, man kann einfach rollen lassen, bisschen lenken, wenig bremsen. Sehr entspannend.
Frühstück beim Bäcker in Seibersbach. Ich saß drin, hab ordentlich gefrühstückt, 3 Kaffee getrunken und ein bisschen den Gesprächen gelauscht. War ziemlich viel los, eigentlich immer 4-5 Kunden im Laden, ein Kommen und Gehen. Und für mich mal wieder unglaublich: Es kannten sich Alle! Also wirklich Alle! Man konnte es den Gespräche und Begrüßungen entnehmen. Unglaublich. Wenn ich im Laden gegenüber meiner Wohnung einkaufen gehe, ist es eine totale Ausnahme, wenn ich auch nur einen Menschen mit Namen kenne... eine andere Welt.

Absolut klar, wer hier der Chef ist...

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Diesmal geht es zuerst 100km durch den Hundsrück, und dann nach einem kurzen Stück an der Mosel, gehts weiter in die Eifel.

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Das Höhenprofil der Tour und die reinen Zahlen lassen eine schwerere Strecke vermuten, als sie sich angefühlt hat. Schon komisch, ich empfand diese Etappe als die leichteste der drei.

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Bewusst relaxt bin ich die Steigungen angegangen, habe mich in den flacheren Teilen bisschen aufs Tempo konzentriert. Aber da bloß 185km bis zum Abendessen geplant waren und ich ja doch recht früh losgekommen bin, war eh klar, daß dies ein entspanntes Ding wird. Vielleicht hat diese mentale Einstellung ja dafür gesort, daß ich die Etappe als relativ leicht empfunden habe?

Für den Erbskopf als Höhepunkt der Etappe hatte ich mir extra Körner aufgespart. Was gar nicht nötig gewesen wäre. Das ist ein echter Rollerberg! Ohne daß man von irgendwelchen steileren Abschnitten gestört würde, kann alles in gleichmäßigem Tempo hochgekurbelt werden. Angenehm.

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Das mit den Panorama-Aufnahmen wird bei mir irgendwie nix

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Dann 30km, auf denen irgendwie nix besonderes passiert. Und gerade als ich denke: Woa, irgendwie landschaftlich ja ganz nett, aber auch bisschen eintönig... fahre ich um eine Kurve aus dem Wald raus und die Aussicht erschlägt mich wieder! Genau wie am Tag zuvor! Ich habe fast eine Vollbremsung hingelegt, Schönheit kann gefährlich sein! Ich bin zuerst vorbeigeballert, war recht schnell in einer Abfahrt und musste wieder zurück. Wahnsinn, hätte ich nicht gedacht...die Mosel...

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Danach erinnere ich mich an nichts besonderes. Wetter gut, Strecke machen. Letztes Kontrollfoto des Tages am Meerfelder Maar

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Ziemlich früh, schon 17:30 Uhr war ich im Etappenziel. Restaurant Mausefalle in Neroth. Großer Laden, gut organisiert, mit großem Biergarten. Rad durfte mit in den Garten und in Sichtweite geparkt werden. Sehr zu empfehlen, aber ich habe gerade so einen Platz bekommen, Reservierung wäre Samstags sicher nicht verkehrt. Zimmer haben die auch.
https://www.mausefalle-neroth.de

Nach dem Abendessen nochmal ein echt anstrengender Teil: Ich hatte als Unterkunft einen ausgebauten Bauwagen gebucht. Mitten im Wald bei Privatleuten. Geröllauffahrt, zweistellige Steigungsprozente, voller Magen, die Hälfte der 4,5km habe ich lieber geschoben.

Das war echt ganz schön ab vom Schuß. Riesen Gelände, nette Vermieter. Bad im Haupthaus, schlafen im Bauwagen. Auch hier hatte man wieder sehr viel Text, bevor ich unter die Dusche durfte. Aber ich war so früh, daß ich wirklich viel Zeit im Bad, Klamotten auswaschen und bisschen abhängen hatte. Alles so ein kleines bisschen feucht-klamm dort im Wald, aber ganz nett. Nur schade, daß es die Abendsonne nicht durch die Bäume bis zu mir geschafft hat. Mit 40,-€ pro Nacht allerdings auch unschlagbar günstig. Sehr früh ins Bett, schon 21:30 Uhr. Am nächsten Tag wollte ich extra früh los, hatte ich doch noch über 220km zu fahren und keine Lust, am Ende dann doch noch in Zeitnot zu geraten.

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Ach ja: Eigentlich ist das Frühstück ja vor Fahrtantritt, das Abendessen nach Fahrtende. Auf dieser Etappe war aber beides mit in der Gesamtzeit enthalten, das erklärt die lange Fahrtzeit und den geringen Gesamtschnitt. Auch würde ich nächstes mal lieber noch 20-30km länger fahren, um die Gesamtkilometer gleichmäßiger zu verteilen. Diese Etappe ist mir doch etwas kurz geraten. Lieber die 3. Etappe nächstes mal etwas kürzer halten.
 
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Etappe 3 / Sonntag 9.6.24 / Bauwagen-Boppard
223,18 km / 3389 hm / 15,2 Hm:km
Gesamt 13:44 h / 16,2 km/h
Bewegt 12:08 h / 18,4 km/h

Der Wecker bimmelt um 3:15 Uhr. Für diesen Morgen hatte ich schon am Tag vorher eingekauft. Alles in eine Plastiktüte verpackt, verliert es zwar jeglichen Knusperfaktor, aber bleibt trotzdem angenehm frisch, bisschen weicher eben, aber immer noch lecker. Kaffeemaschine gabs ja im Bauwagen, also alles vorhanden was ich morgens brauche.
Warme Sachen hatte ich mit, die haben sich für die nächsten 3-4 Stunden auch gelohnt. Abfahrt um 4:08 Uhr. Richtig dunkel wars eigentlich nur bis ca. 4:40 Uhr, danach begann es schon, allmählich hell zu werden. Ich starte gerne so früh. Es ist zwar zuerst einmal etwas kälter als schön wäre, aber ich liebe einfach diese Morgenstimmung. Die Luft, die Ruhe, die Dämmerung. Kein Verkehr, ziemlich einsam. Wundervoll.

Bodennebel auf den Feldern und dann der beginnende Sonnenaufgang

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Tolles Licht irgendwo im Wald bei Sasserath

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Nach 4 Stunden Fahrt dann die Kontrolle am Radioteleskop in Effelsberg. Echt beeindruckend, das Ding ist riesig! Mein Foto gibt die Verhältnisse nicht recht wieder. Das hat schon was echt Sci-Fi mäßiges, diese riesige Schüssel mitten in der Natur, sonst nix drumrum. Und ich hatte Glück, sie haben es gerade neu ausgerichtet, als ich da war. Langsam aber deutlich sichtbar hat sich diese Monsterschüssel leise summend in meine Richtung gedreht. Echt cool.

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Die Kontrolle am höchsten Punkt der Eifel: der Kaiser-Wilhelm-Turm auf der Hohen Acht. Wir wurden vorgewarnt, daß die letzten Meter sehr steil sind. Aber daß sie so steil sind? Beim hochschieben mußte ich mich schon konzentrieren, daß ich nicht wegrutsche, obwohl es trocken war. Runter aber bin ich gefahren, zu Fuß mit Rad wäre gefährlicher gewesen, einfach zu steil.

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Weiter gings bei bestem Wetter und guter Laune.

Bürresheimer Schloß

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Kontrollfoto an der Burg Eltz. Schickes Ding! Aber auch hier wieder nach dem Foto ein echt steiles Stück zurückzustrampeln

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Danach habe ich keine Fotos mehr von unterwegs gemacht. Meinen Schnitt hatte ich etwas runtergetrödelt und habe mich die folgenden 80km auf die Schnittkorrektur konzentriert und etwas Tempo gemacht. Die letzten 3 Anstiege, bevor es endgültig flach am Rhein entlang geht, haben es nochmal in sich. Allesamt aber wunderschön von der Aussicht her. Bei etwas über 30° genau mein Wetter, das hat nochmal richtig Spaß gemacht. Versorung an vielen Tankstellen unproblematisch, Flaschen habe ich mehrfach gefüllt.

Für den allerletzten Anstieg zum Ziel am Gedeonseck, hätte ich mir aber noch ein Paar Körner aufheben sollen.

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Oder vorher eine Pause machen. Das erste, steile Stück habe ich geschoben, Zeit war noch genug, den Rest bin ich gefahren.

Fröhlich und gut gelaunt bin ich ins Ziel eingelaufen und habe das letzte Foto gemacht und meine Zielzeit eingetragen.

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Im Biergarten hatte ich dann am Ende nur eine Apfelschorle. Mit meiner Bestellung gab es ein kleines, nennen wir es freundlich „Mißverständnis“ und ich mußte mein Geld zurückfordern. Nun ja, eine weitere interessante Erfahrung hat es gebracht: Auch wenn man nach einer langen Tour hungrig ist, stirbt man nicht gleich, wenn es nicht sofort was zu Essen gibt. Es droht auch nicht gleich ein Hungerast. Also nach nur 15 Minuten wieder aufs Rad und ab nach Koblenz, auf direktestem Weg. Teils am Rhein, teils auf einer Bundesstraße, schnurgeradeaus, eine echte Ballerstrecke. Und was hab ich da tierisch Tempo gemacht, dachte ich, war richtig schnell! Oder auch nicht, am Ende standen da ø21,5 km/h auf der Uhr 🤣 So ganz taufrisch war ich wohl doch nicht mehr. Nach fast genau 60 Stunden war ich wieder am Auto in Koblenz.

Das Fazit
„Heilige Scheiße...Wie geil wars das denn?“
Absolut wunderschöne Tour. Sehr zu empfehlen, ich würde an der Streck nichts ändern! Rheingold ist ein echtes Road-Adventure, Gravelanteil bei unter 1% würde ich schätzen. Einzig meine Etappenaufteilung würde ich gleichmäßiger machen und tagsüber mehr richtige Pausen mit Kaffee & Kuchen machen, dafür weniger in den Unterkünften abhängen. Hat mir großen Spaß gemacht. Irgendwie ist das eine ganz andere Art Brevetfahren, weil man richtige Übernachtungen machen kann. Also schon richtig Sport tagsüber, wie bei einem Brevet, aber eben auch richtig duschen, Essen gehen, gemütlich schlafen, wie bei einer Radreise. Tolle Kombination irgendwie und auch ein guter Einstieg in längere, mehrtägige Touren. Rheingold, wir werden uns wiedersehen! Vielleicht schon bald, wer weiß...

+++FERTIG+++
 
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Schöner Bericht
Ich muss das auch nochmal machen. Wenn meine Form sich weiterhin so positiv entwickelt, dann auch mal in nicht touristisch. Ich musste vor drei Jahren die Umfahrung des Ahrtals benutzen und mir fehlt deshalb Effelsberg und Co.
Das Feuerwehrmuseum ist auch erst nach meiner dritten Vorbeifahrt gefunden worden und an Assmannshausens Zwei-Burgen-Blick habe ich auch lange herumgedoktert und kein aussagekräftiges Foto hinbekommen.

Gruß
dasulf
 
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Dann gehts die angekündigte, gefährliche Serpentinenstrecke runter nach Assmannshausen. Steil, eingelassene Gitter im Boden, fast 180°-Kehren, hier muß man langsam machen. Fast ganz unten fällt mir dann ein, Mooooooment, wo war denn der Kontrollpunkt? Na klar, wie sollte es anders sein, ganz oben. Also alles wieder zurückgestrampelt. Aber war nicht so schlimm wie erwartet, ließ sich bergauf fast besser fahren als runter. Kontrollfoto „Zweiburgenblick“ und weiter gings nach Assmannshausen und dann mit Tempo auf der Zielgeraden am Rhein entlang, nur noch geradeaus, bis zur Fähre nach Bingen. Hab auch direkt eine kurz vor der Abfahrt, quasi ohne Wartezeit, bekommen.
Genau so an gleicher Stelle …..

Super geschrieben und wird dem Superrandonée absolut gerecht. Ich bin ohne Ahrtal gefahren, damals, mache ich auf jeden Fall noch einmal mit ihm. Nur dann wie du, mit frühem Start. Meine Unterkünfte ließen mich nicht vor 9-10 loskommen, das war dann abends lang und sportlich!
 
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